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Halluzinationen

opernhaus, graz

Unerwartet starker und langer Applaus für Benjamin Brittens schwierige Oper "The Turn of the Screw". Deutlich zeigte sich, dass die Grazer für modernes Operngeschehen durchaus zu begeistern sind, schlüssige Inszenierung (G. H. Seebach) und exzellente musikalische Leitung (Philippe Jordan) vorausgesetzt.

Die Handlung schraubt sich um das pubertierende Geschwisterpaar Miles (hervorragende Talentprobe von Patrick Prasch) und Flora (Eimar McNally, beachtenswert), die, von Geistern ihrer früheren Equipage (Mathias Zachariassen, Claire Powell) verführt, zwischen inzestuöser Liebe und erwachender Homoerotik taumeln, sehr zum Leidwesen ihrer Gouvernante (Ann Petersen, stimmlich ausdrucksstark) und der Haushälterin Mrs. Grose (Fran Lubahn), rationalen Erwachsenen, in deren Unterbewusstsein die Geisterwelt halluzinierende Angstzustände hervorruft. Melismen und Celestaklang erinnern an die heile Welt sakraler Musik, erscheinen im selben Atemzug jedoch durch die Handlung ins Gegenteil verkehrt: Diese Vieldeutigkeit und zugleich Klarheit faszinierte das Grazer Publikum.

Christian Kogler

Leckerbissen

galerie thoman, innsbruck

Hans Weigand, der Tiroler Oberhuberschüler und bekannte Medienkünstler in Wien, hat bereits eine beachtliche Liste von Ausstellungen vorzuzeigen. Bei Thoman in Innsbruck gibt es an die 20 Weigand-Großprints zu sehen, wahre Leckerbissen für den Computerfreak, entstanden in einem ganz bestimmten, auf Leinwand geprinteten Computerverfahren, das bereits im Digitalbereich den Malprozess vornimmt.

So sind etwa zum ersten Mal die "Tijuanabilder" mit ihren architektonischen Verfremdungen zu entdecken, entstanden anlässlich einer Recherche-Reise durch Mexiko, oder die "Life-Boat-Bilder", Ergebnisse eines kalifornischen West-Coast-Trips, besetzt mit zwingenden Farbwirbeln und -schwüngen. Arbeiten aus dem "Cotton-Zyklus" mit seinem typischen "cleanen, leicht abgefuckten Maskulinen" ergänzen die für Tirol recht ungewöhnliche Schau mit amerikanischem Touch, die man sich auch als Nicht-(Computer)freak keinesfalls entgehen lassen sollte. (Bis 1. März)

Helga Reichart

Gewaltmechanismen

theater im zentrum, wien

Dem Gewaltrausch folgt die Ernüchterung. Verwirrung spiegelt sich in den Gesichtern der Peiniger wie dem Opfer. Für einen Moment scheinen sie sich ihres Handelns bewußt. So endet Thomas Birkmeirs Dramatisierung und Inszenierung von Robert Musils "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" (Kurztitel: "Törless") im Wiener Theater im Zentrum. Damit lässt er die Hoffnung aufkeimen, dass Gewaltmechanismen durchbrochen werden können.

Das emotionsgeladene Spiel in Andreas Lungenschmids dem Dachbodenversteck aus dem Roman nachempfundenen Bühnenraum analysiert präzise die Beziehungen zwischen vier Jugendlichen. Großartig: Lukas Sartoris, durch seinen Diebstahl den anderen ausgelieferter und erpressbarer Basini. Da mischt sich verzweifeltes Angstgrinsen mit dem Genuss kleiner Triumphe, Ohnmacht mit Berechnung. Max Mayers Törless' lässt hinter seinem filigranen zur Schau getragenen Seelenkostüm Abgründe ahnen. Und Wolfgang Michael Reicher (Reiting) und Christian Banzhaf (Beineberg) spielen anschaulich vor, wie schmal der Grat zwischen Mensch und Monster ist.

Annemarie Klinger

Lachsalven gegen die Nibelungen

kammerspiele, linz

Wien und Otto Schenk waren schon 1993 fündig geworden , jetzt hat Linz die lang vergessene kurzweilige Travestie "Die lustigen Nibelungen" (1904) des "Walzertraum"-Komponisten Oscar Straus für sich entdeckt und die einzige Operette der Saison als eine von Lachsalven verfolgte Faschingsgaudi serviert. Es tat nichts zur Sache, dass Matthias Lutz (Regie) und Jan Meier (Kostüme) die Spötteleien und Seitenhiebe etwas zu dick auftrugen und feine Pointierungen, wie sie der Text von Rideamus (Fritz Oliven) enthält, auf der Strecke blieben.

Brutal und derb mit Obszönitäten in der Hochzeitsnacht ging es eben zu bei den alten Germanen, und die zweikämpfenden Sagenhelden wurden ihrer teutonischen Kraftprotzereien nicht müde. Um Richard Wagner nicht zu schonen, wanderte sogar "Tannhäuser"-Sänger Stephen Gould vom benachbarten Großen Haus zweimal über die von Jan Hax Halama ausgestattete Bühne der Kammerspiele. Sicher der größte Gag der flotten Inszenierung der von den Bearbeitern vorteilhaft präparierten Burleske.

Die hübsche, parodistisch tönende Musik, mal hymnisch, volkstümlich, chromatisch oder walzerselig mit einer "Rheingold"-Persiflage, alles köstlich aufbereitet vom Bruckner Orchester unter Tibor Pásmány, war schon allein des Ausgrabens wert und erst recht das zu Idealbesetzungen auflaufende Team aus Opernsängern: Franz Binder als ein hilfloser Muttersöhnchen-Gunther, Karin Behne als Mama Ute, Leopold Köppl als in der einem Möbellager gleichenden Stube des Nibelungen-Weinguts familiär waltender Papa Dankwart, Barbara Payha als Kriemhild im Gretchenlook, Cheryl Lichter als das Kraftweib Brunhilde und Thomas Scharr als Drachentöter Siegfried, mit Langblondhaar wie "Friesenotto", auf Brautschau in Begleitung zweier Hunde im Drachenkostüm.

Georgina Szeless

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