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Der Mann des Friedens

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J6zsef GrSsz stammt aus einfachen Verhältnissen, er wurde 1887 im damaligen westungarischen Grenzgebiet in Halbturn (jetzt Burgenland) geboren. Nach Absolvierung seiner Theologiestudien in Wien war er in der Diözese von Gy6r (Raab) tätig, bis er zu Anfang der dreißiger Jahre zum apostolischen Administrator und später zum Bischof nach Szombathely (Steinamanger) berufen wurde. 1943 folgte er dem Grafen Gyula Zichy auf dem erzbischöflichen Stuhl von Kalocsa. Er ist ein Mensch der Innerlichkeit, kein Kämpfer, sondern ein stiller, bescheidener, schlichter Priester, kein Redner, wohl aber ein nimmermüder, von seinen Betreuten geliebter Seelsorger. Weder Politik noch äußere Würden oder Reichtümer zogen ihn je an, die Einfachheit seines Lebenswandels und seine Charakterfestigkeit machten ihn volkstümlich. Seine Eigenschaften bestimmten seine Haltung in den letzten Jahren. Nach der Aburteilung des Fürstprimas wurden staatlicherseits immer wieder „Verhandlungen“ angeregt, während, gleichzeitig nach der Vernichtung der katholischen Schulen, die Regierung alles tat, um durch die Auflösung der Orden und Verschleppungen das katholische Leben zu drosseln. Die Kirche zog sich auf den innersten Kreis der Seelsorgetätigkeit zurück, aber dennoch ist Ungarn heute das Land der überfüllten Kirchen und der erstaunlich großen Zahl von Kommunikanten: die Regierung mußte sogar Parteifunktionären Kirchenbesuch und Kommunion verbieten! Dann wurde der kryptokommunistische „Friedensausschuß der katholischen Geistlichen“ gegründet und der „Friedenskrieg“ gegen die Kirche begann. Bischöfe wie Priester hielten trotz Terrormaßnahmen und namenlosem materiellem Elend dem Terror stand. Im „Friedensausschuß“ redeten sich die wenigen Abtrünnigen heiser: Erzbischof Grösz wies ihre Unterschriftensammler aus seinem Hause. Er hatte längst bewiesen, daß er den Frieden wollte, denn er unterzeichnete das Abkommen von August 1950, wodurch er in der Loyalität gegen die Regierung weiter ging, als Mindszenty je gegangen wäre. Alles das war umsonst. Jözsef Grosz und seine Leidensgenossen sind Repräsentanten der christlichen Tradition des wahren Ungarn. Zwei geistliche Orden befinden sich mit ihnen auf der Anklagebank: der Zisterzienserorden, dessen Stämmhaus in Zirc im Jahre 1182 von Mönchen aus Clairvaux gegründet wurde, nachdem vorher die ersten Zisterzienser aus Heiligenkreuz ins Land gekommen waren, und der Paulinerorden, eine ungarische Gründung, die auf das Jahr 1250 zurückgeht und sich von Ungarn nach Polen und dem Westen verbreitete. Der Orden schenkte der ungarischen Geschichte große Männer. Nach der Auflösung durch Josef II. rief die ungarische Regierung die Pauliner erst vor dem zweiten Weltkrieg aus ihrem polnischen Zentrum in Czenstochau in das Land zurück. Ihr schönes Haus am Fuße des Geliertberges an der Donau verloren die Pauliner erst vor einigen Monaten.

Weit südlich von da erblickt der Wanderer von den lieblichen Weinbergen des ostlichsten Transdanubien aus bei klarem Wetter hinter Weidenhainen und inmitten der sonnenbestrahlten Weizenfelder die hohe Fassade der schönen Barockkathedrale des fast ein Jahrtausend alten Erzbistums von Kalocsa. Die beiden schlanken Türme sind wie Finger einer schwörenden Hand. Sie sind für das auf den umliegenden Feldern schwer arbeitende Bauernvolk Trost — und Mahnung für uns alle.

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