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Was will die Musikolympiade?

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Der Vorschlag, in Salzburg eine „Musikolympiade“ durchzuführen, erregt die Öffentlichkeit seit geraumer Zeit. Gegen ihn und seine Initiatoren wurden gleichermaßen heftige Angriffe laut; es ereigneten sich unleugbar ärgerliche und befremdliche Dinge; die Vermengung von Kunst- und Sportbegriffen rief Bedenken, die mögliche Beeinträchtigung der Salzburger Festspiele Besorgnis wach. Widersprüchliche Nachrichten und Gerüchte besserten die Lage ebensowenig wie die Unlust der Verantwortlichen, über ihre Pläne genauere Auskunft zu geben und an sie gestellte Fragen präzise zu beantworten. Die „Musikolympiade“ wuchs sich allmählich zu einem kapitalen Diskussionsthema aus.

Es erscheint also wünschenswert, über dieses so viel Lärm verursachende Unternehmen einen nüchternen Uberblick zu gewinnen. Gelegenheit dazu bot dieser Tage der „Kongreß der Musikolympiade“ in Badgastein und eine — übrigens erste — Pressekonferenz in Salzburg. Aus Ansprachen, Vorträgen, Beschlüssen, aus Gesprächen und Fragebeantwortungen konnte man, nicht ohne Schwierigkeit, folgendes Bild gewinnen.

Der Grundgedanke des Unternehmens hat, so sonderbar das auch klingen mag, viele und beträchtliche Wandlungen durchgemacht. Man schwankte offensichtlich dauernd zwischen der Bevorzugung des Prinzips des künstlerischen Wettbewerbs und dem der künstlerischen Darbietung. Anfänglich sprach man nur von musikalischen Wettbewerben, die nach halbsportlichen Regeln durchgeführt werden sollten. Später hieß es, daß man der reinen Darbietung den Vorzug geben und das Hauptgewicht nicht auf die Konkurrenz, sondern auf die Sammlung und Konzentration künstlerischer Kräfte legen wolle. Jetzt ist man wieder zum Wettbewerbsgedanken zurückgekehrt: unter den Teilnehmern sollen in verschiedenen Vor- und regionalen Wettbewerben die jeweils zehn besten Solisten und sechs besten Ensembles ermittelt werden, die dann in einem sogenannten Endwettbewerb nach einem Punktebewertungssystem — über das Genaueres nicht bekannt Ist — ihre endgültige Klassifizierung erfahren sollen. Die „Olympiade“ erstreckt sich über vier Jahre; Im ersten soll Vokalmusik, im zweiten Musica sacra und Tanz, hierauf Instrumentalmusik und im letzten Jahre die Neukomposition zu ihrem Recht kommen. Die Vokalmusik wird in nicht weniger als 22 Einzelwettbewerben abgehandelt, unter denen „nicht nur die sogenannte seriöse, sondern auch die Unterhaltungsmusik Platz finden wird“ (wörtliches Zitat aus der Pressekonferenz). Doch wurde gleichzeitig halbvertraulich versichert, daß „im Grunde genommen der Akzent eigentlich nicht auf dem Wettbewerbsgedanken, sondern eben doch auf der Darbietung liegen werde; die Wettbewerbsbestimmungen seien eher als Anreiz, denn als Zweck gedacht, man werde darauf sehen, sie nicht allzusehr in den Vordergrund treten zu lassen usw. Die Fragwürdigkeit des Punktebewertungssystems bei künstlerischen Äußerungen bereitet offensichtlich selbst den Initiatoren Verlegenheit.

Unter solchen Bedingungen erscheint es ausgeschlossen, Künstler, die bereits einen Namen haben, nach Salzburg zu bringen; sie würden sich wohl kaum gerne nach Punkten qualifizieren lassen. Infolgedessen verlieh man ein wenig unvermittelt der „Olympiade“ den Charakter einer Jugendförderungsinstitution und band die Teilnahme an ihr an Altersgrenzen: die Mitwirkenden müssen mindestens 16 und dürfen höchstens 30 oder 35 Jahre alt sein.

