6741125-1966_42_03.jpg
Digital In Arbeit

Vitrine XIII und die Kronjuwelen

Werbung
Werbung
Werbung

Vor kurzem ist im Verlag Zsolnay aus der Feder eines geheimnisvollen „Herausgebers“ unter dem Titel „Vitrine XIII. Geschichte und Schicksal der österreichischen Kronjuwelen“ ein Buch mit den angeblichen Erinnerungen des Juwelenhändlers Alphonse de Sondheimer erschienen, der von Kaiser Karl während des Schweizer Exils in den Jahren 1919 bis 1921 einen Teil des habsburgischen Schmuckes kaufte. Der Titel des Buches leitet sich von der Vitrine XIII in der alten Kaiserlichen Schatzkammer in Wien ab; in ihr war der große Teil des Schmuckes gezeigt worden, den das Kaiserhaus sein eigen nannte. Die Vitrine stand dort, wo heute in der Geistlichen Schatzkammer das Bergkristallkruzifix Kat. Nr. 41 gezeigt wird.

Daß der Schmuck im Jahre 1918 kurz vor dem Zusammenbruch der Monarchie in die Schweiz gebracht und dort verkauft wurde, ist allgemein bekannt und auch in den Führern und Büchern über die Schatzkammer zu lesen. Bekannt ist dabei auch die merkwürdige Rolle des Vertrauensmannes Kaiser Karls, Bruno Steiner, dem der Kaiser im Exil noch die Baronie verliehen haben soll. Man kann sich also aus den Memoiren von Sondheimer eigentlich nur noch Aufklärung über Details des Verkaufes und Hinweise auf das weitere Schicksal der kaiserlichen Juwelen erwarten, zu denen immerhin eine Reihe berühmter Steine und Garnituren zählte. Aus den Erinnerungen Sondheimers erfährt man einiges über den Verkauf von jenem Teil des Schmuckes, der durch seine Hände ging. Alle diese Schmuckstücke wurden zerstört, nur die Edelsteine wurden verkauft, da die Herkunft der Juwelen tunlichst verschwiegen werden sollte.

Aus eins mach drei

Die interessantesten Stücke sind nicht mehr durch Sondheimer verkauft worden. Auf eine recht merkwürdige Art wurde er kurz nach der Überführung der kaiserlichen Familie nach Madeira von Steiner und den Juwelenhändlern Joseph und Jacques Bienenfeld kaltgestellt. Sie erwarben den Restbestand der Juwelen — darunter auch den berühmten Florentiner und die Brillantenkrone der Kaiserin. Man kann den Memoiren Sondheimers entnehmen, daß aus dem Florentiner drei kleinere Steine gemacht und offenbar auch die Steine der Brillantenkrone einzeln verwertet wurden. Sondheimer illustrierte seinen Bericht mit einigen Skizzen, darunter eine über die Art der Teilung des Florentiners. Daher scheint Sondheimer doch auch nach seinem Ausscheiden aus dem Geschäft soweit Tuchfühlung gehabt zu haben, daß er sich immerhin über die Zerlegung des kostbaren Steines diese Angaben verschaffen konnte.

Die Aufzeichnungen tragen das Datum „London, den 1. März 1938“, sind also kurz vor jenen Gewalt taten Hitlers abgefaßt, die das Inferno des zweiten Weltkrieges einleiteten.

Die Nachricht von der Verschiebung einer Krone in die Schweiz, aus der dann die Steine gebrochen wurden, wird auf die österreichische Kaiserkrone, also die 1602 über Auftrag Kaiser Rudolphs II. in Prag angefertigte Krone (Katalog der Schatzkammer Nr. 55), bezogen. Sie sei dann irgendwann und irgendwie wieder nach Wien zurückgebracht worden, „ob aber noch mit den tafelförmig geschliffenen Diamanten des eigentlichen Kronreifs oder, derselben bereits beraubt, mit Imitationen aus Amethyst oder Bergai, könnten nur noch Fachleute aus dem Anlaß einer genauen Überprüfung der inzwischen wieder zur Schau gestellten Krone feststellen“. (Seite 18. Einleitung des Herausgebers.) Mit „Bergai“ ist wohl Beryll gemeint. Daß eine solche Nachricht wohl geeignet ist, Unruhe und Besorgnis in der Öffentlichkeit hervorzurufen, ist verständlich.

perlentropfen, die auf der Seite und der Mitte das Ende bildeten.“ Dann spricht er davon, wie er sich für die Rettung der Krone eingesetzt habe

