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Das kulturelle Antlitj Oberöfterreidis

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Wer in Oberösterreich den Strom des kulturellen Lebens zurückverfolgen will und erwartet, er würde ihn wie anderwärts aus der Residenz eines Landesfürsten oder einer geistlichen Metropole fließen sehen, wird vergebens Ausschau halfen. In diesem Land gab es niemals einen Herrscherhof, und bis in die Josephi- nische Zeit auch keinen Bischofsitz. Selbst das geistige Zentrum einer Hochschule fehlte seit jeher. Wenn Oberösterreich dennoch über einen in aller Welt anerkannten kulturellen Reichtum verfügt, dann liegt darin eine jener Eigenarten, die dem Land seinen seltenen Reiz und seine starke Anziehungskraft verleihen.

Man spürt das Besondere förmlich: Oberösterreichs Kulturgüter sind die Kinder seiner Volksseele, hervorgegangen aus den natürlichen Kraftquellen von Landschaft und Geschichte. Man muß hier mehr als anderswo das vielgestaltige Land suchen, um den schöpferischen Urgrund dieser Volksseele zu finden. Man muß die herbe, waldreiche Bergwelt des Mühlviertels kennenlernen, das wildromantische Stromtai der Donau, die fruchtbaren Weiten des Alpenvorlandes, das von der Schöpferhand besonders liebevoll gezeichnete Seengebiet des Salzkammergutes und die majestätische Hochgebirgsregion als schirmende Grenze im Süden. Und man muß einen Blick in die ob-der-ennsische Geschichte tun! Sie zeigt uns in unzähligen eindrucksvollen Bildern das wechselnde Geschick eines Grenzlandes, in dem die sonnigen Tage nicht selten die kürzeren waren.

Von einer so vielfältigen Landschaft und einer so reich bewegten Geschichte geformt, haben die Menschen dieses Raumes dem Leben immer wieder positive Werte abgerungenl Sie taten es mit beispielhafter Unermüdlichkeit. Wurden Mauern niedergerissen, bauten namenlose und fleißige Arbeiter neue und schönere Werke wieder auf. Generation um Generation fügte die Steine aneinander, so daß wir heute vor einem vollendeten Bild nicht nur der wirtschaftlichen Tatkraft, sondern ebenso der kulturellen Leistung stehen. Dabei ist es gleichgültig, ob wir die Werke der Baukunst, der Musik, der Literatur oder jene vielfältigen anderen Bereiche meinen, in denen sich die Kultur eines Volkes widerspiegelt. An überzeugenden Beispielen fehlt es nirgends. 1st nicht der große „Musikant Gottes”, Anton Bruckner, zeitlebens das bescheidene Landkind geblieben? Taucht nicht das Wiesengrün des weiten Bauernlandes um Ansfelden immer wieder in dem großartigen Tongemälde dieses Meisters auf? Nicht anders ist es, wenn wir an die beiden anderen großen Oberösterreicher denken, an den Künder des sanften Gesetzes, Adalbert Stifter, und an den Sänger des Innviertels, Franz Stelzhamer. Hört man aus dem weltliterarischen Vermächtnis des einen unablässig das melancholische Rauschen des Böhmerwaldes, so wird man den übermütigen Versen des anderen kaum lauschen können, ohne innerlich in die lachende Melodik des Innviertler Vierzeilers einzusfimmen.

Und da sind die übrigen Kunsfschätze des Landes, allen voran seine Klosteranlagen. Oberösterreich darf für sich in Anspruch nehmen, das Bundesland mit den meisten Stiften zu sein. Mondsee, Kremsmünsfer und St. Florian sind Klöster, deren Gründung in die karolingische Zeit zurückgehf. Ihnen folgen die Benediktiner in Lambach, Garsten und Gleink, die Augustiner Chorherren von Ranshofen, Reichersberg, Suben und Waldhausen, die Zisterzienser in Withering, Baumgartenberg, Engelszell und Schlierbach, die Prämonstratenser in Schlägl und das Kanonikerstift Spital am Pyhrn. Jedes dieser Stifte kann als leuchtendes Beispiel einer Kunstepoche zugezählt werden. Alle aber sind gleichzeitig Stätten, die nicht ohne ihre bäuerliche Umgebung gedacht werden können. Selbst St. Flo rian und Kremsmünsfer sind Palais und Vierkanter zugleich.

Die Sprache des Volkes spricht aber auch aus den vielen Kirchen des Landes, in denen oft Meisterwerke gotischer oder barocker Schnitzkunst stehen. Die Altäre von St. Wolfgang und Kefermarkt sind hier wohl die erhabensten, aber nicht die einzigen Beispiele. Auch Gampern, Waldburg, Gebertsham, Hallstatt und andere beherbergen Flügelaltäre von starker Ausdruckskraft. Unermeßlich ist endlich der Schatz an Madonnen, Kruzifixen, Heiligenfiguren und anderen religiösen Kunstwerken. Eine Fahrt zu den oberösterreichischen Kirchen wird in diesem Sinne zu einer wahren Entdeckungsreise.

Die gleiche Note der stillen Schönheit zeigen die Städte und Märkte des Landes. Stadtbilder wie das mauerumgürfefe Freistadt, die alte Eisenmetropole Steyr, das barocke Wels und die behäbigen Städte des Innviertels gehören zu den schönsten ihrer Art in Oesterreich.

Oberösterreichs Kultur ist aber nicht im Traditionellen und Historischen steckengeblieben. Eine junge Generation hat dafür auf ihre Weise gesorgt. Sie schickt sich eben an, das geheiligte Erbe zu übernehmen. Man kann es ihr ruhig anverfrauen, liebt doch gerade sie das Unverfälschte aufs neue…

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