Da indessen auch dieser Plan seine Schwächen hat — denn ein solcher Jugend- oder schlechtestenfalls Mittelmäßigkeitenwettstreit muß nicht unbedingt eine internationale Attraktion sein

— und man verständlicherweise auf die Mitwirkung von Kapazitäten eben doch nicht verzichten möchte, schuf man die Institution des „Goldenen Lorbeers“. Diese Auszeichnung samt einer „altgriechischen“ oder, nach anderen Angaben, lateinischen Inschrift, soll den berühmtesten Musikern oder Ensembles der Welt verliehen werden. Eine der Voraussetzungen der Preiswürdigkeit ist allerdings, daß die Auszuzeichnenden — auf eigene Kosten? — nach Salzburg kommen und dort unentgeltlich ihre Kunst vorführen. Da jährlich zwölf Lorbeerkränze verteilt werden dürfen, würde das immerhin eine stattliche Reihe glanzvoller musikalischer Ereignisse garantieren — wenn nämlich die Ausgewählten den Preis nach Gebühr zu schätzen bereit sein werden.

Die künstlerische und administrative Verwaltung der „Internationalen Musikolympiade in der Mozartstadt Salzburg“

— welcher Name auf dem erwähnten Kongreß verschiedenen Bedenken zum Trotz endgültig angenommen wurde — liegt in den Händen sehr vieler bereits bestehender, in Gründung begriffener und noch geplanter Gesellschaften, Komitees, Präsidien, Ausschüsse, Sub-komitees, Senate, Plenarversammlungen und Preisgerichte. Wir gestehen ehrlich, daß wir uns unter ihnen nicht auskennen und ihre Agenden nicht auseinanderzuhalten wissen; wir entschuldigen uns damit, daß uns die Zeit fehlte, diese organisatorische Seite der Angelegenheit genauer zu studieren, obzwar sie dessen durchaus wert erschiene. Beachtung ist insbesondere den „nationalen Komitees“ zu schenken, welche die Salzburger Zentralstelle im Ausland zu vertreten, die Auswahl unter den sich Meldenden zu treffen und ihre Reise nach Salzburg zu organisieren haben. Die Angaben über die Zahl der schon existierenden nationalen Komitees sind uneinheitlich; ebenso ist nicht ersichtlich, wie weit sie die Autorisation, Anerkennung oder Beachtung der offiziellen Kulturstellen finden. Rühmend wird die eifrige Mitarbeit der Südamerikaner — insbesondere Kubas — hervorgehoben und betont, daß sich das erste nationale Komitee in Südkorea befunden habe. Bemerkenswert ist, daß die nationalen Komitees an der Finanzierung der „MusikOlympiade“ entscheidend mitwirken müssen; als selbstverständlich gilt, daß die Teilnehmer auf eigene oder ihres Landes Kosten nach Salzburg zu kommen haben. Die Anmeldegebühren sind in Dollar zu bezahlen; ihre Höhe ist unbekannt, doch hörte man die Zahl 200 nennen.

Mit der gemeinsamen Ausarbeitung der Pläne für ein „Haus der Musikolympiade“ (vergleiche unsere Ausgabe vom 27. Mai d. J.), das unter anderem einen Zuschauerraum von 3000 Personen enthalten soll, hat die Stadtgemeinde Salzburg die Architekten Holzmeister und Tritthart beauftragt. Von der Absicht, das sehr umfangreiche Gebäude auf den Mönchsberg zu stellen, ist man, wohl im Hinblick auf die mangelnde öffentliche Zustimmung, wieder abgekommen. Eine feierliche Grundsteinlegung fand daher nicht auf dem Mönchsberg, sondern auf dem Rosenhügel neben dem Schloß Mirabell statt. Es ergab sich jedoch überraschenderweise, daß der für die Abtretung dieses der Stadtgemeinde gehörenden Platzes erforderliche Ge-meinderatsbeschluß noch nicht vorliegt und sein Zustandekommen auch nicht gesichert ist. Sehr wohl möglich also, daß der Grundstein zur gegebenen Zeit an einen anderen Ort übertragen werden muß, was ein Immerhin ungewöhnlicher Vorgang wäre.

Die erste Bauetappe des Musikhauses wird einen Geldaufwand von 15 Millionen Schilling erfordern. Woher sie kommen sollen, weiß man nicht. Aus Bundes-, Landes- und Gemeindemitteln wurde der „Musikfeste AG“ ein Arbeitskapital von einer Million Schilling zugesidiert, davon wurde bis jetzt die Hälfte eingezahlt und von ihr 420.000 Schilling verbraucht.

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