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ANDRIAN UND PAWEL / PRIVATISSIMUM ZWEIER RAUMPILOTEN

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Andrian Nikolajew, der 33jährige Major der Sowjetluftwaffe, der nach der Rückkehr von seiner viertägigen Erdumkreisung gemeinsam mit seinem Weltraumzwilling Oberstleutnant Popowitsch in einem triumphalen Festakt auf dem Roten Platz in Moskau den jubelnden Massen vorgestellt wurde, stammt aus einem Dorf in den tschuwassischen Wäldern im Wolgagebiet. In einer Kollektivwirtschaft aufgewachsen, die schwer um ihre Existenz zu kämpfen hatte, erlebte er eine karge Kindheit, als Fünfzehnjähriger verlor er den Vater. Da gab es Not. manchmal nichts als Erdäpfel zu den Mahlzeiten, und die Mutter mußte oft und oft bis in den Abend hinein arbeiten gehen, damit ihr zusätzliche Arbeitseinheiten angerechnet wurden.

Auch Pawel Popowitsch, aus Usin in der Ukraine stammend, wuchs als Bauembub auf einer Kolchose auf, war aber als Kind schmächtig und ewig kränklich. Während des Kriegs verschleppten die Deutschen seine Schwester zur Arbeit in einer Munitionsfabrik nach Deutschland, von wo sie nach Kriegsende in erbarmungswürdigem Zustand zurückkam. Diese Eindrücke, Kriegsterror, Haussuchungen, Not, prägten seine Jugend, die er mit vier Geschwistern teilte.

Andrian besuchte eine Forstschule und hatte keine andere Absicht, als im Waldgebiet, das er liebte, zu arbeiten. Dann, als Rekrut eingezogen, wurde er zur Luftwaffe geholt. Vor neun Jahren, im Jänner 1953, startete er in einer Jak 11 zu seinem ersten selbständigen Flug. Seither war sein Schicksal entschieden, er blieb bei der Fliegerei. Vier Jahre später meldete er sich als Kandidat zur Aufnahme in die Kommunistische Partei, das Gesuch wurde von allen, die ihn kannten, befürwortet.

Pawel, dessen Kränklichkeit sich, als er zum Burschen heranwuchs, verlor und einer außergewöhnlichen Zähigkeit Platz machte, zeigte sportliche und musische Talente, er sang und spielte gern bei Laien-aufführungen. Dann aber faszinierte auch ihn die Fliegerei, Fleiß und Klugheit sicherten ihm eine rasche Karriere. Einer seiner Brüder ist Artillerieoffizier, ein Schwager zweifacher Weltmeister im Fallschirmspringen, er selbst fungiert auch als Parteisekretär der Kosmonauten.

Andrian und Pawel, nun kreuzen sich ihre Lebensläufe, melden sich freiwillig als Astronauten, beide wandern, ähnlich wie ihre amerikanischen Kollegen Glenn und Shepard, in die Folterkammern der Test- und Übungsapparaturen, in denen ihre Eignung für die bevorstehende große Aufgabe untersucht wird, sie lernen, Schwerelosigkeit ebenso auszuhalten wie eine Erhöhung ihres Körpergewichts auf das Vierzigfache, sie werden auf psychische Belastungen vorbereitet. Bei Nikolajew kam, heißt es, in jüngster Zeit ein privater Kummer hinzu, denn als er sich aus dem Ausbildungszentrum aus Gründen der Geheimhaltung nicht melden durfte, hörte das Mädchen in seinem Heimatort, das er liebte, auf, ihm zu schreiben ..,

Dann schlug die Stunde des ersten Formationsflugs im Weltraum, das unerhörte Abenteuer erforderte ihre äußerste Kraft und Ausdauer, doch sie nahmen, wie sie später - sagten, „ihr irdisches Leben mit hinauf“, nicht allein was die Lebensbedürfnisse betrifft, sondern vor allem ihr Denken, ihre Einstellung zu den kleinen und großen Fragen des Daseins, ihre Gesinnung. Kurz vor der Landung singen sie das Kosmonautenlied, das von allen sowjetischen Radiostationen übertragen wird: „Ich glaube, meine Freunde, das Raketenkarawanen uns rasch von Stern zu Stern tragen werden: Auf staubigen Pfaden weit entfernter Planeten werden unsere Spuren verbleiben.“

Das ist ihr ganzes Glaubensbekenntnis. Sie haben es von der Erde mitgenommen und zur Erde zurückgebracht. Und Andrian erklärte in einem Interview, nach der Bedeutung seines in der UdSSR seltenen Vornamens befragt: „Als ich am 5. September 1929 zur Welt kam, wurde in unserem Dorf gerade zu Ehren des heiligen Andrian Natalski gefeiert. Sicherlich hat man mich im Rausch nach diesem komischen Heiligen getauft.“

Getauftl Ja, unser guter Weltraumfahrer — mag er heute darüber auch spotten — ist es. Getauft im Jahre 1929. Zwölf Jahre nach dem Sieg der Sowjetmacht. Auch heute werden in der Sowjetunion, teils offen, teils geheim, ungezählte Kinder auf Heiligennamen getauft. Eines Tages werden vielleicht auch Kinder von Astronauten darunter sein-

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