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Bildnis eines Herrschers

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Der Kaiser Otto ni. Von Henry Benrath. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1951, 370 Seiten

Die Reihe der historischen Darstellungen Henry Benraths — die dichterischen Bildnisse der Kaiserinnen Galla Placidia, Konstanz und Theophano —, die den Namen des Dicht ters vor allem bekannt gemacht haben, wird mit dem Werk aus dem Nachlaß „Der Kaiser Otto III. abgeschlossen. Es ist seiner Art nach völlig anders als die genannten Bücher, es ist keine Biographie und kein Roman, sondern, wie Benrath in seinem Vorwort 6agt, „die geistig-seelische Vision eines jugendlichen Herrscherlebens, das den großartigsten Gedanken des frühen Mittelalters schöpferisch verkörpert . Die Gestalt die6e6 Kaisers, des Sohnes der Theophano, der 1002, erst zweiundzwanzigjährig, 6tarb, den man „mira- bilia mundi — Wunder der Welt nannte, hat den Dichter ein Leben lang beschäftigt, so wie eben adeliges Menschentum einen Wesensverwandten auch über die Jahrhunderte hinweg anzieht. Dieses kurze Dasein war beherrscht von großen Gedanken. Benrath sieht in Otto III. den Herrscher, der eine föderative Gestaltung de6 deutsch-italischen Westimperiums, eine „renovatio imperii Romanorum , eine Erneuerung auf politischem Gebiet, verbunden mit einer „reformatio sacerdotii“, einer Erneuerung des kirchlichen Lebens mit Hilfe der Reform von Cluny, anstrebte. Sein großer Verbündeter und Berater war Papst Silvester II. Der Plan scheiterte an psychologischen Fehlern, die bei seiner Durchführung begangen wurden, und an dem frühen Tod des Kaisers. Seine geschichtliche Bedeutung ist deshalb nicht geringer.

Der Leser muß sich immer vor Augen halten, daß er es mit einer Dichtung zu tun hat, deren Stoff vom Autor diese bestimmte Formung verlangte. Da6 Bild des Kaisere wird beschworen, der Dichter spricht ihn da6 ganze Werk hindurch persönlich an. Nur wenige Autoren sifid fähig, eine solche Aufgabe zu meistern. Es gibt keine Ausschmückung, kein „Zeitkolorit , und während in den Kaise- rinnenbüchem das politische Geschehen ausführlich dargestellt wurde, ist hier alles auf die eine Person konzentriert. Dort, wo die historische Forschung keine Gewißheit gibt, deutet Benrath aus schöpferischer Einfühlung die Vorgänge und setzt sich öfter auch kritisch mit den historischen Quellen und ihrer Auslegung auseinander. Diese Spiegelung der Persönlichkeit Ottos III. in der Individualität des Dichters, der in dem Herrscher die gleiche „ordnende Mitte“ wie in sich selbst erkennt, gibt dem Werke 6eine fesselnde Besonderheit. Der in drei Büchern gegliederten Dichtung sind die Worte vorangestellt: „Warum wollen wir mehr als den Furchenzug unserer Träume hinter uns lassen? Dies ist ein Gedanke des sterbenden Kaisers.

Das Hauptgewicht der Darstellung ruht auf dem politischen Handeln Ottos, und erst in den letzten Kapiteln wird sein innerstes Leben offenbar. Meisterhaft bringt un6 der Dichter auch die anderen Personen in ihrer Geistesart nahe, wie etwa den Erzkanzler Willigi6, den heiligen Adalbert oder den genialen Gerbert von Aurillac, den späteren Pap6t Silvester II. Es werden jene Kräfte sichtbar, die da6 Gesicht dieser Zeit bestimmten. Benrath läßt, oft 6ehr kühn, seine Personen in der Sprache der Gegenwart reden, wie dies seinem dichterischen Ziel entspricht. Er will das Unwandelbare im menschlichen Wesen zum Ausdruck bringen, und dieses ist nicht an das wandelbare Wort gebunden. Der klar geformte, knappe Stil ist von wunderbarer dichterischer Intensität, ein Stil, der durchaus von eiper aristokratischen geistigen Haltung geprägt wird. Dieses Werk ist eine zur Dichtung erhobene, in die Tiefe des Menschlichen dringende, historisch-psychologische Deutung von hohem literarischem Rang, welche die Fülle der Neuerscheinungen überragt. — Erwähnt sei noch die vornehme Ausstattung de6 Buches.

