Hürdenlauf zur Karriere in der Wissenschaft

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Wissenschaftliche Karrieren sind kaum planbar. Es gibt mehr an wissenschaftlichem Nachwuchs, als an den Universitäten aufgenommen werden kann. Nun entwickeltn sich Alternativen, wie sich in Alpbach zeigte

Irgendetwas ist fast immer: Entweder es fehlen Posten oder Mittel oder der Ortswechsel ist nicht möglich. Wie die Karrieren wissenschaftlichen Nachwuchses verlaufen und gefördert werden können, war Gegenstand intensiver Debatten des Europäischen Forums Alpbach.

Das Berufsbild des Wissenschaftlers ist mit der Universität verbunden, wobei sich in Europa zunehmend das anglo-amerikanische Laufbahnmodell durchsetzt. In diesem folgt auf die Dissertation die mehrjährige Post-Doc-Phase mit befristeter Anstellung und Finanzierung durch Fördergelder. Nach Jahren als Assistenzprofessor ist es möglich, fest angestellter assoziierter und schließlich Universitäts-Professor zu werden. Das ist auch die in Österreich seit drei Jahren im Kollektivvertrag für Universitätspersonal verankerte Theorie. In der Praxis ist dieser Weg nur wenigen vorbehalten. Nicht, weil es zu wenig Bewerber gibt, sondern zu viele.

"Das Wissenschaftssystem produziert mehr Nachwuchs als es aufnehmen kann“, sagt Christoph Kratky, Präsident des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF). Daraus ergibt sich ein harter Wettbewerb der Wissenschaftler um Stellen und der Institutionen um Leute. Es ist eine symmetrische und komplexe Struktur, in der jede Seite zugleich Anbieter und Nachfragender ist.

Ein Post-Doc arbeitet nicht selten 60 bis 80 Stunden pro Woche, fürchtet allerdings die "Kettenvertragsregel“: Diese verlangt, dass Universitäten ihr Personal nach maximal sechs Jahren befristeter Verträge fix anstellen müssen. Die Folge: Universitäten trennen sich vor Fristablauf von den Post-Docs. Diese müssen sich dann anderswo umsehen, gegebenenfalls den Wohnort wechseln. Das Fazit: Junge Wissenschaftler können sich nicht darauf verlassen, dass gute Leistungen eine Fixanstellung sichern. Lebensplanung ist so unmöglich. "Junge Leute akzeptieren, dass nicht jeder eine Lebensstelle bekommen kann“, sagt Kratky. "Was sie nicht akzeptieren können, ist die Unsicherheit.“

Karenz unterbricht die Karriere

Oft entscheiden Glück oder Kontakte über die feste Anstellung. Auszeiten wegen der Familien sind wissenschaftlicher Karriere nicht förderlich. Das betrifft besonders Frauen, wobei Förderer wie der FWF Karenzzeiten bei der Beurteilung von Forscherbiografien anerkennen. Faktisch verliert man nach einigen Jahren außerhalb der Wissenschaft den Anschluss, besonders in dynamischen Disziplinen wie den Life Sciences. Irgendwann ist man zu alt für ein System, das Karrieresprünge innerhalb bestimmter Altersfenster vorsieht und die außerhalb der Wissenschaft erworbenen Kompetenzen kaum anerkennt.

Junge Forscher befassen sich frühzeitig mit alternativen Karrierewegen. Für Naturwissenschaftler liegen solche meist in der Privatwirtschaft. Der Lehrberuf beharrt auf seiner Ausbildungsschiene, was Quereinstiege erschwert. Noch härter haben es Geistes- und Sozialwissenschaftler: In der Wirtschaft bieten sich ihnen nur Betätigungsfelder außerhalb ihrer fachlichen Befähigung an. Das ist das Klischee des Taxi fahrenden Philosophen.

Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen erkennen jedoch zunehmend dieses Dilemma und positionieren sich mit strukturierten, transparenten Karrieremodellen auf dem Forschungsmarkt: Festanstellung unter definierten Bedingungen hebt sie von den Unis ab.

