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Sie flogen für Österreich

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„WER IST DENN DAS?“ fragte neulich ein hoher Offizier des Bundesheeres, als zufällig der Name Bru- mowski gefallen war. Österreich- Ungams berühmtester Jagdflieger ist, wie die übrigen Asse 1914—1918, den Heutigen kein Begriff mehr. Sie sollten es aber sein, denn ihnen gebührt der Name Flieger vor allen. Die Tragflächen waren dünn und gebrechlich wie Libellenflügel, der Pilot saß in einer Holzkiste mit dem ganzen Oberkörper im Freien, der Rumpf des Flugapparates glich einem kindlich montierten Gestänge aus dem Spielzeugkasten, der Propeller war aus Holz. Die Wirklichkeit war noch krasser. Am 30. Juli 1914 soll die Flieger kompanie 1 aus Fischamend ins Feld gehen. In einer verstaubten Ballonhalle stehen die demontierten Lohner- Apparate, in denen Rotkehlchen nisteten. Da entfährt einem Flieger, dem späteren Major Schwab, der Ausruf: „Ja, um Himmelswillen, mit diesen Särgen sollen wir fliegen?“ Und sie zogen mit den „Särgen“ ins Feld, kämpften, siegten und starben in Galizien, am Isonzo und an der Piave, am Montello und auf der Hermada. dem „österreichischen Verdun“. Sie flogen bei Tag und Nacht, starten und landen zwischen Felsen (wogegen die italienischen Flieger den Vorteil der Ebene hatten) im Schein von Fackeln. Sehen wir uns einmal diese fünf Asse, Brumowski, Fiala-Fembrugg, Linke- Crawford, Arigi und Banfield, an. Knappe Sätze und Zahlen sollen ihre fliegerische Leistung festhalten, von der man sich heute im Zeitalter, da das Dröhnen über uns zum Alltag gehört, keinen Begriff machen kann …

HAUPTMANN GODWIN VON BRUMOWSKI, geboren am 26. Juli 1889 in Wadowice, Sohn des k. u. k. Generals Albin von Brumowski, ist mütterlicherseits mit dem polnischen Fürstengeschlecht Sapieha verwandt. Nach Absolvierung der Technischen Militärakademie Mödling 1910 zum Feldkanonenregiment Nr. 10 nach Ja- roslau ausgemustert. 1915 ist er Beobachtungsoffizier bei der Flik 1 in Kolomea und Czernowitz. Bombardiert die Zarenparade in Chotin, schießt zwei der sieben ihn angreifenden Maschinen ab. Als Kommandant der Flik 41 J wird Brumowski mit vierzig Abschüssen der erfolgreichste Flieger der Armee. In der 11 Isonzoschiacht am 3. und 4. Juni 1917 verhindert er den Durchbruch der Italiener auf der Hermada. Ein Bravourstück war die Verteidigung der letzten intakten Piavebrücke am 20. Juni 1918. Seine Maschine bekam 37 Treffer ab. Er soll um den Theresienorden einreichen, hat aber keine Zeit. (Leopoldsorden, Eiserne Krone, Goldene Tapferkeitsmedaille, Eisernes Kreuz usw.) Der vielseitig Begabte ist nach 1918 kurze Zeit im Ausland und leitet dann die Fliegerschule Aspern. Am 3. Juni 1936 stürzt er in Amsterdam mit einer von seinem Flugschüler gelenkten Sportmaschine tödlich ab. Ein Zauber ging von Brumowski aus, wie ihn nur die Fülle des Lebens hervorbringt. Er war immer in Form, immer bei Mut. Allen unvergeßlich, die ihm einmal begegnet sind. Auf dem Wiener Zentralfriedhof ist seine letzte Ruhestätte.

ING. BENNO FIALA R. v. FERNBRUGG wurde am 16. Juni 1890 in Wien als Sohn eines Generals geboren, absolviert die Technische Hochschule, dient als Einjährig-Freiwilliger im Fe- stungsartillerie-Rgt. 1. Geht 1914 als erster Reserveoffizier der Luftfahrttruppen mit der Flik 1 am 29. Juli ins Feld. Beobachter und technischer Offizier im Osten; gehört zu den Przemysl- fliegern, überbringt den auswendig ge lernten Durchbruchsbefehl. Baut 1915 mit Prof. Kann die allererste Radioeinrichtung ein. Kommandant der berühmten Flik 51 J (Adler vom Piave) an der Südwestfront. 3 56 Feindflüge. 29 Abschüsse, 5 werden nicht mehr bestätigt. (Leopoldsorden, Eiserne Krone, Goldene Tapferkeitsmedaille, vierzehn Armeebelobigungen.) Schießt, dreimal schwer verwundet, am 1. und 3. Mai

1918 vier Flugzeuge und zwei Fesselballons ab. Mitverfasser des österreichischen Jagdfliegerreglements. Nach 1918 technischer Direktor, persönlicher Mitarbeiter Prof. Junkers, führt das Ganzmetallflugzeug in Japan ein. Bereist die ganze Welt. 1934 von den Nationalsozialisten in „Schutzhaft“ genommen. Im zweiten Weltkrieg technischer Offizier beim Stab. Lebt wissenschaftlich tätig in Wien. Ein echter Sohn der „großen Schweigerin“, der in jeder Lebenslage Haltung zu wahren verstand.

