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Dem Konzentrationskloster entflohen

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Von zuverlässiger Seite geht uns nachstehende Darstellung zu: Als am 14. April dieses Jahres in der ganzen Tschechoslowakei die Klöster besetzt und die Ordensangehörigen in einigen wenigen Klöstern „konzentriert“ wurden, brachte man in der Slowakei die Jesuiten nach Jasov, die Salesianer nach Sastin, die Franziskaner und Kapuziner nach Sväty Benedik und alle übrigen nach Pudlein. Eine Sonderbehandlung erfuhren die 87 Ordensoberen: sie wurden in das Kapuzinerkloster in Bösing gebracht. Hier versuchte die Bevölkerung — darunter eine große Zahl von Kindern — das Kloster zu stürmen und die Ordensoberen zu befreien, so daß Militär aufgeboten werden mußte, um die ins Kloster eingedrungene Menge zu zerstreuen. Während der folgenden zwei Wochen blieb das Kloster von einem starken Gendarmerieaufgebot bewacht. Dann wurden die Ordensoberen nach Bac-St. Anton auf der Schüttinsel in das dortige Franziskanerkloster gebracht. Der vom Staatsamt für kirchliche Angelegenheiten eingesetzte Leiter zeichnete sich durch besondere Brutalität, vor allem gegenüber alten und kranken Priestern, aus — er ließ sie in der Nacht aufwecken und im Hof antreten, verhinderte jede Pflege der Kranken, untersagte Besuche der Verwandten und ließ es auch nicht zu, daß die Bevölkerung aus der Umgebung Lebensmittel ins Kloster brachte.

In Sastin wurde den Salesianern gleich am ersten Tag nach ihrer Ankunft eröffnet, daß die Ursache für diese Maßnahme die staatsfeindliche Tätigkeit sei, die im Prager Prozeß den Ordensgeistlichen nachgewiesen worden wäre. Ein Beauftragter des Staatsamtes für Kirchenfragen versprach jedem die Genehmigung zur Ausübung eines bürgerlichen Berufes, der seinen Austritt aus dem Orden erkläre, aber kein einziger Ordensmann gab diese Erklärung ab. Aus Sastin wurden die Salesianer am 24. April in neun Autobussen nach Pudlein gebracht, auch die Jesuiten kamen aus Jasov dorthin, später auch die Missionäre aus Neutra. Während des ersten Monats mußten sie hier zu zweit in einem Bett schlafen, wenn es gut ging, zu dritt in zwei Betten, doch durften sie nur die Nacht im Klostergebäude zubringen, tagsüber mußten sie sich im Hof aufhalten. Das Mitnehmen von Büchern, selbst des Breviers, war anfangs nicht gestattet. Besuche durften hier gleichfalls nicht empfangen werden, doch war es möglich, Post und Pakete ins Kloster gelangen zu lassen; allerdings unterlagen sie einer strengen Zensur. Der Besuch der Kirche war nur früh und abends gestattet, später stand die Kirche den ganzen Tag über offen. 550 Ordensmänner waren hier konzentriert, davon 150 Jesuiten (die von den übrigen abgesondert waren), 230 Salesianer, ferner Redemptoristen, Prämonstratenser und Minoriten. Am 22. Mai wurden 80 junge, im Durchschnitt zwanzigjährige Ordensleute zur „politischen Umschulung“ in das Redemptoristenkloster in Kostolna bei Trentschin gebracht, von wo sie nach einem Monat zum Bau der „Talsperre der Jugend“ nach Puchov im Waagtal kamen. Eine weitere Gruppe von 59 jungen Ordensleuten wurde am 28. Juni von Pudlein nach Kostolna und später gleichfalls zum Talsperrenbau gebracht.

Die jungen Ordensmitglieder verhielten sich beim Bau der Talsperre sehr tapfer; unterlagen hier weder dem sittenlosen Einfluß der Umwelt noch dem Druck des 18jährigen kommunistischen Lagerkommandanten Koval (früher Kohn); mutig erkämpften sie sich das Recht zur Teilnahme am Sonntagsgottesdienst.

In Kostolna — also während der politischen Umschulung — war das Bemühen der kommunistischen Schulungsleiter, den jungen Ordensnachwuchs für sich zu gewinnen, besonders deutlich. Man gestattete nicht nur Verwandtenbesuche, sondern auch Beurlaubungen für zwei bis drei Tage nach Hause. Die Schulungsvorträge umfaßten Geschichte der Tschechoslowakei, Fünfiahresplan, Verfassung der

Tschechoslowakei und der UdSSR, Kampf für den Frieden, Volkswirtschaft, Volksdemokratie, Tschechoslowakei und Rußland, Staat und Kirche usw.

Die leerstehenden Klöster wurden in Amtsgebäude, Polizeikasernen, ' Lehrstätten für die kommunistische Umschulung, Erholungsheime für die kommunistische Jugend usw. verwandelt. Das Salesianerkloster in Preßburg wurde zum Sitz der Zentrale des Sokol in der Slowakei, die Klosterbücherei wurde im Hof ostentativ verbrannt. Nach der Liquidierung der Männerorden schritt man in den letzten Augusttagen auch an die Aufhebung der Frauenklöster. Operations-, Laboratoriumsschwestern usw. wollte man ausnehmen und versprach ihnen, wenn sie ihre Beschäftigung weiterhin als Zivilberuf ausüben wollten, sehr gute Gehälter. Keine einzige Ordensschwester ging auf diesen Vorschlag ein und folgte lieber ihren Mitschwestern ins Konzentrationskloster.

Aber auch der Weltklerus wird in den letzten Tagen bereits in Konzentrationslager gebracht: In Mocenok bei Neutra müssen die hier bereits konzentrierten Priester Unterkünfte für weitere 100 Priester vorbereiten, außerdem werden sie für Arbeiten in der Landwirtschaft, im Baugewerbe usw. eingesetzt.

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