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Archetyp des Poeten
CHRISTIAN MORGENSTERN. Von Martin Beheim Schlrarzbach. Rowohlts Monographien, Bd. 97,165 Selten. Preis 20.70 S.
CHRISTIAN MORGENSTERN. Von Martin Beheim Schlrarzbach. Rowohlts Monographien, Bd. 97,165 Selten. Preis 20.70 S.
Christian Morgenstern, der am 31. März 1914 in Meran starb, zählt zwar nicht zu den Großen der deutschen Literatur, er ist aber eine ihrer liebenswürdigsten Gestalten. Aus Anlaß seines 50. Todestages erschien nun diese Monographie, die eigens für die Reihe des Rowohlt-Verlages geschrieben wurde. Ihr gingen bereits einige Darstellungen, so die von Michael Bauer und von F. Hiebel, voraus. Beheim-Schwarz-bach weist gleich eingangs darauf hin, daß die Berichte der Freunde und Gefährten Morgensterns fast ausschließlich von herzlicher Zuneigung zu dem ungewöhnlichen Manne künden und alles Abwertende fehlt. Ein Leben, das Liebe ausstrahlte und Liebe empfing. Morgenstern erscheint seinem .Bipgraphen als „ein Archetyp des Poeten, der, heute für gering, ja, nicht einmal mehr für recht zur Zunft gehörig gilt, indem es ihm an allem gebricht, was heute gefragt wird, an Zerrissenheit, Desperation und Obszönität, und der sogar das Gegenteil dieser Elemente aufweist.“ Er war also eine im positiven Sinne durchaus unzeitgemäße Persönlichkeit. Eines seiner hervorstechendsten Wesensmerkmale war Harmonie. Harmonie — wo nicht mit der Umwelt, so doch mit der Weltordnung, mit Gott, und eine Gläubigkeit und Frömmigkeit, die die Beimischung von Bösem ausschließt. Zur Aufnahme in einen der olympischen Kader der Jahrhundertmitte wiegt das nicht mit.“
Beheim-Schwarzbach schildert uns sehr anschaulich den äußeren Lebensgang und das innere Werden des Dichters: sein Elternhaus, die Studienjahre am Gymnasium und an der Universität Breslau, den Aufenthalt in Berlin, die Freundschaften — unter anderem mit Friedrich Kayssler —, die ersten dichterischen Versuche, die Ubersetzertätigkeit (Ibsen), Reisen und immer wieder Kuraufenthalte wegen des Lungenleidens. Unter dem Eindruck der Schriften und Vorträge Rudolf Steiners wandte Morgenstern sich schließlich der Anthroposophie zu. Seine menschliche Erfüllung fand er in der glücklichen Ehe mit Margareta Gosebruch von Liechtenstern, die eine hingebungsvolle Förderin und Hüterin seiner Werke wurde. Er ist mehr durch seine Grotesklyrik — deren Auftakt die „Galgenlieder“ waren — als durch seine ernsten, von religiösem Suchen und mystischer Verinnerlichung kündenden Gedichte ins Bewußtsein der Nachwelt gedrungen. Sein tiefsinnige:Humor, verbunden mit echter Menschenliebe und idealistischem Aufschwung verfehlt auch heute die Wirkung auf die Leser nicht. Wie ein Symbol mutet es an, daß sein Leben in eine Friedensperiode fiel und daß er hinweggenommen wurde, ehe der erste Weltkrieg begann.
Gut ausgewählte Brief- und Werkzitate, zahlreiche Bilder, eine Zeittafel und eine ausführliche Bibliographie machen diesen Band sehr lesenswert.
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