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Christenbedrängnis im Karpathenland

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In Nummer 33 veröffentlicht die „Furche“ einen Bericht von P. de Vries S. J., der eine zusammenfassende Rückschau über die Vernichtung der griechisch-katholischen Kirche in den Ostkarpathen behandelt. Ein kurzer Vermerk spricht davon, daß in dieser Verfolgung bislang die römisch-katholische Kirche toleriert worden sei. In der Tat genoß sie bis 1947 eine gewisse Schonzeit, wenn schon bereits im Jahre 1946 römisch-katholische Priester volksgerichtlieh verurteilt, als „politische Verbrecher“ nach Rußland abgeführt wurden; nach Ablauf der Strafe durften sie nicht mehr in ihre Karpathenheimat zurückkehren, erhielten nur die Erlaubnis, im Umkreis von 50 bis 100 Kilometer von ihrem russischen Aufenthaltsort aus sich frei bewegen und Arbeit suchen zu dürfen. So kam zum Beispiel Zara L ö r i n c z aus Ordarma a\s Kutscher in ein Bergwerk. Ich bekam von ihm noch vor zwei Jahren einen Brief zu Gesicht, wie er in dem vergangenen grausamsten sibirischen Winter Weihnachten gefeiert habe. Da sich sein Pferd das Bein gebrochen hatte und geschlachtet werden mußte, erhielt auch er ein kleines Stück Pferdefleisch, das er in seiner Kleiensuppe mitkochte; nie habe er in. seinem Leben den Heiligen Abend mit einem so fürstlichen Mahl gefeiert. Seif-her dient er in einer Kolchose als Landarbeiter, unterstützt “Von seiner Umgebung, versteckt Messe lesend; Hostien und Trauben für Wein haben ihm im geheimen Glaubensgenossen geliefert. Drei andere Geistliche, die gleicher Zeit mit ihm verschleppt worden waren, sind ohne Leb e n s z e i c h n v e r-schollen. •

Nach 1947 brach der Sturm auch über die römisch-katholischen Gläubigen herein. Die Lateiner in der Karpathenukraine (Zakarpatskoj) gehören der Diözese Szatmar an und leben in der. Diaspora. Im Jahre 1945 gab es noch 27 Pfarreien mit 36 Priestern und acht Niederlassungen der Barmherzigen Schwestern aus Szatmar mit 80 bis 90 Ordensfrauen. Nach der Einverleibung der Karpathen-Ukraine in die Sowjetunion wurden Man-ner und Frauen vom 17. bis zum 50. Lebensjahre, wenn sie ungarischer oder deutscher Abstammung waren, nach Rußland deportiert.

Eine unbedeutende Minderheit von römisch-katholischen Christen ist in der glücklichen Völkerfamilie der UdSSR übriggeblieben, treu geschart um ihre Priester. Als 1948 der Angriff auf sie einsetzte, wurden zuerst die Barmherzigen Schwestern aus ihrem klösterlichen Heim vertrieben. Viele von ihnen sind jetzt als landwirtschaftliche Hilfskräfte tätig. Eine Schwester ist Abspülerin in einem Gasthaus, eine andere Klavierspielerin in einem Lokal, um das kärgliche Brot für sich und die alten arbeitsunfähiger! Mitschwesterh verdienen zu können; Wie mir berichtet wurde, ist der Generälvikar für die Katholiken des Karpathenlandes, Prälat Pasztor, weil er sich als Ordinarius geweigert hatte, die kirchen-feihdlichen Forderungen der Kommunisten zu unterschreiben, trotz seines hohen Alters nach Kiew verbannt worden. Auch hier setzte die Hetze gegen die katholischen Priester unter dem Titel ein, daß die „Spione des Papstes“ ausgerottet werden müssen. Mit dem Genefal-vikar wurden 5 andere Priester verhaftet, so daß jetzt aus der kleinen Schar von 36 Priestern bereits bei 20 durch

Verhaftungen und Verschleppungen ausgeschieden sind. Wer noch in- Freiheit ist, ist keinen Tag sicher, daß 4hn nicht das gleiche Schicksal trifft. Die Pfarrhäuser sind beschlagnahmt, die Kirchen in Staatsbesitz genommen, die Gläubigen müssen für deren Benützung eine hohe „Luxussteuer“ zahlen. Den wenigen verbliebenen Seelsorgern irgendeine Zahlung zu leisten, ist verboten, den Geächteten . fehlt es häufig am Notwendigsten. Einer der letzten Verhafteten ist der römisch-katholische Stadtpfarrer von Munkacs, Dechant Söros, Er wurde verschleppt. Während die Zahl der Priester abnimmt, wächst die Zähl der Gläubigen ständig, denn die ihrer e ig en en S e els o r g e r bberaubten Angehörigen des griechisch-katholischen Ritus nehmen Zuflucht bei den römisch-katholischen Seelsorgern, die ein entbehrungsreiches, oft bis zur Erschöpfung gehendes Leben führen.- Es kommt vor, daß nächtelang die wenigen vorhandenen Priester den um sie verweilenden Gläubigen beider Riten Rat und religiösen Beistand leisten. Wo die Behörden ein stärkeres religiöses Leben verspüren, greifen sie sofort zu, verbieten den Besuch der Kirchen den Mitgliedern der Jugendorganisationen „Pionier“ und „Konsomol“, den Staats-ang'estellten und den Werktätigen. Die Bauern kümmerten sich lange wenig darum und kamen scharenweise zum Gottesdienst und zum Empfang, der heiligen Sakramente. Nun ist größere Vorsicht notwendig geworden. Denn wo der Besuch des Gottesdienstes auffällt, wird der. Pfarrer selbst mit Polizeigewalt entfernt, So wurde auch der Kooperator in B e r e g s z a s z, ein junger Priester, der die Weihe noch von dem griechisch-katholischen Bischof Dr. Romza empfangen hat, am Ostersonntag in der Kirche verhaftet; man ließ ihm nicht einmal Zeit, das, ausgesetzte AUerheiligste in den Tabernakel zurückzustellen.

Nach dem bekannten Rezept suchte man auch hier durch Gründung einer „Romfreien Kirche“ die Gläubigen zu spalten. Es ist nicht gelungen. Diese bäuerlichen Menschen, denen man oft nachsagte, daß ihre Religion mehr in der Tradition als in lebendiger Gläubigkeit verankert sei, bewähren eich in einem stillen, heldenhaften W i d er stände. Der Gläubige im Karpathenland lebt heute nach der Art der ersten Christen.

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