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Grazer Laienkurse

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Das geistige Kulturschaffen der steirischen Hauptstadt erhält durch eine Vortragsreihe „Theologische Laienkurse“ der hiesigen theologischen Fakultät eine besondere Note. Die Vorträge, die durchgängig wnd unterschiedslos von allen Altersklassen gut besucht werden, bewegen sich trotz der Volkstümlichkeit ihrer Fassung auf einem außerordentlich hohen Niveau.

Von besonderem Interesse wsren des Uni-versitätsorofessor Dr. Poschs Ausführungen zu dem Thema: „Renaissance, Reformation, Gegenreformation, — Erasmus, Luther, Loyol a“, womit er durch diese Titelgebung gleichzeitig die Hauptvertreter dieser drei Geistesrichtungen fixierte.

In den wesentlichen Zügen erkennt die Kirche in der Renaissance die Wiedergeburt des klassischen Altertums, stellt aber den starken individualistischen Bestrebungen der italienischen Renaissance mit ihren Borgias, Ludovico Moro und den Sforzas, als auch einer Katharina von Med'ci die innere Abgeklärtheit des Humanismus eines Erasmus von Rotterdam im germanischen Lebensraum entgegen.

Dieser Humanismus ist allerdings vielfältig und nuanciert, sein besonderes Kennzeichen ist Mäßigung, aber gerade er versuchte der Zeitforderang, zu den Quellen zurückzufinden. Rcdinung zu tragen, wobei das Ideal der Vorstellung kirchlicher Einflußnahme, das vierte Jahrhundert als- goldenes Zeitalter der Kirche, als besonders nachahmenswertes Beispiel in den Vordergrund gestellt wurde.

Auch der Reformationsweg war durchaus friedlich und bewegte sich ausschließlich auf einer rein geistigen Basis und nur unter Zuhilfenahme rein geistiger Mittel. Neben ihm arbeiten und wirken im selben Sinne Alexander Helius und Beatus R e a n u s, durchwegs Meister der feinen Nuancierang und des hohen, geistigen Geschmacks, Meister der Kritik und der Erkenntnis.

Wie der Humanist Erasmus ist auch der Reformator Luther Augustiner, doch ist der Rotterdamer Chorherr, Luther hingegen nur Mönch. Daß dazwischen eine Welt liegt, bewies die Geschichte.

1492 ordiniert Erasmus zum Priester, um später sich dem ErzbischofvonCamb r a i s als Sekretär zu verpflichten. Gerade dieser Schritt aber eröffnete ihm die Pforten der Pariser Universität. 1506 betrat er erstmals jenes Landes Boden, das ihm am meisten geben sollte: England. Dem Verkehr mit Heinrich VIII., insbesondere aber Thomas Morus und. John Fisher verdankte er die absolute Weckung seiner theologischen Interessen. Bekannt nun als Mann der klassischen Harmonie, der feinen Nuance, als gefeierter Redner und Stilist betrat er 1514 zum ersten Male deutschen Boden, um wenig später eine Professur in Löwen anzunehmen, nur dem inneren Drange folgend, ein freier Mensch bleiben zu wollen.

Erasmianer zu sein aber ward ein Begriff, der gleichbedeutend war dem Besitz höchster Bildung und des feinsten Geschmacks.

Drei Jahre später, 1517, schlug Luthe seine Thesen ans Kircluntor von Wittenberg und versuchte Erasmus auf seine Seite zu ziehen. An dieser Ablehnung des Rotterdamers wurde mancher seiner Anhänger irre.

Für Erasmus bedeutete der deutsche Humanismus einen Bund der Antike mit den Evangelien. Luther selbst hingegen kam vom Dogma und seine tiefe Religiosität wird durch die Hervorhebung des Rechtfertigungsgedankens bewiesen. In Wahrheit will Luther nidat nur reformieren, sondern den theolog:schen Neubau schaffen. Doch lediglich in der Feststellung des Subjekts trifft er sich und ist sida einig mit dem Humanismus. Ef sucht ursprünglich auch nicht den gewaltsamen politischen Umschwung, aber gerade dieser erweist sich später als psvehologisch begründet.

Als eine der vier Grundkräfte der an-bredienden Gegenreformation wird das Konzilium von Trient anerkannt, das die ausgeglichene, harmonische Lehre wieder herstellt. Zu diesem gesellt sich als letzte Grundkraft der Jesuitenorden selbst, der viel vom Wesen seines Gründers, des Spaniers Ignatius von Loyola an sich hat.

Wiewohl Antisubjektivist, ist Loyola dennoch nicht Antiluther in diesem Sinne, als sei er gegen alle Individualität, aber er ist ausgeprägter Willensmensch, wohingegen Luther der Welt indifferent gegenübersteht. Loyola kann man Calvin zur Seite stellen, den Verfechter der reinen Theokratie, dessen Lehre die Botschaft vom Regnus Dei ist. Mit der absolut theozentrischen Einstellung Loyolas Jesuitenorden wurde damit gerade er der Orden der Gegenreformation. Die kirchliche Einheit wiederherzustellen gelang dem Orden nicht, nicht seinem Schöpfer, aber auch nicht dem Kaiser. Selbst nicht im Barock, der rekatholisierten Renaissance. Doch dafür, daß sie unmittelbar bevorsteht, sprechen viele Zeichen.

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