Die Suche nach einem modernen eigenen Stil

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Das MAK hat seine permanente Schausammlung "Wien 1900“ überarbeitet. Design und Kunstgewerbe dieser Zeit erscheinen in neuem Licht.

Die Blütezeit von Kunst, Architektur und Literatur im Wien der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist eine weltbekannte Marke. Das Wiener Museum für angewandte Kunst verfügt über eine erlesene Sammlung auf dem Gebiet von Kunsthandwerk und Design aus dieser Ära. Nun hat das MAK seine permanente Schausammlung "Wien 1900“ neu gestaltet. Die prägende Kulturepoche, bis heute eine der wesentlichsten Inspirationsquellen für zeitgenössisches Design, nimmt im Museum deutlich mehr Platz ein als bisher. In drei großen Räumen werden die Objekte auf zurückhaltenden, großzügigen Plattformen präsentiert. Die Farben der Ausstellungsräume sind subtil auf den jeweiligen Schwerpunkt abgestimmt, sogar die Heizkörper wurden passend zum Geist der vorletzten Jahrhundertwende verkleidet. "Ein Haus, das solche Schätze bewahrt, ist immer wieder aufs Neue gefordert, deren Bedeutung mit frischem Blick zu aktualisieren“, erklärt MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein.

Überwindung des Historismus

Das erste Kapitel der dreigliedrigen Ausstellung ist der Suche nach einem modernen österreichischen Stil und der angestrebten Überwindung des Historismus in den Jahren 1890 bis 1900 gewidmet. Ziel der Wiener Secession war es, die angewandte Kunst aufzuwerten, sie der "hohen“ bildenden Kunst gleichzustellen und auf diese Weise den Alltag der Menschen mit Kunst zu erfüllen. Dem gegenüber stand Adolf Loos, der den Secessionisten vorwarf, bloß alte Inhalte mit neuen Formen zu versehen und der stattdessen gleich den "neuen Menschen“ propagierte. Das MAK konzentriert sich in diesem Zusammenhang auf die internationalen Vorbilder, etwa Möbel aus Großbritannien, Vasen aus Belgien oder Kunst aus Japan. Zu sehen ist aber auch das von Gustav Klimt geschaffene Plakat zur ersten Ausstellung der Secession, das sich über die Funktion als Ankündigungsmedium hinaus als Manifest der Künstlergemeinschaft verstand.

Das zweite Kapitel umfasst die berühmte Wiener Moderne selbst, deren Spektrum von provokant geometrisch-abstrakten Formen bis zu der wohlbekannten, von klassizistischen Elementen und einer raffinierten Ornamentkultur beherrschten Formensprache reicht. Ein Beispiel für den erstgenannten Eckpunkt ist die an ein Raumschiff erinnernde Pfeffer-Paprikabüchse von Josef Hoffmann aus dem Besitz der Familie Wittgenstein; einem trivialen Gebrauchsgegenstand eine prononciert künstlerische Gestalt zu verleihen, war damals ein völliges Novum. Für das andere Ende des Spektrums stehen Gustav Klimts riesige Werkzeichnungen für das Fries des Speisezimmers im Palais Stoclet in Brüssel. Die "Tänzerin“ und das "Liebespaar“ bilden Höhepunkte in Klimts Schaffen und sind geradezu kanonisch geworden. Das gesamt Palais Stoclet wurde übrigens im Stil der Wiener Secession geplant und unter Beteiligung einer Vielzahl von Mitgliedern der Wiener Werkstätte und deren Umkreis im Sinne eines Gesamtkunstwerkes ausgestattet.

Der dritte und letzte Teil schließlich ist der Entwicklung vom Wiener zum Internationalen Stil gewidmet und reicht vom Ersten Weltkrieg bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten. Dieser Stil fand sowohl in einer im Bürgertum beliebten gemäßigten Moderne seinen Niederschlag, als auch in der standardisierten industriellen Produktion, die hochwertiges Design auch weniger wohlhabenden Bevölkerungsschichten zugänglich machte. Hier sticht ein von Margarete Schütte-Lihotzky entworfenes, komplett ausgestelltes Schlaf- und Wohnzimmer heraus, bei dem die spätere Schöpferin der "Frankfurter Küche“ eine raumökonomische und praktische, aber elegante und ästhetisch sehr ansprechende Lösung für einen engen Raum gefunden hat.

Mit der Raxbahn in lichte Höhen

Zu sehen sind auch eine Reihe von Plakaten: etwa das Werbeplakat für die Raxbahn von Joseph Binder, auf dem sich der Buchstabe b in einen Pfeil verwandelt, der vom Tal auf den zu erreichenden Berggipfel zeigt, oder der Entwurf zum - nie gedruckten - Plakat zur "Internationalen Ausstellung moderner Künstlerischer Schrift“ von Erika Giovanna Klien, ein Paradebeispiel für den Stil des Konstruktivismus.

Im Oktober wird mit der Ausstellung "Orllegro“ der in Los Angeles lebenden Künstlerin Pae White eine Ausstellungsreihe eröffnet, in der das Thema "Wien 1900“ in unmittelbarerer Nähe zur permanenten Schausammlung in aktuellen Arbeiten zeitgenössischer Künstler reflektiert wird. Anlässlich der Neuaufstellung ist auch ein Guide in Buchform erschienen, der durch die Ausstellung führt.

Wien 1900

Design / Kunstgewerbe 1890-1938

Schausammlung, Di 10-22, Mi-So 10-18 Uhr

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