Achtung Maut - bitte zahlen!

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Die deutsche Regierung ärgert Europa, weil sie eine beliebte Goldgrube nützen will: die Straßenmaut! Aktueller Blick auf eine der ältesten Einnahmequellen der Welt.

München hat die Maut quasi in den Genen. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass die Rufe nach einer deutschen Autobahnmaut für Ausländer gerade aus der bayerischen Hauptstadt am lautesten tönen. Diese Stadt verdankt ihre Gründung ganz und gar der Idee, dass zahlen muss, wer vorbei will: Herzog Heinrich der Löwe, einer der erfolgreicheren Welfen, war knapp bei Kassa. Er hatte zwar vom Stauferkaiser Friedrich I. Bayern zugesprochen bekommen, die Mauteinkünfte aus der Salzschifffahrt auf der Isar steckte aber immer noch Otto, der Bischof von Freising, ein. 1151 zerstörten Heinrichs Reiter deswegen die Mautstation des Bischofs. Die Föhringer Burg am Hochufer der Isar, die Mautbrücke und der dazu gehörige Markt wurden angezündet und dem Erdboden gleichgemacht.

Nach diesem "Föhrenburger Schreckenstag“ ließ der Bayern-Herzog die Salzstraße verlegen und durch den neuen, eigens dafür gegründeten Ort München führen. Ganz ungeschoren kam aber auch Herzog Heinrich nicht davon. Der Kaiser gab der Beschwerde des Bischofs zumindest teilweise recht: Ein Drittel der Einkünfte des neuen Marktes aus Zoll, Markt und Münze musste Heinrich an Otto abliefern.

Erfolgsmodell Maut und Zölle

Heute hat die EU die Rolle des Aufsehers und Streitschlichters in Zollfragen übernommen. Und Brüssel hebt schon drohend den Zeigefinger. Das Prinzip der Nicht-Diskriminierung anderer Bürger der Europäischen Union darf durch die deutsche Pkw-Maut nicht verletzt werden, fordert die EU-Kommission. Wenn eine Maut, dann für alle. Aber natürlich, so die Kommission, gebe es gerade in diesem Bereich eine gewisse "Flexibilität“. Soll heißen: Mit ein wenig fiskalischer Kreativität lässt sich auch für Deutschland eine Lösung finden, um, wie es ein CSU-Politiker ausgedrückt hat, "die Ausländer am Straßenbau zu beteiligen, ohne die eigenen Leute mehr zu belasten“.

Flexibilität und Kreativität zeichnen das Erfolgsmodell Maut und Zölle ja bereits seit ihrer flächendeckenden Etablierung im römischen Reich aus. Und schon der antike Grieche konnte nicht einmal umsonst sterben, sondern wurde mit einem unter die Zunge gelegten Obolus für den Fährmann Charon auf die Überfahrt ins Totenreich geschickt.

Zöllner, einer der ältesten Berufe

Auf die Spitze getrieben wird die Idee, alle jene zu schröpfen, die vorbeikommen, beim Spiel Monopoly oder DKT, wie es in einer österreichischen Version heißt. Dabei geht es ausschließlich darum, abzukassieren oder selbst abkassiert zu werden. Das Gefängnisfeld wird da zum willkommenen Asyl, um in diesem Maut-Teufelskreis wenigstens einmal Pause machen zu können. Damit der Mautgedanke aber auch sonst von Kleinauf gelernt wird, gibt es die ländliche Tradition, dass Kinder nach Hochzeiten die Straße vor der Kirche mit Seilen oder Holzlatten absperren, und das Hochzeitspaar samt Gästen erst nach einer Mautabgabe durchlassen. Gleiches passiert in Bayern und anderswo in Deutschland am Faschingsdienstag. Erst nach dem Entrichten eines "Faschingszolls“ machen die Kinder-Zöllner den Weg wieder frei.

