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Die „Alte Galerie“ am Grazer Joarmeum
Manches Kulturinstitut könnte sich an dem Aufbauwillen des steirischen Joanneums ein Beispiel nehmen, das uns nunmehr innerhalb von drei Jahren wiederholt mit einer Neuaufstellung von seit der Vorkriegszeit nicht mehr gesehenen Künstwerken, zuletzt jenen der Alten Galerie, erfreute. Neben einigen Meisterwerken der Spätrenaissance dominiert das Barock, Österreichs hohe Zeit der Kunst, und doch trennt auch uns ein Unmaß an Er? leben von jener Welt, die in prächtig ebenmäßiger Gestaltung irdische Lebensfülle und göttliche Schönheit kunstvoll zu vereinen wußte.
Da sind die Italiener Jacopo Palma d. J., Luca Giordano, Lissandrino und andere, Niederländer und Deutsche, wie Johann Karl Loth, der in Graz begrabene Hans Adam Weißenkirchen usw., aber weder das formale Können noch die barockisiert mythologischen Themen sprechen uns an. Uns lockt der 7auber des Unvollendeten, ein Kunstwerk, das nur erahnen, nicht erfüllen will. Vielleicht spricht sich darin ein erstes, unklares Bewußtsein aus, daß wir wieder an uns selbst zweifeln müssen, um an Gott glauben zu können, Darum sind es nur wenige Werke jener farbensatten Zeit, die zu uns sprechen, uns ergreifen können, Nicht große Gemälde, sondern bescheiden scheinende Werke, etwa das geheimnisvolle Spiel von Dunkel und Licht in Crespis „Noll me tangere“, das magische Blau der Landschaft im Hintergrund von Jan von Aachens „Parisurteil“, die verschwommene Schönheit in David Vindcebooms „Flußniederung“ oder die Bilder des Kremser-Schmidt. Entwürfe von Paul Troger und verwandte Werke führen endlich zu einem der größten Erlebnisse der Alten Galerie, zu Maulpertsdi. Auf einmal fühlen wir keine zeitliche Kluft mehr, Mensdi spricht zu Mensch, ein Künstler, der in kraftvollen Skizzen Form aus sidi selbst gebar, nicht Ideen in Formen seiner Zeit zwang. Sein „Christus in E.mmaus“ rüttelt uns auf. Jan Breughel d. A. ist mit seinem eigenartig grausigen „Triumph des Todes“ vertreten, jenem gemalten Totentanz mit dem Hauptmotiv der aus Angst vor dem Tod unwissend in den Tod jagenden Menschenmasse. Pieter Breughel des Jüngeren „Kirmes“ und Lucas Cranachs „Parisurteil“ gehören mit zu .dem Wertvollsten der Sammlung, während Herri met de Bles mit einem thematisch und auch in der Komposition an Breughel erinnernden Bergwerk von der Freude an emsiger Arbeit kündet,' dadurch aber, daß er mitten in dieses Getriebe seiner Zeit die nach Ägypten fliehende Heilige Familie hineinmalt, jene Unmittelbarkeit der biblischen Erzählungen beweist, die uns durch die historisierende Art der letzten Jahrhunderte leider so fremd geworden ist. Magisch, wie gläsern, muten die eigenartig schönen Landschaften des Jordanus de Mompa an.
Außerdem birgt die Galerie noch in zwei Räumen prachtvolle Meisterwerke meist heimischer Bildschnitzer, vor allem des bedeutenden Veit Königer. Neben seinen, reizenden schwebenden Putten stammt aus seiner Hand die herrliche Verkündigungsgruppe im Mittelraum der Galerie, Jungfrau und Engel vom Hochaltar der Grazer Andräkirche, im Schaffen des damals — 1752 — Dreiundzwanzigjähri-gen eine wahrhafte Vermählung von Kunst und Glauben.
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