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Noch einmal Heinrich Brüning

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Von einem persönlichen Freunde des gewesenen deutschen Reichskanzlers Brüning erhalten wir folgende geschichtlich wertvolle Ergänzung unseres in Nummer 18 enthaltenen Leitaufsatzes:

In der „Furche“ ist das bittere Ringen des früheren Reichskanzlers Heinrich Brüning um die Rettung Deutschlands aus der ungeheuren Wirtschaftsnot geschildert worden, die am stärksten in der steigenden, schließlich sieben Millionen betragenden Zahl der Arbeitslosen zum Ausdruck kam. In unermüdlicher selbstloser Arbeit, angefochten von seinen Feinden, nicht immer verstanden von seinen Freunden, war es ihm gelungen, mehr und mehr den Widerstand des Auslandes zu überwinden und das Vertrauen der führenden Staatsmänner Frankreichs und vor allem Englands zu seiner ehrlichen und aufrichtigen Verständigungspolitik zu erwerben. Die ersten Erfolge dieser seiner Politik waren die Erleichterungen der Zahlungsverpflichtungen Deutschlands durch den Young-Plan und aus den Auslandskrediten.

Aber noch mehr. Es kam die Stunde, wo die beiden Westmächte zu einem u n-erwarteten weittragenden Zugeständnis bereit waren, das für Brüning einen außerordentlichen Erfolg bedeutet, Hitler den Wind aus den Segeln genommen und so in ihren Auswirkungen wahrscheinlich Deutschland vor seiner Schreckensherrschaft und die Welt vor der späteren Katastrophe bewahrt hätte.

Doch welche Tragik! Der Kanzler hatte den Fehler begangen, Hindenburg, statt wie sonst nach Dietramszell, auf sein Familiengut N e u d e c k gehen zu lassen, wo der „alte Herr“ von den ostpreußischen Junkern, die durch die Siedlungspläne Brünings für ihren ungeheuren Grundbesitz fürchteten, solange bearbeitet wurde, bis er endlich zu der Meinung gebracht war, daß diese Pläne Brünings den Ruin der Träger und Repräsentanten wahren Preußentums und damit der eigentlichen Stützen des Staates bedeuten würden. Und so war der Generalfeldmarschall endlich bereit, Brüning, der bisher sein restloses Vertrauen besessen hatte, fallen zu lassen.

Ende Mai 1932 erschien eines Tages der britischeBotschafter bei dem Kanzler, um ihm die überraschende Mitteilung zu machen, daß England wie Frankreich mit der Freigabe der Rheinlande einverstanden seien. Welch ein Erfolg der Verständigungspolitik Brünings! Und doch, welche Tragik! Der Kanzler mußte dem Botschafter erklären, daß er dieses überraschende Angebot nicht entgegennehmen könne, da er soeben vom Generalfeldmarschall aus seinem Amte entlassen sei; der Botschafter möge sich an seinen Nachfolger wenden. Das aber lehnte dieser ab, da der Entschluß mit Rücksicht auf das persönliche Vertrauen zu der Politik des jetzigen Kanzlers gefaßt worden sei. So endete Brünings Kanzlerschaft zwar mit einem gewaltigen moralischen Erfolg, der aber politisch nicht mehr ausgewertet werden konnte.

England gebührt dann das Verdienst, Brüning vor den Schergen des 3 0. Juni 1934 gerettet zu haben. Wie in vertrauten Kreisen bekannt wurde, hatte ihn die englische Botschaft in klarer Erkenntnis der sich zuspitzenden Lage verständigt, daß für ihn ein Paß bereit liege und man ihn bei Gefahr im Verzuge sicher nach England bringen wolle. Als Ende Juni die Stunde schlug, holte ein Auto den ehemaligen Kanzler aus seiner bescheidenen Wohnung ab und führte ihn auf den Flugplatz, von wo er in wenigen Stunden die gastlichen Gestade Englands erreichte. Univ.-Prof. Dr. G. Ebers, Innsbruck

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