OFFIZIERSSTELLVERTRETER JULIUS ARIGI, geboren am 3. Oktober 1895 in Tetschen (Böhmen) erlernte das Elektrikerhandwerk, rückt 1912 als Freiwilliger zum Festungsartillerie- Regiment 1 nach Wien ein. Wird am 23. November 1914 Feldpilot. Einsatz im Osten und auf dem Balkan. Flieht aus montenegrinischer Gefangenschaft im Auto König Nikitas. Nachher an der Südwestfront bei der „Kaiserstaffel". Erringt 32 Luftsiege. Meistausgezeichneter Unteroffizier der k. u. k. Armee. (Viermal Goldene, viermal Große Silberne und dreimal Bronzene Tapferkeitsmedaille.) Organisiert nach 1919 den Bäderluftverkehr Prag—Marienbad. Pilot der Aero- Werke in Prag, später bei den Flugzeugwerken Wiener Neustadt. Im zweiten Weltkrieg u. a. Ausbildner von Marseille und anderen. Nach dem zweiten Weltkrieg teilt er das Schicksal der Sudetendeutschen, arbeitet als Vertreter, läßt sich 1957 den Pilotenschein erneuern. Nach einem abenteuerreichen Leben lebt Arigi heute zurückgezogen in Seewalchen am Attersee.

OBERLEUTNANT FRANK LINKE- CRAWFORD entstammt einem englisch-irischen Geschlecht, das seine Herkunft bis ins Mittelalter verfolgen kann. Er kam am 18. August 1893 in Krakau als Sohn eines Rittmeisters zur Welt. Von der Theresianischen Akademie wurde er 1913 zum Drago- nerregiment Nr. 6 in Rzeszöw ausge- mustert, zog mit ihm ins Feld. Seit 1915 ist er Beobachteroffizier bei der Flik 22 im Osten. 1917 ist er bei der Jagdstaffel Brumowski. Erringt am 20. August 1917 vier Luftsiege. 1918 Kommandant der Fliegerkompanie 60, erringt 29 Luftsiege. (Eiserne Krone, Goldene Tapferkeitsmedaille, Eisernes Kreuz u. a.) Am 28. Juli 1918 ereilt den „Falken von Feltre“ sein Schicksal. Nachdem in der Kurve die Endrippen seines Berg-Jagdflugzeuges abgebrochen waren, wurde er im „Abblättern“ hinter den eigenen Linien bei Quero (oberer Piave) durch eine „Caproni“, die ein Amerikaner steuerte, brennend abgeschossen. Er hatte etwas Bezwingendes in der Autorität seiner ungestümen und ritter lichen Erscheinung Eindrucksvoll war der „gesammelte, ruhige Ernst" — zweifellos sein englisches Erbteil.

Die Truppe hing an dem selten Lächelnden und niemals Lachenden. Im Salzburger Kommunalfriedhof gibt sein Grab Kunde von einem, der füT Österreich den Fliegertod starb.

LINIENSCHIFFSLEUTNANT GOTTFRIED BARON BANFIELD wurde am 6. Februar 1890 in Castelnuovo (Bocche di Cattaro) als Sohn eines Seeoffiziers und Mitkämpfers Tegetthoffs geboren. Er entstammt einem alten irischen Adelsgeschlecht, wuchs mit dem späteren U-Boot-Kommandanten Trapp auf. J909 als Seekadett ausgemustert. 1912 Fregattenleutnant, erwarb er im gleichen Jahr den Pilotenschein Nr. 67. 1914 das Marinefliegerpatent Nr. 4. 1914 bis 1916 ist er Seeflieger an verschiedenen Stationen, von 1916 bis Kriegsende Kommandant der Seeflugstation Triest. Als „Adler von Triest“ wird er mit seinem „Blauen Vogel“ zum Begriff. Dem erfolgreichsten Marineflieger (19 Abschüsse) gelang der erste Nachtabschuß. Am 1. August 1916 zerschlägt er den Angriff von 14 italienischen Großkampfflugzeugen auf die Stadt, schießt eines ab. Ein kühner Marineur, dabei bescheiden und anspruchslos. Verehrt und geliebt von den Kameraden, geschätzt von den Vorgesetzten, denen er jnit schönem Freimut gegenübertritt. (Theresienorden, Leopoldsorden, Eiserne Krone, Goldene Tapferkeitsmedaille, Eisernes Kreuz usw.) Sein Kommandantenzimmer zierte keine Bombe, keine Granate als Briefbeschwerer, nur ein silberner Lorbeerkranz, den die Armen Triests für ihn, den „Hüter der Stadt“ gespendet hatten.’ Seit 1925 ist er Reeder, hat Bergungen auf allen Weltmeeren durchgeführt. Nach 1956 den Suezkanal von Wracks geräumt. Eine prächtige soldatische Erscheinung, der Typus eines Theresienritters.

… SO STEHEN UNSERE FÜNF „ASSE“ für die vielen Ungenannten, die flogen, bis im trüben November 1918 die Propeller endgültig Stillständen. Brumowski, Fiala-Fernbrugg, Linke-Crawford, Arigi, Banfield — Namen wie aus Wallensteins Lager. Als das Ringen in der Luft zu Ende war, hat keiner die Flinte resignierend ins Korn geworfen. Sie haben sich im Zivilleben bewährt, halfen in der Ersten Republik der Fliegerei wieder auf die Beine. Das Dritte Reich ging freilich an ihnen vorbei. Aber die Abneigung war durchaus gegenseitig. Heute sind sie bei uns unbekannt, dafür noch immer in der ganzen Welt ein Begriff. Langen doch täglich bei den noch Lebenden Briefe ein, die ihre eigenen Photos enthalten. Man bittet sie um ihr Autogramm. Die neue Fliegertruppe unseres Bundesheeres würde sich nicht zuletzt selbst ehren, wenn sie, statt unnötige Anleihen bei einer anderen Tradition zu machen, Kasernen und Abteilungen nach diesen Männern benennt.

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