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Bauwirtsdiaft auf der Walstatt
Vor genau drei Jahren wanderte alles, was in Österreichs Bauwirtschaft Rang und Namen besaß, kurzfristig hinter Schloß und Riegel. Oder wurde zumindest peinlichen Verhören unterzogen. Eine Verhaftungswelle lieferte den Tageszeitungen immer neue Schlagzeilen. Jeder neue Schritt der Wiener Wirtschaftspolizei und der mit ihr zusammenarbeitenden Innsbrucker Staatsanwaltschaft wurde bekanntgegeben. Jeder Name, jedes Verdachtsmoment fanden den Weg in die Öffentlichkeit. Unterlagen wurden tonnenweise beschlagnahmt und mit Lastwagen abtransportiert, eineinhalb Jahre durchwühlte eine Gruppe von Wirtschaftspolizisten die Akten der Bauverwaltung.
Vor genau drei Jahren wanderte alles, was in Österreichs Bauwirtschaft Rang und Namen besaß, kurzfristig hinter Schloß und Riegel. Oder wurde zumindest peinlichen Verhören unterzogen. Eine Verhaftungswelle lieferte den Tageszeitungen immer neue Schlagzeilen. Jeder neue Schritt der Wiener Wirtschaftspolizei und der mit ihr zusammenarbeitenden Innsbrucker Staatsanwaltschaft wurde bekanntgegeben. Jeder Name, jedes Verdachtsmoment fanden den Weg in die Öffentlichkeit. Unterlagen wurden tonnenweise beschlagnahmt und mit Lastwagen abtransportiert, eineinhalb Jahre durchwühlte eine Gruppe von Wirtschaftspolizisten die Akten der Bauverwaltung.
Österreichs oberster Straßenbaubeamter, Sektionschef Seidl, wurde in seiner Wiener Villa verhaftet und wanderte für Monate’ in die Innsbrucker Untersuchungshaft. Beamte wurden, vom Dienst suspendiert, Disziplinarverfahren eingeleitet.
Ganz Österreich war empört, die Opposition wahrte ihre Chance.
Die untersuchenden Behörden hatten den zuständigen Ministerien schwerwiegende Resultate gemeldet, und so kgm es denn, daß der Bundeskanzler im Parlament von mehreren Dutzend Beamten berichtete, die zusammen weit über 100 Millionen Schilling an Bestechungsgeldern empfangen haben sollten.
Ins Schußfeld geriet alsbald auch das Vergabesystem, dessen Schwächen nach Ansicht vieler Fachleute das Aufkommen von Mißständen begünstigten.
Während die Justizmaschine in der Folge eher schleppend vom Fleck kam und die hochgespannten Erwartungen einer aufgerüttelten Öffentlichkeit nicht erfüllen konnte, wurden bedeutende Reformen eingeleitet.
Positive Folgen
. Juristen des Bundeskanzleramtes begannen, den Entwurf eines Vergabegesetzes zusammenzuzimmern, das in Fachkreisen derzeit heftig diskutiert wird. Freilich ergaben sich dabei starke Divergenzen. So wünscht die Bauwirtschaft, daß dieses Gesetz ihr eine gewisse Einflußnahme auf die Vergaben einräumen und den von der Konkurrenzierung bewirkten „Preisverfall“ eindämmen möge. Solchen protektionistischen Überlegungen stehen die Baustellenpraktiker in der Verwaltung ebenso skeptisch gegenüber wie Tendenzen, das gesamte Baugeschehen in allen Details mit Paragraphen zu reglementieren.
In der Zwischenzeit mehren sich auch die Stimmen, die die derzeit bestehenden Normen, insbesondere die Önorm A 2050, als ausreichend ansehen. Dabei wird ins Treffen geführt, daß die Sauberkeit in jeder Wirtschaftssparte von der Integrität der dort wirkenden Menschen abhängig sei. Auch ein noch so klug ersonnenes Gesetz könne nicht verhindern, daß sich korrupte Elemente außerhalb der Rechtsordnung stellen.
Über alldem trat der ,.Bauskandal“ immer stärker in den Hintergrund. Tatsache ist, daß die bisherigen Ergebnisse in keinem Verhältnis zu dem Spektakel standen, mit dem die Aktionen von Wirtschaftspolizei und Staatsanwaltschaft 1966 über die Bühne gingen. Im Netz der Justiz fingen sich kleine Fische aus der untersten Ebene der Bauverwaltung. Bis auf ein Verfahren brachten sämtliche Disziplinarverfahren im Bautenministerium keine Anhaltspunkte für strafbare Tatbestände.
Dafür gab es eine Kette von Freisprüchen.
Ausständig ist der Prozeß gegen Sektionschef Seidl, der’ sterbenskrank und nicht verhandlungsfähig ist. Dieser Prozeß soll, in Abwesenheit des Hauptangeklagten, demnächst stattfinden.
Kreise der Bauwirtschaft lassen keinen Zweifel daran offen, daß sie das plötzliche Ableben angesehener Spitzenkräfte der Branche, die damals in das Schußfeld gerieten, auf das Kesseltreiben des Jahres 1966 zurückführen. Opfer waren auch in der Politik zu beklagen: Freunde des Begründers des Wohnungseigentums meinen, daß der Abgeordnete Prinke aus Gram darüber gestorben ist, verdächtigt worden zu sein.
Auf der Walstatt blieb auch der frühere Kärntner Landeshauptmannstellvertreter Truppe, der im Zusammenhang mit dem „Bauskandal“
schwersten Verdächtigungen ausgesetzt war. Wegen Haltlosigkeit der Anschuldigungen wurde das,Verfahren gegen ihn eingestellt, dennoch ist er heute „politisch tot“.
Unsicherheit und Mißtrauen, die damals das Bauwesen erschütterten, haben zu den Rückschlägen in der
Bauwirtschaft beigetragen, die 1967 und 1968 eintraten. Und es ist daher nicht verwunderlich, wenn immer öfter die Frage auftaucht, ob nicht auch zu untersuchen wäre, wieweit sich Beamte der Wirtschaftspolizei seinerzeit Übergriffe zuschulden kommen ließen.
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