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Tapferes Hellas

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Für die am zweiten Weltkrieg beteiligten Völker Europas nahmen die Feindseligkeiten — als offene Gewaltanwendung zumindest — vor nun schon mehr als neun Jahren ein Ende. Für alle, mit einer, heute fast vergessenen Ausnahme: den Griechen brachte der Abzug des geschlagenen äußeren Feindes nur eine unruhige Atempause, der binnen kurzem ein neues, blutiges Ringen folgte, nicht weniger grausam als der Krieg, den sie gegen Italiener und Deutsche zu bestehen hatten. Es wurde Herbst im Jahre 1949, ehe der mit äußerster Zähigkeit und mit umfassender Unterstützung von jenseits der Grenzen unternommene Versuch der militanten Organisation EAM, das Land einem kommunistischen Regime zu unterwerfen, endgültig gescheitert war. So erklärte es sich, daß keine der vom Krieg heimgesuchten Nationen derart schwere wirtschaftliche Verluste sü erleiden hatte wie die Griechen.

Schon 1946, also kurz nach Beginn des Bürgerkrieges, wurde der materielle Schaden, der ihrem Lande durch Kampfhandlungen und durch die rücksichtslosen Vergeltungsmaßnahmen der Okkupanten zugefügt worden war, von der Pariser Reparationskommission mit achteinhalb Milliarden Dollar berechnet. Abgesehen von der etwa 25pro- zentigen Zerstörung der Städte waren mehr als 2000 Dörfer völlig dem Erdboden gleichgemacht; ein Viertel des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens lag brach und für die Bestellung des übrigen fehlten das Vieh, die Zugtiere, das Saatgut und die Geräte, die der Feind requiriert oder vernichtet hatte; der schon früher unzureichende Waldbestand war devastiert und viele Hunderte ertragreicher Olivenhaine und Weinberge hatten sich in Oedland verwandelt; die Produktion bestimmter Nutzpflanzen, namentlich von Tabak und Baumwolle, war aus Furcht vor Beschlagnahme fast gänzlich eingestellt; drei Viertel der griechischen Handelsflotte lagen auf dem Grund des Meeres, und dazu kam der fast gänzliche Zusam menbruch des Landtransportwesens. Die deutschen Nachhuten hatten ganze Arbeit geleistet. Nach ihrem Abzug verblieb den griechischen Eisenbahnen kaum mehr ein Zehntel des Vorkriegsbestandes an rollendem Material. Fast sämtliche Brücken waren gesprengt, die Hälfte aller wichtigen Straßen unbrauchbar gemacht, das Telephon- und Telegraphennetz weithin zerstört; und bis auf das Athener Kraftwerk, welches durch den kühnen Handstreich einer Anzahl griechischer Patrioten unter Führung eines britischen. Offiziers gerettet werden konnte, waren alle größeren Anlagen sol eher Art der Demolierung zum Opfer gefallen.

Wie es gelungen ist, diese immensen Schwierigkeiten zu überwinden, trotz der völligen Entkräftung einer mit dem Hungertod ringenden Bevölkerung und trotz der praktischen Wertlosigkeit der Landeswährung — allein im Herbst 1944 stieg der Banknotenumlauf innerhalb weniger Wochen auf das Siebenhundertfache! —, darüber gibt ein vom Royal Institute of International Affairs, London, herausgegebenes Buch „Greece. A Political and Economic Survey, 1939 bis 1953" von Bickham Sweet-Escott in gedrängter Form, aber mit einer Fülle interessanten, bisher unveröffentlichten Materials Aufschluß. Es ist begreiflich, daß sich der Autor, der Südosteuropa durch seine Kriegsverwendung in britischen Regierungsdiensten gut kennengelernt hat, vorwiegend mit den unmittelbar nach Kriegsende einsetzenden Alliierten (zuerst britischen und später fast ausschließlich amerikanischen) Hilfsaktionen für Griechenland beschäftigt. Man wird das Buch aber nicht aus der Hand legen können, ohne ein Gefühl der Bewunderung für die Tapferkeit und den Opfermut des griechischen Volkes zu empfinden und für die Zähigkeit, mit der es sich, sozusagen aus dem Nichts heraus, neuerdings eine achtunggebietende Position unter den Nationen des Westens errungen hat.

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