So wie Maut, Zehnter oder einfach Weggeld uralte Begriffe für Zölle sind, zählt der Beruf des Zöllners oder Mautners zu den ältesten Berufen - mit keinem guten Ruf. Im Neuen Testament ist Zöllner das Synonym für Sünder schlechthin und Jesu Umgang mit dieser Berufsgruppe ein Skandal. Ähnlich spektakulär wie die sprichwörtliche Wandlung vom Saulus zum Paulus darf daher das Umsatteln des Matthäus vom Zöllner zum Apostel, und laut kirchlicher Tradition sogar zum Evangelisten, gewertet werden. Vom verhassten Kollaborateur mit der römischen Besatzungsmacht zum Jünger des Herrn lief sein Karriereweg, der eine der kürzesten Berufungsgeschichten überhaupt ist. Jesus sah Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: "Folge mir nach! Darauf stand Matthäus auf und folgte ihm.“ Ersatz für den Zöllner wird sich schnell gefunden haben, ging mit diesem Beruf doch die Chance einher, einen privaten Aufschlag auf die für die Römer einzutreibenden Tribute und Abgaben in die eigene Tasche zu wirtschaften.

Im Römischen Reich gab es zuerst einmal Zollstationen an den militärisch abgesicherten Außengrenzen. Dort kontrollierten die sogenannten Beneficarier, also verdiente Soldaten im einträglichen Vorruhestand, die Zolleinnehmer, damit diese für alle eingeführten Waren einen Zoll kassierten. Nur Wagen und Gespanne sowie Reisebedarf waren frei. Im Binnenland angekommen, war es für das reisende Handelsvolk aber noch lange nicht mit den Abgaben vorbei. Wo die Reisenden nicht ausweichen konnten, wurde abkassiert. Durchfuhrzölle, Passierzölle, Marktzölle waren auf Pässen und Straßenkreuzungen, bei Brücken, in Häfen und Märkten zu zahlen. 2,5 Prozent oder ein Vierzigstel des Warenwerts, deswegen Quadragesima genannt, spülte so von den Zollstationen in die Staatskassa. Und diese Institution blieb erhalten, auch als das weströmische Reich zerfiel. Schnell fanden sich neue Könige und Landesherren, die das einträgliche Geschäft übernahmen.

Um das System auf eine rechtliche Basis zu stellen, ließ König Chlodwig für sein Fränkisches Reich im Jahr 510 die "Lex Salica“ verfassen, eine Rechtssammlung, die als Grundlage für das "Königliche Zollregal“ diente. Damit hatte sich der König das Recht gegeben, Zölle einzuheben. Als Gegenleistung für die zu entrichtenden Wegzölle und Mauten bekamen die Reisenden aber auch etwas: Zum einen Unterstützung und Geleit auf den unsicheren Straßen; zum anderen wurde der Straßen- und Brückenbau sowie ihre Erhaltung von diesen Abgaben finanziert - und sie durften laut Lex Salica auch nur dafür verwendet werden.

Mautrecht als Goldgrube

"Bezüglich der Zölle beschließen wir, dass die von alters her bestehenden und gerechten Zölle von den Kaufleuten eingehoben werden sollen, sowohl bei der Brücke wie auch bei den Schiffen und Märkten“, heißt es wiederum in einem Kapitular von Karl dem Großen aus dem Jahr 805. Und so ging es auch die Jahrhunderte und Jahrtausende bis heute weiter, wurde das Zollrecht weitergegeben, von einem Kaiser zum nächsten, von einem König zum anderen, von denen wieder an die geistlichen und weltlichen Landesfürsten … Wenn der Kaiser großzügig war und sein Mautrecht verschenkte, hatten die Beschenkten ausgesorgt. Zum Beispiel das Nonnenkloster Niedernburg im bayerischen Passau, dem im Jahr 1010 Heinrich II. ein Waldgebiet in der Größe der Insel Mallorca und den Wegzoll dazu schenkte. Eine Goldgrube war damit aufgetan, denn auf diesen Wegen, passend "Goldener Steig“ benannt, transportierte man Salz nach Böhmen und Getreide in den Alpenraum.

Dass man 1000 Jahre später in Bayern wieder auf die Idee kommt, eine neue Goldgrube zu öffnen, indem man einen Wegzoll einführt, braucht deswegen am wenigsten im "Pickerlland Österreich“ (© Süddeutsche Zeitung) zu wundern und zu ärgern. Gilt hierzulande doch schon immer der Titel eines Bildes des Münchner Malers Carl Spitzweg, das zeigt, wie Zöllner eine Kutsche und deren Insassen an einer Gebirgsmaut filzen: "Nur Gedanken sind zollfrei“ - aber selbst das nur mit der Einschränkung, die Karl Kraus dazu gemacht hat: "Gedanken sind zollfrei, aber man hat doch Scherereien.“

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