Wo wachsen noch Vorbilder?

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Die Furche-Herausgeber

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Zwei Frühlingsfahrten durch Österreich – nach Rabenstein (im niederösterreichischen Pielachtal) und Hüttenberg (im Kärntner Görschitztal). Zwei Geburtsorte unvergesslicher Österreicher: Hier Franz König, dort Heinrich Harrer. Der „Jahrhundert-Kardinal“ – und der „letzte große Abenteurer unserer Zeit von wissenschaftlichem Rang“.

Rabenstein und Hüttenberg – beide eingebettet in eine gemächliche, bäuerliche Landschaft. Beide abseits der Städte, der großen Horizonte, der Weltläufigkeit. Und doch sind auf ihrem Boden zwei Persönlichkeiten gewachsen, die – jeder auf seine Weise – alle Begrenzungen überwunden haben.

Beiden nahe gewesen zu sein, gehört zu den großen Geschenken meines Lebens.

Ruhe und Vertrauen

So verschieden ihre Begabungen und Ziele auch waren, unterwegs zu den Quellen aller großen Ströme und geistigen Strömungen: Das Alter hat sie auch geistig zusammengeführt. „Ich habe gelernt, jeden Tag wie ein Geschenk zu genießen. Was dann unabwendbar geschieht, kann ich nur mit Ruhe und Vertrauen abwarten.“ Einer von vielen Sätzen Harrers, die wortgleich vom Kardinal stammen könnten.

Beide sind nicht mehr.

Unterwegs durch Österreich frage ich mich: Wo wären heute noch Leitfiguren zu finden – jenseits jener kurzlebigen „Prominenz“, die unserer Jugend als „Ikonen“ angepriesen wird? Und: Welchen Nährboden braucht es, um so über alles Mittelmaß hinauszuwachsen, wie es die beiden geschafft haben? Und: Was lässt sich aus solchen Biografien lernen?

Sicher: König und Harrer konnten auf etwas aufbauen, was Thomas Mann die „vorgeburtlichen Verdienste“ genannt hat: vor allem die Gnade der Langlebigkeit. Dazu eine karge, aber behütete Kindheit – als Schule des Lebens: das frühe Gefordertsein, die natürliche Bescheidenheit; und – aus der Verwurzelung im Heimatboden – eine angstfreie, nie gesättigte Neugier nach größeren Dimensionen.

„Mich interessieren alle Gegenstände sehr“, gestand der Volksschüler Franz König in einem Aufsatz, „weil ich so wissbegierig bin.“ Und staunend entdeckte der Bub Heinrich Harrer in alten Zeitungen eine ferne Welt von Eisriesen und Wüsten, fremden Ländern und Kulturen. „Alle Träume des Lebens beginnen in der Jugend“, schrieb er später. Denn: „Man muss alles aufbauen, Stufe für Stufe, Schritt für Schritt.“

Können, Mut und Gewissen

Ich frage mich: Welche Träume haben wir noch zu bieten? War damals am Ende manches leichter, weil alles schwerer war? Ist uns zu viel an Kindheit – an Zeit zum Träumen, Wachsen und Erproben – abhanden gekommen? Schreibt unsere Zeit keine Vorbildgeschichten mehr?

„Was kann ich tun, um so zu werden wie Sie?“ Beide – König und Harrer – sind immer wieder jungen Menschen gegenüber gestanden, die ihnen nacheifern wollten. Wer würde das heute noch tun – und bei wem? Ich lese: „Unsere Zeit braucht Eliten.“ Stimmt – ohne Wissensexperten ist heute kein Staat zu machen. Noch dringender aber brauchen wir wieder Vorbilder. Beispielhafte Menschen von Können, Mut und Gewissen, die uns verlocken, so wie sie zu sein.

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