— „eine Kaiserkrone ist nun mal eine Kaiserkrone“ — und offenbar den Vorschlag machte, an die Stelle der zehn großen Brillanten Amethyste zu geben. Um die außerordentlich primitive Beschreibung einigermaßen zu präzisieren, folgt der Satz: „Die Krone ist nicht zu verwechseln mit der Stephanskrone, die nach wie vor in Budapest liegt, oder mit der Kaiserkrone aus purem Golde, die zum Reichsapfel und den beiden Zeptern gehört. Diese Sachen sind alle noch in Wien.“ Mit der „Kaiserkrone aus purem Golde“ ist die Reichskrone gemeint. Dieser Satz veranlaßt aber den Herausgeber zu folgender Anmerkung (Seite 112, Anmerkung 1): „Woraus klar hervorgeht, daß die Krone, die Sondheimer gesehen hat, nicht die sogenannte Krone Karls des Großen oder die der Kaiserin, sondern wirklich die Krone Rudolphs II. gewesen sein muß, die österreichische Kaiserkrone selbst. Allerdings enthielt sie nicht zehn, sondern bloß acht Brillanten; und ob die gegen Amethyste ausgetauscht worden sind, mag jeder, der die Krone sieht, welche am Ende dann doch wieder nach Wien hatte zurückgebracht werden müssen, selbst entscheiden ...“

Nun, die österreichische Kaiserkrone enthält weder zehn noch acht Brillanten, sondern nur acht Tafelsteine, die ob ihrer Unreinheit und ihres Schliffes niemals für einen modernen Juwelenhändler von allzu großer Anziehungskraft wären. Der Herausgeber bleibt aber trotz der Widersprüche in Sondheimers Darstellung, auf die er selbst hinweist, bei seiner Behauptung, obwohl er sich ganz simpel zunächst mit den Tatsachen auseinandersetzen müßte, daß die Brillantenkrone der Kaiserin nicht mehr vorhanden ist, wohl aber die Krone Kaiser Rudolphs II. Keine Notiz ist zu finden, die einen Anhaltspunkt gäbe für ihre Verbringung ins und ihre Rückbringung aus dem Ausland. Auch Professor Arpard Wei'xlgärtner, der sich schon vor 1918 sehr mit der Schatzkammer beschäftigte und sie nachher durch zwei Jahrzehnte verwaltete, wußte niemals etwas in diesem Sinne zu berichten, obwohl ich mich oft mit ihm über die Schatzkammer und ihre Schicksale unterhalten konnte.

Das Naheliegende, daß nämlich Sondheimer damals die Brillantenkrone der Kaiserin sah, hat der Herausgeber übersehen. Allerdings schreibt er schon in seiner Einleitung auf Seite 20 zu dieser Krone: „Sie ist auch mehr oder weniger das einzige Stück des Juwelenschatzes geblieben, das bisher nicht verkauft wurde, wahrscheinlich weil sie zum allfälligen weiteren Gebrauch für die Trägerin jederzeit zur Hand bleiben sollte“ — womit wieder einmal das Schreckgespenst einer Monarchie heraufbeschworen wird.

Nun, Tatsache ist, daß die Krone Rudolphs II. in der Wiener Schatzkammer lag und liegt. Aus der katastrophalen Unkenntnis Sondheimers, der offenbar überhaupt nur von zwei Kronen wußte und bei der Beschreibung der Schatzkammer nur die Reichskrone neben der in die Schweiz gebrachten aufzuzählen weiß, solche Folgerungen zu ziehen, ist grotesk. Mit geringer Mühe hätte der Herausgeber, der wohl zu Recht seinen Namen verschweigt und an seine Stelle drei Sterne setzt, im Kunsthistorischen Museum in Wien die Sache aufklären können. Wahrscheinlich hätte ihn auch ein Blick in Weixlgärtners „Geschichte im Widerschein der Reichskleinodien“, Baden bei Wien — Leipzig 1938, wo auf Seite 88 vom Verkauf des

Schmuckes und von der Krone, die Baron Steiner bei einem nächtlichen Gelage getragen haben soll, die Rede ist, lauf die richtige Lösung der Frage gebracht.

Was die Herausgabe der Sond- heimerschen Aufzeichnungen betrifft, so hätten sie kaum laienhafter erfolgen können: Es fehlen präzise Angaben über das Aussehen des Manuskriptes, über die Seitenzahlen, die Größe („Folio“ allein genügt nicht), es fehlt die Wiedergabe der Zeichnungen oder zumindest deren Katalog. Es fehlt vor allem jede Angabe der Provenienz des Manuskriptes. Der Herausgeber hatte eine Durchschrift zur Hand; ob deren weitere existieren, weiß er nicht. Ebenso ist ihm das Original nicht bekannt. Das ihm vorliegende Manuskript ist in einen erdbeerfarbenen Umschlag gebunden (welches Material?), auf ihn ist die österreichische Kaiserkrone gezeichnet (mit Bleistift oder welchem anderen Material?). Da das Buch immerhin mit zwölf Bildern illustriert ist, darunter auch das Gesetzblatt vom 17. Februar 1918, betreffend das Verbot der Ausfuhr von Pretiosen, hätte man eigentlich auch den Umschlag und zumindest eine charakteristische Seite der Sond- heimerschen Aufzeichnungen, tunlichst eine mit Textkorrekturen, abbilden können. Man hätte natürlich auch gerne die Skizzen Sondheimers, vor allem die der Zerlegung des Florentiners, eines der größten Diamanten der Welt, gesehen. Sie wären wohl auch in Strichätzung an der richtigen Stelle des Textes reproduzierbar gewesen. Der Kommentar ist völlig unzureichend.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung