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Ein Theater für österreichische Autoren
„Austriaca non leguntur“ stammt nicht aus der heutigen Zeit. Der Satz gilt aber leider noch vielfach auch für unsere jetzigen Tage. Unter den österreichischen Autoren, die solcherart nicht zu ihrem österreichischen Publikum fanden, waren die Dramatiker am schlechtesten daran. An und für sich gibt es weniger Theaterdirektoren als Verleger, überdies werden natürlich weniger Theaterstücke aufgeführt als Werke verlegt. Besonders erschwerend aber ist, daß nach 1945 ein zum Teil echtes Bedürfnis bestand, zu erfahren, was in den Jahren unserer Absperrung in der übrigen Welt draußen geschrieben wurde.
Dem Unterrichtsministerium obliegt die Sorge für die Künstler. So relativ leicht, weil mit geringen Kosten verbunden, die Förderung eines Lyrikers ist, durch Abdruck zum Beispiel in einer Zeitschrift, so schwierig ist die Hilfe für einen Dramatiker. Es wäre unmöglich, alle österreichischen Theaterdirektoren zu zwingen, nur österreichische Autoren zu spielen. Auch muß man sich klar darüber sein, daß unter den in den Schreibtischladen unserer Dichter auf eine Aufführung wartenden Stücken nicht alle auch bühnenreif sind. Nun ist es aber gerade für den jungen Autor wichtig, daß er an den Fehlern seiner Arbeit lernen kann, daß man ihn — z. B. in einer anschließenden Diskussion über sein Stück — auf die Schwächen seiner Arbeit hinweist. Bei manchen „Werken“ junger Autoren könnte es vielleicht recht heilsam sein, den jungen Schöpfer zu zwingen, sich seine eigene Tat einmal auf der Bühne anzusehen und anzuhören.
Alle diese und viele sonstige Ueberlegungen sprachen für die Schaffung einer kleinen Bühne für dieses Experiment. Es müssen hier einzig und allein österreichische Autoren gespielt werden, eine alte Forderung, der sich die bestehenden großen und kleinen Wiener Bühnen nicht fügen wollten oder konnten. Nun wird unter Direktor Ander, dem Leiter der Oesterreichischen Länderbühne — Theater der Schulen, im Cafe Landt-mann nächst dem Burgtheater die „Tribüne“ eröffnet. Bei einer Spielzeit von Mitte Oktober bis Ende Juni soll hier ein auf ein Jahr befristeter Versuch gemacht werden. Junge, besser gesagt: noch nicht arrivierte österreichische Autoren, unter Heranziehung junger Regisseure, Bühnenbildner und Absolventen des Reinhardt-Seminars als Schauspieler sollen zum Zug kommen. Die Aufgabenstellung: Nur österreichische Autoren! unter-
scheidet diese kleine Bühne grundlegend von allen bereits bestehenden. Gemäß allen diesen Ueberlegungen soll hier auch in erster Linie nicht so sehr für zahlende Besucher gespielt werden, sondern für die Theaterdirektoren der großen Wiener und sonstigen österreichischen Bühnen, für Kritiker und Zeitungsleute, für den interessierten Fachmann. Die Theaterdirektoren sollen eben in der „Tribüne“ noch nicht aufgeführte Stücke österreichischer Autoren sehen, und sie werden dadurch die Möglichkeit haben, zu beurteilen, ob sich ein oder das andere Stück für ihre Bühne eignet. Auf diese Art fällt für sie das sonst sicherlich recht gefährliche finanzielle Risiko der Herausbringung eines neuen, noch unbekannten Autors weg.
Es ist daran gedacht, in jedem Monat ungefähr zwei Uraufführungen herauszubringen, hinzukommen noch Leseaufführungen und Fragmentabende. Die Autoren sollen dadurch wieder Mut bekommen, neue Stücke zu schreiben. Etwas von dem erhofften Erfolg zeigt sich bereits: seit dem vergangenen Jahr werden wesentlich mehr österreichische Autoren an den österreichischen Bühnen aufgeführt, sicherlich ein Erfolg des unablässigen Hinweisens darauf, daß österreichische Kultur sich nur in den Werken ihrer Menschen zeigen kann. Besonders aber im heurigen Spieljahr gibt es direkt einen Wettlauf nach Stücken österreichischer Autoren, vor allem zwischen den kleinen Bühnen. Wenn dies vielleicht zum Teil auch aus Konkurrenzgründen geschieht, dem österreichischen Autor kann es nur recht sein. Hoffen wir, daß neuen Talenten der Weg ans Licht der Oeffent-lichkeit geöffnet wird.
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