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Werden unsere Religionslehrer „ausgebeutet“?

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Zu den Pressevorwürfen über die Besoldung des österreichischen Klerus

In einzelnen österreichischen Presseorganen wird seit einiger Zeit gegen die katholische Kirche in Österreich der Vorwurf erhoben, sie versuche den niederen Klerus „auszubeuten“. Ein Vorwurf, der seinen Niederschlag auch in einer Anfrage einiger Abgeordneten an den Unterrichtsminister im Parlament fand. Der Ausgangspunkt dieses Vorwurfes ist die Bezahlung der Katecheten. Im Jahre 1949 wurde nach längeren Verhandlungen ein Gesetz beschlossen, nach dem in Hinkunft die Katecheten für die geleisteten Schulstunden einen entsprechenden Gehalt beziehen sollten, der vom Staat direkt an sie zu entrichten sei. Dies wickelt sich seither auch so ab. Der Vorwurf, der gegen die katholische Kirche erhoben wird, besagt nun, daß jene Geistlichen, die als Katecheten vom Staat einen Gehalt beziehen, dadurch benachteiligt werden, daß ihnen vom Bischof der aus den Kirchenbeiträgen ausgeschüttete Gehalt wesentlich verkürzt wird, daß diese Geistlichen mit einem Wort von der kirchlichen Leitung geschädigt, ja ausgenützt und „ausgebeutet“ würden. Ein Vorwurf, der schwer wiegt, den aber nur jemand erheben kann, der die Bestimmungen des kanonischen Rechts nicht genau kennt.

Denn das kanonische Recht bestimmt in Nr. 7 des Kanons 974, § 1, bei den Bedingungen für den erlaubten Empfang der höheren Weihen durch den Kandidaten, daß vor der Weihe auch der Nachweis eines sogenannten „Weihetitels“ erbracht werden muß. Unter einem „Weihetitel “ versteht man die Sicherstellung des Lebensunterhaltes eines Klerikers, Einkünfte, die für seinen standesgemäßen Unterhalt ausreichen müssen. Wer keinen „Weihetitel“ besitzt, soll niemals geweiht werden. Das kanonische Recht zählt selbst alle jene Titel auf, die als Grundlage für standesgemäße Versorgung des Klerikers gelten können. Da ist zum Beispiel der Nachweis eigenen Vermögens, der sogenannte „titulus patri-monii“, oder der Nachweis, im Besitz einer Rente oder Pension von Seiten des Staates, der Gemeinde oder einer sonstigen Institution zu sein: der sogenannte „titulus pensionis“. Ordensgeistliche wieder werden auf den Titel der Armut oder des gemeinsamen Tisches geweiht, das heißt, der Orden oder die Kongregation verpflichtet sich, für den Lebensunterhalt des Ordensangehörigen zu sorgen. In früheren Zeiten spielte der „titulus beneficii“ eine große Rolle, das heißt, der Weihekandidat konnte nachweisen, daß er ein Kirchenamt, mit dem ein bestimmtes Einkommen verbunden war, erhalten werde. Neben diesen Titeln zählt das kanonische Recht noch zwei weitere auf, die für Weltkleriker von der größten Bedeutung sind: denn eine Pension oder Rente werden nur wenige haben, die die höheren Weihen empfangen wollen, eigenes Vermögen noch weniger, und der „titulus beneficii“ spielt nur mehr bei Bischofsweihen eine Rolle; die meisten Weltkleriker werden sich deshalb auf den „titulus servitii diocesis vel missionis“ weihen lassen. Das heißt, sie verpflichten sich, ihr Leben dem Dienst in der Diözese oder in der Mission zu weihen. Wer auf den „titulus servitii diocesis“, — nur dieser Titel hat für unser Land Bedeutung — geweiht ist, der hat das Recht, daß der Bischof für seinen Unterhalt sorgt. Denn der Kanon 981, Nr. 2, legt dem Bischof die schwere Pflicht auf, dem ihm unterstellten Klerus ein standesgemäßes Leben zu gewährleisten. Er muß wie ein Vater für seine Kinder oder wie ein Hirte für seine Herde sorgen. Nicht nur geistig, sondern auch materiell. Was in der Regel dadurch geschieht, daß er ihm ein bestimmtes Gehalt auszahlt.

