reklame - © Foto: iStock/ MarioGuti

Aus für die Reklame?

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Die Kritik an der urbanen Werbeflut nimmt zu. Sogar Verbote werden gefordert, um Manipulation zurückzudrängen. Doch wer hat dann das Sagen im öffentlichen Raum? Ein Essay

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Die Kritik an der urbanen Werbeflut nimmt zu. Sogar Verbote werden gefordert, um Manipulation zurückzudrängen. Doch wer hat dann das Sagen im öffentlichen Raum? Ein Essay

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Im Jänner sorgten Aktivisten der Gruppe „Brandalism“ mit einer spektakulären Guerilla-Aktion für Aufsehen: In mehreren europäischen Städten überklebten sie Werbeplakate von Autobauern mit satirischen Motiven. Eine BMW-Werbung wandelten sie zu einem Comic ab, wo ein Mann in Strapsen und roten Stöckelschuhen in aufreizender Pose auf einem SUV sitzt und für einen „heißeren Planeten“ wirbt. Das Logo von Toyota musste indes für den – wenig schmeichelhaften – Slogan „Let’s ruin everything“ („Lasst uns alles ruinieren“) herhalten.

Die Guerillakünstler hatten bereits im vergangenen Jahr zusammen mit Umweltaktivisten von „Extinction Rebellion“ in mehreren Städten Außenwerbung von Fluggesellschaften gekapert. Passanten konnten dort unter anderem ein Satireplakat der zu „Ruinair“ umbenannten Billigfluglinie Ryanair bestaunen, die mit Gasmaske tragenden, salutierenden Flugbegleiterinnen für „Günstige Tarife auf die Plastikinsel“ warb. Mit der Aktion wollten die Guerillakünstler gegen die – aus ihrer Sicht – Greenwashing-Kampagnen von Auto- und Luftfahrtkonzern protestieren und für ein Werbeverbot von „fossilen Anzeigen“ eintreten.

Visuelle Verschmutzung verhindern

Das Künstlerkollektiv „Brandalism“ versteht sich als Organisation, die der „visuellen Verschmutzung“ im öffentlichen Raum mit subversiver Kunst entgegentreten will. Natürlich ist das Überkleben von Plakaten genauso Sachbeschädigung wie das Besprühen von Hausfassaden. Doch verglichen mit der tumben und destruktiven Protestform der „Letzten Generation“, deren Vertreter Kartoffelsuppe auf Gemälde schütten und Klebstoff nicht anders einzusetzen wissen, als sich damit auf die Straße zu kleben, stellen die Werbeparodien ja auch einen schöpferischen Akt dar: Die Art und Weise, wie die Aktivisten die sexistischen Motive der Autowerbung zu Street-Art verarbeiten und ihre Konsumkritik in Comics verpacken, ist nicht bloß Protestkunst im engeren Sinn, sondern Kunst im weiten Sinne – eine Form von Satire, die mit feiner Ironie und Wortwitz daherkommt. So dichteten die Aktivisten den Lufthansa-Slogan „Say Yes to the World“ („Sag Ja zur Welt“) zum Claim „Say Yes to the End of the World“ („Sag Ja zum Ende der Welt“) um.

„Satire darf alles“, meinte schon Kurt Tucholsky, doch geht es hier nicht um die Frage, was Satire darf, sondern darum, wer welche Botschaften im öffentlichen Raum verbreiten darf. Wem gehört die Stadt? Den Bürgerinnen und Bürgern? Oder den Konzernen?

Das Mittel des Guerillamarketings ist nicht in der Kunstszene monopolisiert, im Gegenteil. So hat McDonald’s beim Zürifest 2010 gelbe Pommes im Stile eines Zebrastreifens auf die Straße gepinselt, garniert mit dem ikonischen „M“. Kitkat ließ in den USA eine braune Parkbank mit seinem Firmenlogo in roter Farbe und einer Abbruchlinie lackieren, sodass es von weitem so aussah, als sitze man auf einem abgebissenen Schokoriegel. Aus einem Stadtmöbel wurde eine Werbetafel. Diese Kaperung und damit einhergehende Privatisierung des öffentlichen Raums hinterlässt einen viel prägenderen Stempel als bloße Plakate.

Kunst als Kritik

Werbefreie Zonen in Städten zu finden, ist schwierig. Überall springen einen die aggressiven Kauf-mich-Botschaften an. Straßenbahnen, Busse und sogar Rolltreppen sind mit Reklame vollgekleistert, Stadion- und Haltestellennamen gesponsert, Sehenswürdigkeiten mit Touristen überfüllt, die als wandelnde Litfaßsäulen Werbung für sich in Social Media machen.

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