Neues Modell an der ÖAW

Das dreistufige Modell der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) beginnt mit einer auf bis zu vier Jahre befristeten Stelle als Doktorand. Ebenfalls maximal vier Jahre kann man als Post-Doc an der ÖAW arbeiten. Höchste Position ist der Senior Scientist, die eine positive Bewertung durch internationale Gutachter voraussetzt. Nach fünf Jahren als Senior Scientist und positiver Evaluierung der Forschungstätigkeit ist eine Fixanstellung möglich.

Profil durch Internationalität

Zwischen jeder Karrierestufe ist ein Auslandsaufenthalt oder Institutionswechsel vorgesehen, damit Wissenschaftler nicht zum "lebenden Inventar“ der Akademie werden. "Bei der Beurteilung spielen nicht nur wissenschaftliche Fähigkeiten, sondern auch Soft Skills eine Rolle“, betont ÖAW-Präsident Helmut Denk. Zielvereinbarungen bieten Motivation für die Forscher, ebenso explizite Erfolgskriterien.

Auch das Austrian Institute of Technology (AIT) möchte sich Forschern verstärkt als attraktive Uni-Alternative präsentieren. Laut Bundesministerin Doris Bures als Vertreterin des Mehrheitseigentümers Bund ist die Restrukturierung des AIT abgeschlossen. Das Institut soll um 150 Mitarbeiter wachsen. Bewerber aus nichttechnischen Disziplinen sind gerne gesehen. "Wir haben zunehmend Sozialwissenschaftler bei uns“, sagt Wolfgang Knoll, wissenschaftlicher Geschäftsführer des AIT. "Es macht keinen Sinn, technische Lösungen zu entwickeln, die dann von der Gesellschaft vielleicht nicht angenommen werden.“

Im differenzierten Karrieremodell des AIT können Wissenschafter zwischen einem eher grundlagenorientierten und einem mehr der Anwendung zugewandten Berufsweg wählen. Auf jeder Karrierestufe lässt sich in die Industrie oder an eine Universität wechseln. Ebenso ist es möglich, unbefristet am AIT zu arbeiten. "Wir gehen davon aus, dass viele Wissenschaftler ein paar Jahre bei uns bleiben und uns dann verlassen“, erklärt Knoll. "Der Kontakt bleibt aber bestehen, wodurch unsere internationalen Netzwerke wachsen.“

Das Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Gugging orientiert sich an anglo-amerikanischen Elitehochschulen. Doktoranden und Post-Docs dürfen maximal fünf Jahre bleiben, danach müssen sie gehen. Was hart klingt, folgt plausibler Logik, wonach Erfahrungen an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Lebens- und Wissenschaftskulturen aus einem guten einen erstklassigen Forscher formen. Die nächste Karrierestufe am ISTA ist der auf fünf bis sieben Jahre befristete Assistant Professor. Hält der Forscher, was er verspricht, winkt eine Fixanstellung als Full Professor. Mit 32 Jahren ist der Molekularbiologe Harald Janovjak bereits Assistant Professor: Er leitet seine Forschungsgruppe, betreut zwei Dissertanten.

Der Lohn der Mobiltität

"Man sollte als Wissenschaftler mobil sein und stets versuchen, dort zu arbeiten, wo man die besten Bedingungen vorfindet“, rät Janovjak, der zuvor in Dresden, Berkeley und München war. Entscheidend für die Karriere sei die Wahl des Dissertationsbetreuers.

Eine Erfolgsgarantie ergebe sich daraus nicht. "Man sollte sich fragen, ob man in die Wissenschaft gehen will“, meint Kratky. "Es ist ein steiniger Weg.“ Doch einer, der Vorzüge bietet: "Als Wissenschaftler kann man jeden Tag etwas Neues lernen, das ist ein großes Privileg“, sagt Janovjak. "In den richtigen Positionen genießt man große Freiheiten. Diese Kombination bietet kein anderer Beruf.“

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