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KLEIN-ÖSTERREICH

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Es war einst der Stolz Oesterreichs und nicht zuletzt Wiens, daß in unserem Kulturraum Menschen vieler Nationen ihre Erziehung und berufliche Ausbildung fanden. Die „Nachfolgestaaten“ lebten noch Jahrzehnte nach 1918 von dieser Tat, die Elite der Balkanvölker ist durch die altösterreichischen Schulen und Hochschulen gegangen. Seit 1945 hat zu den österreichischen Hochschulen ein bedeutender Zustrom ausländischer Studenten eingesetzt, zuerst in jene Hochschulorte, die außerhalb der russischen Besatzungszone lagen. Graz, altes Tor zum nahen Südosten, erwarb sich hier bald eine besondere Bedeutung. Neben Persern, Skandinaviern und zahlreichen anderen Nationen waren es zumal Griechen, Angehörige einer tapferen Nation, deren Freiheitskampf seit Jahrhunderten Altösterreich naheging. Nun soll, unserem Vernehmen nach, ein konsularischer Vertreter in Athen den visawerbenden Studenten erklärt haben: „Ich garantiere, daß in zwei Jahren kein Grieche mehr in Oesterreich studieren wird!-' Wir wollen hoffen, daß dieser Ausspruch übertrieben ist, die Klagen griechischer Studenten über die Schwierigkeiten, die ihnen von seiten der österreichischen Behörden in ihrem Heimatland gemacht werden, hören aber nicht auf.

Der Hintergrund ist düster. Wieder einmal wird österreichischerseits allzu eilfertig Wünschen anderer Rechnung getragen. Es sind nämlich zunächst die griechischen Behörden, die nicht gerne sehen, daß so viele griechische Studenten im Ausland studieren. Sie sind an die deutschen und österreichischen konsularischen Vertretungen herangetreten mit dem Ersuchen, die Einreise in deren Länder zu erschweren und, unter anderem, den um einen längeren Sichtvermerk Einkommenden eine Sprachprüfung abzuverlangen. Eine Forderung, die von den deutschen Behörden glatt abgewiesen wurde. Von den Deutschen ... Mit Recht. Auch österreichische Vertreter unserer Hochschulen sind der Ueberzeugung, daß dazu konsularische Behörden weder befugt noch berufen sind.

Wie werden nun die Dinge ihre Wege gehen? Es gibt leider keine Statistik, die jene ausländischen Studenten ' in den USA, Südamerika, Australien, Uebersee und Europa erfaßt, die in den letzten zehn Jahren auf Grund unfreundlicher und völlig ungenügender Auskünfte’ ünfl des Fehlen Jeglichen Entgegenkommens darauf verzichtet haben, in Oesterreich zu studieren. Bei unseren Murgriechen wird man Jetzt vielleicht in zwei Jahren das erste faßbare Exempel statuieren können.

Schön weit sind wir gekommen. Während wir von Freiheit und europäischer Verpflichtung schwatzen, während totalitäre Länder ausländischen Studenten jeder Couleur große Avancen machen, versuchen wir, unsere Tore möglichst eng zu machen, statt sie aufzutun, einladend, für alle, die hier die Luft eines freien und freundlichen, arbeitsamen Volkes kennenlernen sollen, zum Nutzen für ihr eigenes Volk und zum Wohle der künftigen Zusammenarbeit in ganz Europa und weit darüber hinaus.

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