Jeder Weltkleriker muß auch einem Bischof unterstehen. Einen „clericus vagus“, einen Weltkleriker, der keinem Diöze-sanverband angehört, gibt es nicht, Innerhalb des kirchlichen Bereichs ist eine „Staatenlosigkeit“ unmöglich. Dies nicht vielleicht aus dem oben angeführten materiellen Grund, sondern in erster Linie aus einem andern: der Bischof ist es, der den Kleriker in die Welt sendet, damit er das Evangelium verkünde und die Sakramente spende. Die Sendung ist das Los des Priesters. Ohne sie vermag er sein Amt erlaubterweise nicht auszu-

üben. Ohne diese „missio“ von seiten des Bischofs darf er nicht predigen, nicht Unterricht erteilen, sein Amt nicht ausüben. Mag der Staat von sich aus ihn noch so oft anstellen, ihm einen Gehalt zusichern — ohne bischöfliche „missio“ ist auch alle Arbeit unerlaubt.

Einen „clericus vagus“ gibt es nicht, da jeder Priester nur im ausdrücklichen Auftrag seines Obern wirken darf. Da aber jeder Priester eine „Staatsbürgerschaft“ besitzt, wird ihm auch immer sein Lebensunterhalt garantiert sein: dem Ordenspriester durch seinen Orden, dem Weltpriester durch seinen Bischof.

Seit der NS-Zeit hat sich eine gewisse Wandlung in der Unterhaltspflicht von Seiten des Bischofs in Österreich ergeben. Bis zum Jahre 1938 garantierte der Staat dem Geistlichen ein Mindesteinkommen und gab, wenn dieses nicht erreicht war, Zuschüsse. Nicht vielleicht von sich aus, sondern auf Grund des seinerzeit zum Religionsfonds zusammengefaßten aufgehobenen Kirchenvermögens. Das NS-Regime hob, in der Hoffnung, damit die katholische Kirche in Österreich zu treffen, diese Zuschüsse auf und verpflichtete die Gläubigen, durch Zahlung von Kirchenbeiträgen, selbst für den Unterhalt der Kirche zu sorgen. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes blieb das System der Kirchenbeiträge und die österreichischen Geistlichen wurden daraus erhalten.

.Seit dem Gesetz vom Jahre 1949 erhält nun ein Teil des österreichischen Klerus, jene, die Unterricht in den Schulen geben, dafür vom Staat einen Gehalt. Das Einkommen dieser Katecheten durch Empfang dieses Gehaltes ist aber meist so, daß es zu einem standesgemäßen Leben nicht ausreicht. Weshalb allen diesen Priestern aus Mitteln der Kirchenbeiträge noch soviel hinzugegeben wird, wie ihnen zu ihrem standesgemäßen Einkommen fehlt. Dem Priester, der in Österreich als Katechet ein staatliches Gehalt empfängt, wird deshalb von seiten der Diözesanleitung nichts weggenommen, sondern, weil dieser Gehalt zu gering ist, noch vom Bischof etwas dazugegeben. Von Ubervorteilen ist keine Rede, von „Ausbeuten“ schon gar nicht.

Eine der bedauerlichsten Erscheinungen im Kirchenkampf der Volksdemokratien ist der Versuch, einen Keil zwischen niederen und höheren Klerus zu treiben, unter dem Prätext, daß der letztere den ersteren ausbeute. Noch bedauerlicher ist es, daß solche Versuche auch manchmal in Österreich auftauchen, wohl nicht so sehr aus bösem Willen, dies ist zu hoffen, wie aus Nichtkenntnis der Sachlage.

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