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Der Prager Klostersturm dauert an

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Als nach viertägigem Prozeß am Mittwoch in der Karwoche das Prager Staatsgericht sein Urteil fällte, führte der Senatsvorsitzende in seiner Urteilsbegründung aus, daß der Prozeß nicht nur wegen der zehn angeklagten Ordensgeistlichen geführt worden sei, Gegen-

\ stand sei vielmehr die staatsfeindliche Tätigkeit der Orden und Kongregationen

' überhaupt gewesen. Jesuiten, Prämon-stratenser, Redemptoristen, Dominikaner und Franziskaner stünden diesmal vor Gericht — aber schon hält die Presse auch den übrigen Orden ihr „Sündenregister“ vor: den Salesianern, aus deren Reihen der neue tschechische Bischof von Leitmeritz hervorging, wird vorgeworfen, daß ihr Ziel die Errichtung eines faschistischen Staates gewesen sei, von dem Orden wird in diesem Zusammenhang nur als einer „staatsfeindlichen Gruppe“ gesprochen. Einzelnen Mitgliedern wird die Verbreitung von illegalen Drucksachen, wie man die Hirtenbriefe der tschechischen und slowakischen Bischöfe bezeichnet, und von Photographien des „Kriegsverbrechers Josef Tiso“ vorgeworfen, und ausgerechnet ein Sale-sianer, Don Bosco, wird beschuldigt, die Jugend in einem „arbeiterklassenfeindliehen Sinne“ zu erziehen. Nicht minder verdächtig in den Augen der Prager Machthaber sind die Augustiner-Eremiten in Rotschow, die Barmherzigen Brüder in Brünn und die slowakischen Lazaristen und Basilianer, unter den Benediktinern vor allem die des Stiftes Braunau in Ostböhmen: 1946 hatten tschechische Benediktiner aus den Vereinigten Staaten, aus Lisle bei Chikaga, das Kloster übernommen, nunmehr mußten sie als „Ausländer“ ebenso abziehen wie vier Jahre zuvor die deutschen Mönche.

Selbstverständlich finden in einem volksdemokratischen Staat auch die Urteile der Staatsgerichte größten Widerhall und „laute Zustimmung in den Kreisen des Volkes“, wenigstens weiß die Presse ausführlich darüber zu berichten. Warum diese „akademischen“ Kundgebungen?

Auch diese Frage beantworten die „Leserzuschriften“ im „Rüde Pravo“ mit ihren immer wiederkehrenden Hinweisen auf die unausgenützten geräumigen Klostergebäude. Da bewohnen in König-grätz 6 Jesuiten 16 Räume, den 23 Prä-mönstratensern des Stiftes Strahov in Prag stehen gar 70 Räume zur Verfügung, 16 Räume werden anderswo von nur 3 Redemptoristen, 22 Räume voa 4 Franziskanern bewohnt, am ärgsten treibt es der „sogenannte“ Deutsche Ritterorden. 30 Räume für eine einzige Person — denn man vergaß hinzuzufügen, daß man die übrigen vertrieben oder verhaftet hatte.

Da kann es nicht wundernehmen,, daß diese Raumverschwendung allerlei Gefahr in sich birgt: „Die unausgenützten Klostergebäude werden von den Agenten des Vatikans in Waffenlager verwandelt, staatsfeindliche Verschwörer werden hier versteckt, die Niederlassungen der Orden werden als „Zentralen staatsfeindlicher Tätigkeit“ oder „Stützpunkte für Bandera-Truppen“ bezeichnet. Die Anhäufung dieser für die Sicherheit des1 Staates so gefährlicher Tatbestände lassen die einzig mögliche Schlußfolgerung für unabwendbar erscheinen, nämlich die schleunigste Schließung und Aufhebung aller Klöster des Landes.

Und in der Tat hört man aus der Tschechoslowakei die ersten Nachrichten über die durch Staatsorgane durchgeführte „Konzentration“ der Ordensgeistlichen in einigen wenigen Klöstern. Die freiwerdenden Gebäude sollen sozialen und sanitären Zwecken zugute kommen und großenteils der „katholischen Caritas“ übergeben werden, die in der Tschechoslowakei bekanntlich ebensowenig katholisch ist wie die Katholische Aktion“.

Nicht zum erstenmal in Böhmens Geschichte stehen die Klöster im Mittelpunkt schwerster Angriffe. Heute wendet sich der Haß der jetzigen Machthaber gegen sie nicht anders als vor einem halben Jahrtausend die Wut der Hus-siten.

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