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Begegnung in Bern

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Daß die Begegnung der Geister in dem, Streben nadi Überwindung des zur tödlichen Gefahr konzentrierten Materialismus durch Wiedererstarkung der metaphysischen Kräfte, mit anderen Worten: der religiösen Haltung, in der sakralen Musik die ersten und zunächst überzeugendsten Erfolge aufzuweisen hat, erscheint wohl aus der metaphysischen Fähigkeit der Musik, übersinnliches auszudrücken, begründbar, ist es letztlich aber doch nur durch die gleichzeitige Überwindung des Materialismus in der Musik selbst. War man vor einem Menschenalter noch stolz, „jeden Suppenlöffel" komponieren zu können, so hat heute bereits die Erkenntnis durchgegriffen, daß dieser Weg nichts anderes war als der (nur scheinbar diametral gelagerte) Irrtum der persönlichen Ich-Vergottung. Daß die Sakralmusik hier den Weg am ersten und sichersten wieder findet, ist nahezu selbstverständlich, zumal sie ihn durch ihre gottesdienstliche Bestimmung nie ganz verlassen konnte. Sakralmusikalische Tagungen sind daher nicht nur künstlerische Darbietungen, so bedeutend diese audi sein mögen und so beweiskräftig sie zu sein haben, sondern zuvörderst und darüber hinaus Konzile des abendländischen christlichen Geistes, der sich, man möchte sagen in zwölfter Stunde, auf seine welterneuernde Kraft besinnt und in unmittelbarer tönender Entfaltung nicht nur die Köpfe, sondern die Seelen bewegt.

In diesem Sinne wollte der Internationale Kongreß für Kirchenmusik in Bern auch eine interkonfessionelle Begegnung sein; mit beglückendem Ergebnis, trotz der einem ersten Versuch begreiflicherweise innewohnenden Lückenhaftigkeit, die sich in etwas untergewichtiger Beteiligung von katholischer Seite sowie vor allem im gänzlichen Fehlen des gregorianischen Chorals aufzeigte, was auch protestantischer- seits lebhaft bedauert wurde. Die Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens ohne Vorbild sind eben auch in der Schweiz groß und nicht beim ersten Zugriff samt und sonders zu überwinden. Um so mehr ist der Kongreßleitung für den Schneid und die Tatkraft zu danken, mit denen sie dieses Treffen plante und durchführte. Historische und wegweisende Referate unterbauten Herkommen und Sinn der Kirchenmusik als absoluten liturgischen Dienst. Der hochbedeutsame Vortrag Prof. Dr. Blankenburgs (Hessen) über die evangelische Kirchenmusik im Lichte der Liturgie konnte auch von katholischer Seite vorbehaltlos bestätigt werden. Zum Palestrina-Referat Prof. Dr. Fellerers (Freiburg) hätte man sich Beispiele gewünscht, wie sie die Ausführungen Susi Jeans (London) durch Schallplatten und in idealer Weise den Vortrag Dr. Nievergelts (Winterthur) durch Mitwirkung der Spandauer Kantorei belebten. Von den praktischen

Vorführungen seien P e p p i n g s „Passionsbericht des Matthäus" (Spandauer Kantorei) sowie die Messe von Willy Burkhard (Berner Kammerchor und Stadtorchester) als Gipfelpunkte genannt, ebenso die Orgelstunden von Feruccio Vignanelli (Rom), Flor Peeters (Mecheln) und Gaston Litaize (Paris), von denen Vigna- nellis Spiel vor allem, dem liturgischen Dienst gerecht wird. Ein Ausflug nach St. Urban bei Langenthal gab Gelegenheit, die dortige, 1721 von J. Bossart erbaute Orgel kennenzulernen.

Mögen die erwähnten Namen und Darbietungen für viele stehen, die in ihrer Fülle und Vielfalt aufzuzählen hier unmöglich ist. Der 84jährige Prof. Dr. Ilmari Krohn (Helsinki) sprach in seinen Abschiedsworten den Teilnehmern aus der Seele, wenn er meinte, daß hier eine Tat geschehen sei, die an sich ein Fest, in ihren Fortwirkungen aber eine Verpflichtung und vielleicht eine Wiedergeburt bedeute, soweit sie nicht zu einer Erinnerung, sondern zu einem Anfang werde.

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