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Brasilien — Ungarn

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Eine Ausstellung von zweiundvierzig Photographien im Österreichischen Bauzentrum im Palais Liechtenstein ist der brasilianischen Architektur des Barocks und der Gegenwart gewidmet, wobei besonderes Gewicht auf die Repräsentation der neuen Hauptstadt Brasilia gelegt wird. Vieles an dem barocken Kolonialstil mutet durchaus bäuerlich-heimatlich an, manche Fassade, mit geringen Änderungen, könnte bei uns oder in Süddeutschland entstanden sein, und der reich wuchernde Innendekor verrät nur in seiner stärkeren architektonischen Bindung die Herkunft aus^m>'Uteinischeii Raum. Eindrucksvoll die Klosterkirche S. Bento in Olinda, die Karmeliterkirche von Mariana und Sao Dom Jesus do Ma-tosinho, deren Heiligenfiguren indischindianische Gesichtszüge tragen. Die moderne Architektur hat in Brasilien einen sehr fruchtbaren Boden und bedeutende Vertreter gefunden. Da Unterrichtsministerium in Rio, der Jachtklub von Pam-pulha (Niemeyer), das Parkhotel von Lucio Costa und die Villa in Sao Jose dos Campos (Rino Levi) etwa, sind bedeutende Bauten, die Brasilien zur Ehre gereichen. Problematisch aber ist die ganze Planung der Stadt Brasilia. Das kühne Unterfan-en, der großzügige Traum des Präsidenten Kubicek, hat sich — allen Berichten nach — bisher als Fehlschla? erwiesen, ähnlich der Planung von Chandigarh durch Corbusier. Die Architekturen von Costa und Niedermeyer werden den gewaltigen Dimensionen mit ihrer kühlen Betonromantik nicht gerecht, gelegentlich sogar zur architektonischen Meterware. Städte sind wahrscheinlich doch lebende Organismen und können nicht auf dem Reißbrett entstehen. Ästhetizismus allein hat bisher noch keine große Architektur hervorgebracht. Bedauerlich an der Ausstellung ist, daß Grundrisse fast vollständig fehlen — Bauten können nicht durch „künstlerische“ Photographie allein interpretiert werden — und die Tatsache, daß sie wieder nachlässig und schlampig aufgebaut wurde, was einer Institution, die sich „österreichisches Bauzentrum“ nennt, nicht gerade zur Ehre gereicht.

Eine ganz andere Begegnung mit Brasilien findet in der Staatsdruckerei statt, die „Brasilianische Graphik der Gegenwart“ in einer ausgezeichneten Auswahl zeigt. Vorwiegend gegenstandslos und im Gegenständlichen unbedeutend, zeichnet sie 6ich durch raffinierte oder mindestens solide Technik und die Dominanz von Frauen aus Die Ausdrucksformen gehören dem internationalen Jargon von Vasarely bis Saura, von Tapies bis Friedländer, an, wobei besonder die Graphiken von Ostrower, Isabella Pous. Roberto de Lamonica, Edith Behring und Italo Cencini durch ihre Sensibilität und dekoratives Geschick auffallen.

Das Künstlerhaus stellt in einer größeren Ausstellung den ungarischen Bildhauer „Beni Ferenczy im Kreise seiner Zettgenossen“ vor. Ferenczy (1890 geboren), ein Schüler von Bourdelle und Archipenko (1912/13!), hat seine wesentlichsten Arbeiten bis zum Ende der zwanziger Jahre geschaffen, sieht man von den Medaillen ab, die wie einige Porträt- und Kleinplastiken am überzeugendsten wirken. Seine anfangs noch strengere Form weicht sich zusehends auf. illusionistische Elemente treten hinzu und das

Körpergefühl wird derb-vital, statt räumliche Vertiefung zu erfahren. Man glaubt zu erkennen, daß hier eine profilierte Begabung einen Kompromiß mit der Öffentlichkeit schloß, da vor allem die Medaillen auf ganz andere Möglichkeiten und Fähigkeiten hinweisen. Unter seinen Zeitgenossen, alles Maler und durch Aquarelle vertreten, fallen Geza Bomemisza, Aurel Ber-nath, Ödön Märffy und der besonders sensible — 1960 verstorbene — Istvan Szönyi auf. die einem gemäßigten — 6ehr französisch inspirierten — Spätimpressionismirs huldigen. Szönyi erreichte in einigen Blättern („Schupfen“, „Hügel von Zehegeny“!) eine poetische Vertiefung, die alles andere überstrahlt.

Im Französischen Saal des Künstlerhauses hingegen sind Graphiken des Architekten Robert E d e r e r zu sehen, mit denen er sich mühelos an die Spitze der „Wiener Schule der phantastischen Malerei“ stellt. An dekorativer Komposition und zeichnerischer Fertigkeit ist er den anderen überlegen, und die literarischen, abstrusen Klitterungen entsprechen der wirklichen Not eines ebenso geklitterten wie anmaßenden und verwirrten Weltbildes, das „Verzweiflung über die Verzweiflung des modernen Menschen“ empfindet. Das „Eigene“, das Ederer zu sagen hat, liegt auf literarisch-pseudophilosophischem Gebiet. Ist er gezwungen, sich mit der Natur auseinanderzusetzen, erweist er sich als nicht unbegabter konventioneller Ekklektizist. Da dies alles mit dem schlichten, strengen und schweren Bemühen der bildenden Kunst nichts zu tun hat, wird sein Erfolg hier sicher sein.

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