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EIN HOFFNUNGSSCHIMMER

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Inmitten alles Waffenlärms, aller Aengste, allen Hasses, die in diesen Tagen die Länder der Welt überschwemmen, ist in einem kleinen Winkel des Globus eine Tat des Friedens geschehen, die nicht übersehen werden soll: Das norwegische Parlament hat das „Jesuitengesetz“, nach dem allen Jesuiten der Aufenthalt und jede Tätigkeit in Norwegen verboten war, aufgehoben.

Bemerkenswert ist nicht nur diese Aufhebung an sich, bemerkenswert ist, wer die Aufhebung herbeiführte. Das „Jesuitengesetz“ Norwegens war mehr als 140 Jahre alt. Die Verfassung von 1814 bestimmte ausdrücklich, daß Juden, Jesuiten und „andere mönchische Gemeinschaften“ sich nicht im Lande aufhalten dürften. 18 51 fiel das Verbot für die Juden, 1897 für die „anderen mönchischen Gemeinschaften“ und nur das Verbot für Jesuiten blieb bestehen Seit 1923 gab es immer wieder Versuche, diesen Paragraphen, der eine Kollektivverurteilung darstellte, aufzuheben, aber niemals war es zu der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Parlament gekommen. Erst nach dem Ende des zweiten Weltkrieges kam die Debatte über das Gesetz neuerlich in Fluß, als Norwegen die europäische Konvention für Menschenrechte unterzeichnete, die ausdrücklich jede Religionsfreiheit proklamiert und jede Ausnahmegesetzgebung ablehnt. Wollte Norwegen mit dieser Konvention Ernst machen, mußte es den genannten Paragraphen abschaffen. Interessant ist nun, wer für die Abschaffung und wer für die Beibehaltung eintrat.

Für die Abschaffung waren — die Sozia-1 i s t e n, die Liberalen und die F r e i-sinnigen. Für die Abschaffung waren von neun lutherischen Landesbischöfen sieben und nur zwei dagegen, für die Abschaffung erklärten sich auf der protestantisch-theologischen Fakultät drei von vier Stimmen. Dagegen waren die Konservativen und ein kleiner pietistischer Teil der Protestanten.

Der Kampf um die Aufhebung hat Jahre gedauert, bis er jetzt endlich durch die Erlangung der Zweidrittelmehrheit im Storfing — dem norwegischen Parlament — gewonnen werden konnte. In der Zwischenzeit gab es noch manch böse Entgleisung. So, als der dänische Jesuit Roos, der als Skandinavier jederzeit ohne Paß nach Norwegen einreisen dürfte, zu einem Vortrag eingeladen wurde und keine Einreiseerlaubnis erhielt. Oder, als der gleiche Jesuit einige Zeit später wieder zu einem Vortrag eingeladen wurde und die Einreiseerlaubnis nur erhielt unter der Bedingung, daß er keinerlei Propaganda für die „jesuitische Lehre“ mache und sich außerdem bei der Ein- und Ausreise polizeilich melde. Als diese Bedingungen öffentlich bekannt wurden, erregten sie einen derartigen Sturm, daß der verantwortliche Minister abtreten mußte.

Eine Ungerechtigkeit weniger ist nun in der Welt durch die Aufhebung dieses Jesuitengesetzes. Sie war in diesem Fall besonders hart und ungerecht, da der Jesuitenorden ja im Laufe seiner Geschichte nicht nur die Rechte der Kirche, sondern auch die Rechte der Menschen verteidigte. Seit seiner Gründung lag der Orden im Kampf gegen Terror und Staatsallmacht. Er bekämpfte die Hexenverbrennung ebenso wie die elende Behandlung der Negersklaven in Nordamerika oder die Ausbeutung der Indianer in Südamerika. Ohne sein Eintreten für die Volkssouveränität im 16. und 17. Jahrhundert wäre die Geschichte der modernen Demokratie undenkbar. Hingewiesen sei auch auf das Eintreten amerikanischer und deutscher Jesuiten für die Protestanten in Spanien.

Vielleicht war es das Wissen um diese geschichtliche Rolle des Ordens für die Rechte der

Menscnen, die die norwegischen Sozialisten und Liberalen mitbestimmten, für die Aufhebung des Gesetzes einzutreten.

Noch gibt es ähnliche Jesuitengesetze in der Welt, wie es in Norwegen bis jetzt bestand, so in der Schweiz und in Finnland. Noch gibt es viele Ungerechtigkeiten in der Welt. Die Aufhebung dieses alten Gesetzes in Norwegen gibt zu Hoffnungen Anlaß, daß die Frage der Gerechtigkeit in unserer Zeit noch nicht abgeschrieben ist.

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