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Digital In Arbeit

Viel Arbeit — kein Schmäh

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Mit Ideenreichtum, Qualität und Kundenservice konnte der Wiener Landschaftsgärtner Harald Kratschmer im hohen Norden punkten.

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Mit Ideenreichtum, Qualität und Kundenservice konnte der Wiener Landschaftsgärtner Harald Kratschmer im hohen Norden punkten.

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Werden Eulen nach Athen getragen, wenn ein österreichischer Landschaftsgärtner sich entscheidet in Schweden zu arbeiten? Wenn man dem Absolventen der Gartenbaufachschule Langenlois, Harald Kratschmer, zuhört, wohl kaum. Der 34jährige hat sich in zwölf Jahren vom Praktikanten zum Angestellten einer Landwirtschaftskammer hinaufgearbeitet und wagte vor drei Jahren den Schritt in die Selbständigkeit mit einer Ein-mannfirma für Baum- und Gartenpflege.

Seine „finnische Erfahrung”, eine dreimonatige Praxis in Autobahnbe-pflanzung in Südfinnland nach Schulabschluß, betrachtet er für seinen weiteren Lebensweg als besonders wichtig. Denn an' erster Stelle stand die Anpassung. Als er dann über Vermittlung des schwedischen Pfarrers Kronwald in Wien eine Praktikantenstelle in einer im Aufbau befindlichen staatlichen Baumschule bei Kalmar fand, die 15 Millionen Containerbäume im Jahr für Aufforstungen produzierte, begann er mit ei -nem Visum für 18

Monate und geliehenem Geld für Wohnungsmiete und Benzin in der Tasche, am 3. Juni 1984 mit der Arbeit. Der

Sommer war schön, die Menschen waren äußerst kommunikativ, Grillfeste an der Lagesordnung. Anders die kalte Jahreszeit: die Menschen zogen sich in ihre Häuser zurück, die Dunkelheit machte dem Österreicher zu schaffen. Er lernte intensiv Schwedisch.

Weil die Baumschule ab Herbst keine Arbeit für ihn hatte, fand er in Südschweden in einer halbstaatlichen forstlichen Versuchsanstalt eine Tätigkeit. Für die Forstforschung wurden Stecklinge von ihm erzeugt und Klone für die vegetative Vermehrung ausgesucht. Im nahen Lund machte er den Beichstest (entspricht unserer Matura).

Ein weiterer Sommer in Kalmar und ein Winter in Lund folgten, diesmal mit einer Aufenthaltsgenehmigung als Gastforscher für ein Jahr und anschließender Verlängerung um ein weiteres Jahr.

Nach der Familiengründung 1987 mit der Schwedin

Susanne erhielt er die permanente Aufenthaltsbewilligung und einen Lehrauftrag für zwei Semester an der Gartenbauschule in Vassbo (bei Falun). Also zog er mit Frau und Kind 600 Kilo-, meter nördlich in eine Einzimmerhütte des Studentenheims von Falun.

Als nächste Station folgte ein Vertrag mit der privaten Landwirtschaftskammer, wo er in Projektarbeit ein neues Gartenbaubüro einrichten sollte. Das Entgelt für diese Arbeit war allerdings so gering, daß es der jungen Familie nur mit äußerster Sparsamkeit und unter Mithilfe der evangelischen Fusterlandskirche gelang, über die Bunden zu kommen. Nach der Geburt seines zweiten Sohnes bekam Kratschmer einen fixen

50-Prozent-Posten bei der Kammer, nach einem halben Jahr wurde dieser auf 75 Prozent erhöht. Das Gehalt war trotzdem nach wie vor geringer als etwa das eines Papierarbeiters. Weil die staatlichen Zuwendungen und die Consultingtätigkeit für Privatkunden zur Finanzierung des Büros nicht ausreichten, akquirierte Kratschmer Gemeinden und Wohnungsgesellschaften als Kunden, führte die Kompostierung in diesem Bundesland ein und hielt Vorträge zum Thema. Damit hatte er auch einen 100-Prozent-Posten erworben, Voraussetzung für einen Kredit zum Erwerb eines alten Bauernhauses mit zirka 150 Quadratmetern Wohnfläche samt Zubauten und drei Hektar Grund.

Die bessere Position, weniger staatliche Mittel, die Konkurrenz zum staatlichen Landesamt und die auf drei Kinder angewachsene Familie brachten ihn zunehmend unter Druck. Er gestaltete zusätzlich Badio-programme auf Begionalebene im Frühjahr und Herbst, arbeitete 60 bis 70 Stunden in der Woche, bis sich gesundheitliche Probleme einstellten.

Ein Kontakt zum Baumchirurgen Manfred Salier in Wien, einem Schulkollegen, machte ihn mit der Methode der Baumpflege mittels Klettern bekannt. Im Herbst 1993 eröffnete Harald eine Firma für Baumpflege, blieb aber bis Sommer 1995 noch bei der Kammer. Inzwischen war, das vierte Kind geboren.

Es folgte ein kirchlicher Großauftrag für einen Friedhof und das Verfassen eines Fachbuches über Gartenbau auf Schwedisch. Schließlich erhielt der Österreicher von seinem früheren Konkurrenten, dem Landesamt, einen ehrenvollen Auftrag zur Pflege des Baumbestandes der Carl-Larsson-Stiftung bei Fahrn. Beim schwedischen Kulturumwelttag präsentierte er der Öffentlichkeit und den Fachleuten diese Arbeit.

Daß sich der Wiener im hohen Norden durchzusetzen vermochte, verdankt er, wie er gegenüber der furche erklärte, nicht nur seinem Fleiß und seiner Zähigkeit, sondern vor allem seinem Ideenreichtum und seinem steten Bemühen um höchste Qualität und bestmögliches Kundenservice.

„Trädvard” Kratschmer versteht sich als Vermittler von österreichischem Know-how, das in Schweden als Synonym für Qualität gilt. Seine derzeitige Heimat vertritt er bei internationalen Konferenzen über Baumdiagnose und Baumpflege.

Was die Familie betrifft, werden die vier Kinder, zwei Buben und zwei Mädchen, zweisprachig erzogen. Weihnachten und das Mittsommerfest werden schwedisch, Neujahr wird österreichisch gefeiert. In der Adventzeit ist der Austausch zur österreichischen Familie besonders rege, Selbstgestricktes und Selbstgebackenes werden in den Norden verschickt, „Tonbanddokumentationen” von österreichischen Weihnachtsliedern nach Wien.

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