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Von der Oper zum Film

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Am Abend des 30. September 1935 jubelte das Publikum des Bostoner „Kolonialtheaters“. Es hatte die Uraufführung einer — wie es im Programm hieß — „amerikanischen Volksoper“ erlebt. Zehn Tage später tosender Beifall am Broadway; stehend applaudierten die Besucher des Alvin-Theaters dem Komponisten, dem Dirigenten, den Darstellern. So ging es hier noch wochenlang. Und fand seine Fortsetzung in Philadelphia, Chikago, Detroit, an anderen Orten der Vereinigten Staaten.

Überall in der Welt begeisterten sich Zuschauer und Zuhörer über das Werk, das am 27. März 1943 — während der deutschen Besetzung — in der Königlichen Oper von Kopenhagen seine europäische Premiere erlebte. Am 14. Mai 1945 wurde es erstmals in Moskau dargeboten, im Juni beim Zürcher Musikfestival. Stockholm folgte 1948, nach weiteren drei Jahren Dallas in Texas. Aber da war es schon etwas anders. Nicht mit dem Applaus, der jeden früheren übertraf. Sondern mit dem Stück. Mit „Porgy and Bess.“

Am Anfang, das heißt 1925. gab es nur „Porgy“, den kleinen Roman von DuBose Heyward, einem schriftstellernden Baumwollprüfer aus Charleston in Südkarolina, welcher Ort — abgesehen von der zur Catfish Row gewordenen Cabbage Row und Samuel Smalls, einem verkrüppelten schwarzen Bettler, der dann Porgy heißen sollte — nur durch einen in den zwanziger Jahren weit -verbreiteten Tanz bekannt wurde. Das Buch diente einem jungen Komponisten nach aufregenden Proben für ein Musical als eine Art Schlafmittel; jedoch wurde er bei der Lektüre immer wacher, stand schließlich auf und schrieb morgens um vier Uhr dem Verfasser, daß er endlich den ihm für eine Oper vorschwebenden Stoff gefunden habe. Es war George Gershwin.

Was dann geschah, glich einer Komödie, auf deren Wiedergabe hier leider verzichtet werden muß (nur soviel davon: Frau Heyward hatte die Geschichte ohne Wissen ihres Mannes dramatisiert; das Stück wurde tatsächlich von einer Theaterkompanie angenommen und am Broadway unter „Porgy“ ein Erfolg). Nach langen Jahren kamen die Gershwins, George und Bruder Ira, der Texter, sowie die Heywards zu einer Übereinkunft. Sie schufen gemeinsam die Oper. Im September 1935 war das Werk beendet. Es hieß, um eine Verwechslung mit der Bühnenfassung auszuschließen, „Porgy and Bess“.

George Gershwin starb, 38 Jahre alt, 1937 in Hollywood an einem Gehirntumor. Heyward erlag drei Jahre später einem Herzschlag. Beide haben den Welterfolg ihres Werkes nicht mehr erlebt — freilich auch nicht mehr die Veränderungen, die es erfuhr. Hatte Cheril Crawford, der bereits an der Theateraufführung von 1927 organisatorisch mitwirkte, die Oper schon 1942 in einer neuen, das heißt bei reduziertem Ensemble und Orchester verkürzten Form herausgebracht, so erschien sie zehn Jahre später in Dallas, nunmehr von Blevin Davis und Robert Breen bearbeitet, als Musical mit gesprochenem Text, unterbrochen von Gesangseinlagen und Musik, das Ganze auch mehr komödiantisch gefaßt.

Diese von einer farbigen Truppe dargebotene Breen-Version trat dann auch in Europa einen Siegeszug an, der am 7. September 1952 in Wien begann (mit geschlagenen 30 Minuten Beifall — zehn Tage später liefen in Berlin die Stoppuhren 29 Minuten). Bis nach Tel Aviv, nach Moskau (wo der neugierige Chruschtschow protokollwidrig schon am zweiten, statt am letzten Abend erschien) und weiter nach Mittel- und Südamerika ging, mit Unterbrechungen, die annähernd vierjährige Tournee. Am Ende der Reise, am 3. Juni 1956, waren 29 Länder bespielt worden. Die Welt wußte, was „Porgy and Bess“ ist.

Das wußte längst auch Samuel Goldwyn, der (übrigens mit 90 anderen amerikanischen Produzenten) die kinematographischen Möglichkeiten erkannt hatte. Als der Vorhang sich in Amsterdam zum letzten Male über dem Musical schloß, hatte er schon elf Jahre wegen des Stofferwerbs verhandelt. Erst am 8. Oktober 1957 kam es zur Einigung mit den Erben und der die Bühnenrechte besitzenden New-Yorker Theafergilde; 650.000 Dollar wurden bezahlt. Im Dezember des Jahres stand schon die Besetzung fest: Sidney Poitier (bekannt aus „Flucht in Ketten“) und Dorothy Dandridge (alias „Carmen Jones“) sollten die Titelpartien spielen.

Dann ging man ans Riesenwerk der filmischen Realisierung. Der Chor, dessen Sänger als Bewohner der Catfish Row auch agieren mußten, wurde aufgestellt, das Orchester — 28 Musiker mehr als bei der Bühnenaufführung — auf sechs-kanaligen Stereoton „trainiert“. Man errichtete Bauten, stellte Kostüme her. Ein Brand verniete tete am 2. Juli 195 8 alles. Goldwyn kurz und bündig: „Los —wir fangen noch einmal an!“ Es geschah. Am 22. September liefen zum erstenmal die Todd-AO-KameTas im kalifornischen Venice Island, rund 500 Kilometer von Hollywood entfernt; sie fingen die Anfangsszene mit den zu dem Schlager „Summertime“ landenden Fischerbooten ein. Wochenlang wurde unter der Regie von Otto Preminger gedreht Am 11. Dezember waren die Aufnahmen beendet. Es dauerte noch Monate, bis der Film gemischt, geschnitten, kopiert war. Die Kosten beliefen sich schließlich auf 180 Millionen Schilling. Hat es sich gelohnt? München, das vor kurzem eine glanzvolle Premiere feierte, sagt: ja. Werden wir es in Wien bald bestätigen können?

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