Die Geistes- und Lebenstragödie der Enkel Goethes. Ein gesprochenes Buch. Von Oskar Je lli ne k. Verlag Oprecht, Zürich. 115 Seiten.

Die in Wien und Brünn gehaltenen Vorträge des Autors liegen diesem Buche zugrunde. Jellinek zeigt uns die schmerzlichen Schicksale der künstlerisch nicht unbegabten, charakter lich wertvollen, körperlich aber schwächlichen Enkelsöhne des großen Dichters, Walther und Wolf, denen da6 Erbe eines allzu großen Namens es verwehrte, den bescheidenen Weg eines Duich6chnittsmenschen zu gehen. Das Werk fesselt durch die Lebendigkeit der Darstellung, durch die Fülle der kulturgeschichtlich interessanten Ereignisse und vor allem durch die schöne Teilnahme und Herzenswärme, mit der der Autor die Schicksale der darqestellten Menschen zeichnet.

Aufzeichnungen und Erinnerungen. Von Gertrud von Le Fort. Benziger-Verlag, Einsiedeln. 141 Seiten, 6 Abbildungen.

Es war ein überaus glücklicher Gedanke des bekannten Schweizer Verlages, die bisher zerstreuten Aufsätze der Autorin zu einem Sammelband zusammenzufügen. Dis hier veröffentlichten Essays kreisen um drei Probleme: „Zur Dichtung“, „Zur Religion“, „Zur Zeit . Das Kapitel über die Dichtung enthält hauptsächlich Buchkritiken, so die zuerst in der „Furche veröffentlichten Abhandlungen über Durychs „Friedland -Roman und über Bettina Seips „Römisches Tagebuch“. Aber auch die berühmte Auseinander setzung von Bemanos über die geistige Urheberschaft der Blanche de la Force aus der „Letzten am Schafott findet sich hier. Die beiden ändern Kapitel enthalten Reden, Aufrufe, Aufsätze aus der ersten Zeit nach dem Krieg, voller Dankbarkeit gegen alle jene, die die Not der Zeit zu lindern bereit waren, voller Bitte um Hilfe für die Armen. Der schmale Band enthält darüber hinaus noch zwei sehr wertvolle Beiträge: sechs bisher unveröffentlichte Bilder über Eltern, Elternhaus, Kindheit und Jugend der Autorin sowie eine Abhandlung über das Elternhaus selbst, in dem ein Leben voller Friede, Frömmigkeit und Kultur geherrscht haben muß. Von diesem Aufsatz her eröffnet sich ein besonderer Einblick in das Werk der Dichterin.

Die Krone. Von Ernst Wurm. Leykam-Verlag, Graz. 364 Seiten.

Das Thema dieses Romans, ist einem der schmerzlichsten Kapitel der englischen Geschichte entnommen! jener Kette folgenschweren Geschehens, welche die acht Jahre von der schmählichen Justizkomödie, der Thomas Wentworth zum Opfer fiel, bis zur Hinrichtung Karls I., umspannte. Aber die Ereignisse, die zum Tod des Königs und damit zu einer Katastrophe für die Nation geführt haben, bilden nur die Kulisse! im Vordergrund der Erzählung steht eine Reihe der bekannten historischen Gestalten, die an der tragischen Entwicklung mehr oder weniger handelnd beteiligt waren. Das wäre an 6ich bestimmt kein Mangel, und es hätte dem Buch sogar zum Vorteil gereichen können! allein, trotz seiner bewegten und oft überschwenglichen Sprache ist es dem Autor nicht gelungen, seine Akteure zum Leben zu erwecken. Sie alle reden zwar, 6ie reden sogar sehr viel, aber alle in derselben Tonart und mit denselben Akzenten und Gesten, und dadurch verschwimmen selbst die Umrisse so markanter- und voneinander so verschiedener Erscheinungen, wie etwa der eines John Pym, eines Hampden, eines Cromwell, eines Oliver St. John, eines Sir Henry Vane; sogar Karl I., obzwar noch am schärfsten profiliert, und Männer wie Strafford oder der Marquess von Montrose, verwandeln sich unter Wurms Feder in unwirkliche, schemenhafte Figuren. Im übrigen hätte der Autor gut getan, 6ich über den richtigen Gebrauch englischer Titulaturen, und über sonst noch einiges, vor Beginn seiner Arbeit zu informieren. Kein Engländer des 17 Jahrhunderts gebrauchte den Ausruck „britisch , wenn er „englisch“ meinte, und einen König, der seine Gemahlin mit „Erlaucht“ ansprach, hat es weder in England noch 6onstwo je gegeben.

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