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Belgrads Kurzfilmfrühling
Seit 17 Jahren findet zu Frühlingsbeginn in Belgrad ein Filmfestival statt; das in seiner Art beispiellos und vorbildhaft ist — ermöglicht es doch Erkenntnisse, die weit über die anderer Filmfestspiele geht. Wenn es auch in erster Linie gedacht ist, Qualitätsmaßstäbe der nationalen Produktion von Dokumentär- und Kurzfilmen festzustellen, so läßt diese Gesamtübersicht Uber ein annuales Filmschaffen darüber hinaus Schlüsse zu, die überaus interessant und wichtig sind: In einem Land wie Jugoslawien hat der Kurzfilm über kommerzielle Erwägungen hinaus (höchstens ein Drittel der produzierten Filme ist für den internationalen Markt bestimmt) eine starke pädagogische und belehrende Funktion — und somit kann der auf geschlossene Besucher, umsomehr wenn er regelmäßig an diesem Wettbewerb teilnimmt, nicht nur einen Uberblick über die künstlerische und technische Qualität der dort gezeigten Filme gewinnen, sondern wird darüber hinaus auch mit den sozialen, politischen, ökonomischen u. a. Problemen konfrontiert, die Jugoslawien gegenwärtig zu bewältigen hat.
Seit 17 Jahren findet zu Frühlingsbeginn in Belgrad ein Filmfestival statt; das in seiner Art beispiellos und vorbildhaft ist — ermöglicht es doch Erkenntnisse, die weit über die anderer Filmfestspiele geht. Wenn es auch in erster Linie gedacht ist, Qualitätsmaßstäbe der nationalen Produktion von Dokumentär- und Kurzfilmen festzustellen, so läßt diese Gesamtübersicht Uber ein annuales Filmschaffen darüber hinaus Schlüsse zu, die überaus interessant und wichtig sind: In einem Land wie Jugoslawien hat der Kurzfilm über kommerzielle Erwägungen hinaus (höchstens ein Drittel der produzierten Filme ist für den internationalen Markt bestimmt) eine starke pädagogische und belehrende Funktion — und somit kann der auf geschlossene Besucher, umsomehr wenn er regelmäßig an diesem Wettbewerb teilnimmt, nicht nur einen Uberblick über die künstlerische und technische Qualität der dort gezeigten Filme gewinnen, sondern wird darüber hinaus auch mit den sozialen, politischen, ökonomischen u. a. Problemen konfrontiert, die Jugoslawien gegenwärtig zu bewältigen hat.
Zwischen dem vorjährigen 16. und dem diesjährigen 17. Festival des jugoslawischen Dokumentär- und Kurzfilms wurden in Jugoslawien insgesamt 165 derartigen Filme produziert, aus denen schließlich von einer Auswahlkommission 117 in die Festspiele selektiert wurden, die man in je zwei täglichen Vorführungen Filmschaffenden, Kritikern und der Öffentlichkeit zeigte. Eine neunköpfige Jury schließlich vergab am Ende des Festivals eine Anzahl von Preisen, die aus Geldzuwendungen, goldenen und silbernen Medaillen und speziellen Diplomen bestanden. Darüberhinaus ergänzten einige Sondervorführungen historischer und ausländischer Dokumentär- und Kurzfilme in Nachmittagsretrospektiven das reichhaltige Programm. In Anbetracht der geringen Chancen, daß wir hier in Österreich jemals Gelegenheit haben werden, einem der aufgeführten Kurzfilme in unseren Kinos oder Fernsehprogrammen zu begegnen, sei von einer au sf üh rlich-detaillierten Berichterstattung abgesehen. Dennoch waren einige der gezeigten Werke von solch ausgezeichneter Qualität, daß sie zumindest genannt zu werden verdienen — so der grandiose Zeichenfilm „Die Moske des roten Todes“ (nach Edgar Allan Poe) von Pavao Stalter, die Satire „Homo homini“ von Vlatko Gilic, der Kunstfilm „Die Legende von Stephan De-canski“ von Dejan Kosanovic und der originelle erzieherische Film „Automania moderna“ von Dragos-lav-Dragan Mitrovic etwa, die bedauern lassen, daß sie nicht unserem
• Tschechische und slowakische Märchen hat Günter Jarosch aus Bozena Nemcoväs großer Märchensammlung ausgewählt und in deutscher Übersetzung soeben bei F. A. Herbig, Berlin, herausgebracht.Publikum zugänglich gemacht werden ...
Uberraschend waren die Erkenntnisse der Genreveränderungen in diesem Jahr gegenüber den früheren; während der Partisanenfilm und das Heldenepos nur noch ganz vereinzelt aufscheint, der im Vorjahr stark vertretene „Sexfilm“ fast gänzlich verschwunden ist und sozialkritische Dokumentation ebenfalls kaum noch den großen Raum wie in den früheren Jahren einnehmen, stellt man eine starke Zunahme des touristischen Reklame- und Werbefilms fest (wobei deren Qualität allerdings kaum durch besondere Originalität gekennzeichnet ist). Besonderen Platz nehmen Verkehrserziehungs- und Straßenunfallverhütungsfllme ein — angesichts der ungeheuer zunehmenden Motorisierung (z. B. in Belgrad) und der Rücksichtslosigkeit der Verkehrsteilnehmer eine logische Entwicklung; vier Filme in diesem Jahr waren Wallfahrtsorten und den damit auftretenden Erscheinungen gewidmet — von sachlich-dokumentarischer Reportage bis zu kritischer Satire. Daß die Jugend und ihre Nachahmung westlicher Moden und Sitten (bis zu dezent angedeuteten Suchtgiftexzessen) — anscheinend als Gegenpol gegen eine „gesunde sozialistische Erziehungsform“ — der Obrigkeit Sorge zu machen beginnt, war ebenfalls einer ganzen Anzahl von dieses Thema behandelnden Filmen zu entnehmen; die überraschendsten Schlußfolgerungen lieferte aber die in diesem Jahr erstmals auffallend stark vertretene Gattung des „Wehrerziehungsfilms“ mit neuartigen Aspekten (wie verhält man sich bei einem Atomangriff, wie leistet man Widerstand bei einer Invasion fremder Truppen usw.), für deren Herstellung sichtlich die Ereignisse in der nicht allzuweit entfernten Tschechoslowakei Anlaß gewesen sein dürften...
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