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WILHELMINA / EINE KONIGIN IM 20. JAHRHUNDERT

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Der Tod kam sanft, in der Nacht. Sie starb an Herzschwäche. Über ihrem Lebe stand ein ungeheurer Ernst. „Wachet und betet.“

Wenn man die „Sorglosigkeit“, die Leichtfertigkeit beobachtet, mit der in unserem Jahrhundert in Stadt und Land „regiert“ wird, von Managern der Macht, von Berufspolitikern und Parteipolitikern, dann tritt man betroffen an die Bahre dieser Frau. Wilhelmina von den Niederlanden hat ihr ganzes Leben als eine Tagwache verstanden und gelebt: Wache für ihr Volk, Wache in einer Zeit, die von Krieg und Angst erfüllt ist. „Der goldene Käfig“, so nennt sie selbst die königliche Existenz, gefiel ihr nicht, behagte ihr nicht. Schon das kleine Mädchen entschlägt sich aller Illusionen eines „leichten“ Lebens. „Das süße Leben“, la dolce vita, gekört einer dekadenten Oberschicht und einer dekadenten Unterschicht, die sich heute in aller Welt treffen und mischen. Adel, Adel des Menschen, ist anders: ist Pflichterfüllung, Dienst, Strenge gegen sich selbst. Diese Strenge gegen sich selbst lernt die junge Wilhelmina früh. Als Zehnjährige verliert sie ihren Vater, König Wilhelm III. Die Mutter, einundvierzig ]ahre jünger als ihr Vater, erzieht das einzige Kind streng, zielbewußt für ihre Aufgabe: Landesmutter eines Landes, eines Volkes zu werden, das zwischen den rivalisierenden Großmächten Deutschland und England eingezwängt ist.

Das achtzehnjährige Mädchen wird 1898 Königin. In ihrer Thronrede erklärt sie: „Mein Wunsch ist, zu herrschen, wie man es von einer Königin von Oranien erwartet, treu die Verfassung aufrechtzuerhalten und die Achtung für den Namen und das Banner der Niederlande. Mein Wunsch ist, mit Gerechtigkeit über die Besitzungen und Kolonien in Ost und West zu herrschen und, soweit es in meinen Kräften steht, zur Vermehrung ihres materiellen und geistigen Wohlbefindens beizutragen.“

Die Zwanzigjährige heiratet den Herzog Heinrich von Mecklenburg. Eine schwere Ehe stand ihr bevor. Nach acht Jahren wird das einzige Kind, die heutige Königin Juliane, geboren.

Das Leben verlangt, wenn es wirklich gemeistert werden soll, Mut. Mut zu eigenen, selbständigen Entschlüssen. Diesen Mut besitzt die illusionslose Königin Wilhelmina vom ersten Jahr ihrer Regierung, 1898. Die junge Königin sendet dem Burenpräsidenten Ohm Krüger einen holländischen Kreuzer, um ihn vor der englischen Gefangenschaft zu bewahren. Fest gegen den Druck der Sieger des ersten Weltkrieges standhaltend, nimmt sie Wilhelm II. in Holland auf, bietet dem von ihr nicht sehr geschätzten deutschen Exkaiser ein Asyl. Klar sieht sie die große Gefahr heraufkommen, die mit Hitler für alle Welt, und nicht zuletzt für Holland, gegeben ist. Als die Deutschen ohne Kriegserklärung 1940 in Holland einfallen, hat Wilhelmina ihre Tochter und deren Gatten, Prinz Bernhard, bereits über See gebracht. Wilhelmina selbst verläßt vier Tage nach der Invasion an Bord eines Kriegsschiffes das besetzte Land, geht nach England.

„Der beste Mann unter den Königen im Exil“, so nennt Churchill diese Königin. In den für Holland so furchtbaren Jahren der Besetzung wird Wilhelmina für das ganze Volk zum Zentrum des Widerstandes. Diese Königin glaubt an ihr Volk und glaubt an die Freiheit. Wer von uns darf, im ganzen Ernst, diesen Glauben als gelebte Überzeugung seines Lebens bekennen?

„Einsam, aber nicht allein“: Ihre Memoiren, in neun Sprachen übersetzt, berichten über jene Momente ihres Lebens, von denen sie berichten will. Der bedeutende „Rest“ ist Schweigen, Opfer, Arbeit, Gebet.

Nach ihrer Abdankung, 1948, wendet sich „Prinzessin Wilhelmina“, wie sie sich nun selbst den Titel gewählt hat, ihrer geliebten Malerei und der Theologie zu. Dem Ernst des Todes hat sie ihr ganzes Leben lang ins Gesicht gesehen; daher ihr Mut. f. h.

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