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Kampf gegen „Atommühlen”

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„Leben oder Tod”. Darum geht es beim Widerstand gegen den Atommeiler Mochovce, sagen Umweltministerin und Kronenzeitung.

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„Leben oder Tod”. Darum geht es beim Widerstand gegen den Atommeiler Mochovce, sagen Umweltministerin und Kronenzeitung.

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Ginge es nach der „Kronenzeitung”, müßte bereits ganz Österreich im Mochovce-Taumel liegen. Seit Wochen macht das Blatt gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation „Global 2000” massiv gegen das rund 180 Kilometer von der Bundeshauptstadt Wien entfernte slowakische Kernkraftwerk mobil. Herausgeber Hans Dichand alias Cato selbst wetterte in einer Glosse gegen „Das Monster von Mochovce' . Das mediale Muskelspiel des Kleinformates wird mit entsprechenden Schreckensszenarien untermalt: vom „Atom-Wahnsinn” ist die Bede, von der „tödlichen Bedrohung” durch den „strahlenden Steinzeitmeiler”. Dazu kommen Vorwürfe an die „menschenverachtende Atomlobby”, die Propagandalügen verbreite und mit Tricks und falschen Daten arbeite, um Kredite für ihr „schmutziges Geschäft” - Fertigbau und Inbetriebnahme des Kraftwerkes - zu bekommen. Deren Frechheit, so das Blatt, „schlägt alles bisher Dagewesene”.

Inzwischen kann die „Krone” bereits einen Erfolg verbuchen. Ihr Druck hat die Bundesregierung gewaltig auf Trab gebracht, die es bis dahin bei freundlichen Worten hatte bewenden lassen. Umweltministerin Maria Bauch-Kallat ist jetzt wild entschlossen zu kämpfen („Es geht um Leben und Tod'^. Bundeskanzler Franz Vranitzky zeigte sich bei der SPÖ-Klausur in Ampfelwang ebenso wild entschlossen. Greenpeace-Aktivisten hingegen erinnern sich noch daran, wie sie vor einigen Monaten bei Protestaktionen gegen Mochovce vor dem Bundeskanzleramt von einer Beihe von Regierangsmitgliedern (einschleßlich der Umweltministerin) „nicht einmal ignoriert” worden waren...

Jetzt wurde jedenfalls Mobilmachung proklamiert, und sei es für einen Kampf gegen Windmühlen. Denn nichts anderes bedeutet das Ziel der Bundesregierung eines „kernenergiefreien Mitteleuropa”. Denn weder das vereinigte Deutschland ist bereit, uns diesen Wunsch zu erfüllen und auf Kernkraft zu verzichten, noch Tschechien (siehe Interview Seite 10) oder die Slowakei.

Und so läuft das Medienspektakel, und „Krone” und „Global 2000” vermelden bereits 250.000 Protest-Unterschriften an die Londoner Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). Von ihr erhoffen sich die Mochovce-Bauherren, eine slowakisch/französiche/deutsche Gesellschaft, immer noch einen Kredit von rund drei Milliarden Schilling. Den Best der noch benötigten veranschlagten sechs Milliarden sollen die Europäische Investitions-Bank der EG sowie beteiligte Firmen und französische und deutsche Exportkreditorganisationen beisteuern.

Die EBRD wird ihre Entscheidung im März fällen. Unbekannt ist, ob die Londoner Banker über die dicke Post aus Osterreich - und nach dem Besuch von Umweltministerin Rauch-Kallat - beeindruckt zusammengezuckt sind oder nicht. Ob ihre Regierangen nun Mochovce mitfinanzieren werden oder nicht. Bis 17. Februar 1995 läuft jedenfalls noch jenes Bürgerbeteiligungsverfahren, an das die Bank ihre Kreditzusage geknüpft hat. Zu diesem Zweck wurde ein umfangreiches Paket von Projektunterlagen über das Kernkraftwerk zur öffentlichen Erörterung aufgelegt.

Die österreichischen Begutachter zeigten sich allerdings nicht zufrieden über die Aussagekraft der Unterlagen. Zu viele Fragen bleiben nach der Lektüre dieses Sicherheits-, Wirtschaftlichkeits- und Umweltverträglichkeitsberichtes offen, heißt es. Hervorgehoben wurde der Verzicht auf eine Betonhülle, um den sensiblen Teil des Reaktors zu schützen. Außerdem fehlen Maßnahmen für den Fall, daß die Anlage außer Kontrolle gerät. Und überhaupt sei noch völlig unbekannt, wie ein Reaktor sowjetischer Bauert der frühen achtziger Jahre, mit westlichen Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet, wirklich funktionieren wird ... Kurzum: die Bank dürfe eigentlich dem Kredit nicht zustimmen, so die österreichischen Kritiker.

Die Bürger selbst haben es erst recht nicht leicht, sich ein objektives Bild über das umstrittende Projekt zu machen. Umweltschutzorganisationen und -ministerium versorgen sie zwar reichlich mit Informationsmaterial. Aber es ist nicht einmal nach eingehender Lektüre der Unterlagen möglich, klarer zu sehen. Die einen Autoren, die Schwarzseher, sind nicht objektiv, weil sie sowieso „dagegen” sind. Und von den anderen ist auch klar, daß sie nur „Bosafär-ber” sind. Sie wollen ein Geschäft mit der Kernenergie machen, und daher sind sie „dafür”.

Daß aus der Möglichkeit, Bedenken auch mündlich bei einem großen Hearing demnächst im Wiener Austria Center vorzubringen, wohl doch nichts wird, ist so gesellen nicht schade. Es ist verständlich, daß es die Mochovce-Betreiber ablehnen, in einem so großen Forum zu diskutieren und statt dessen eine Fernseh-diskussion entweder mit Bürgern oder mit Experten verlangen. Denn es war von vornherein klar, daß bei einem emotionsgeladenen Hearing nur ein kommunikatives Kuddelmuddel herauskommen kann und weniger eine objektive Darstellung, die den jeweiligen „Gegner” vielleicht zu überzeugen vermag.

Derzeit steht in der ganzen Diskussion und auch im Informationsmaterial oft nur Aussage gegen Aussage, Vermutung gegen Vermutung. Die Gefahr von Mochovce wurde nicht anhand eines nachvollziehbaren Für und Wider dargelegt, und schon gar nicht gibt es Aufklärung, was man (als einzelner Staatsbürger) denn nun tatsächlich gegen die Risiken der Atomkraft tun kann. Natürlich gibt es jetzt die Aufrufe, zu handeln. Aber wenn eine Chance auf Verwirklichung bestehen soll, dann sollten es keine Pseudoaktivitäten oder bloße Aktionen zur Gewissensberuhigung sein. Vielleicht erleichtert der Beitrag auf Seite 11 eine solche Urteilsbildung, damit der derzeit aussichtslos scheinende Kampf gegen die „Atommühlen” doch etwas bewirken kann.

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