6550753-1947_41_06.jpg
Digital In Arbeit

Die erste Generalkarte der gesamten österreichischen Erblande

Werbung
Werbung
Werbung

200 Jahre sind es her, daß im Jahr 1747 zum ersten Male eine Gesamtkarte aller österreichischen Länder angefertigt und damit auf dem ruhmvollen Wege österreichischer Kartographie ein bemer-kenswerter Meilenstein gesetzt wurde. Zuerst gab es nur Karten der einzelnen Lander, da Österreich von jeher ein dezentralisiertes und als Gesamtstaat immer lockeres Gefüge war, während in anderen einheitlichen Staaten die kartographische Gesamtdarstellung früher erfolgen konnte. Es lag im Wesen der historischen Entwicklung Österreichs, daß gemeinsame Einrichtunigen zwangsläufig von dort ihren Ausgangspunkt nehmen, wo ausschließlich Gesamtinteressen vorlagen. Dies traf bei der Armee zu; es waren ihre Bedürfnisse, die eine Landkarte des Gesamtstaates erforderten.

Schon lange mahnte die Notwendigkeit, die bereits über zwei Jahrhunderte bestehenden Ingenieurorgane der Armee irgendwie zusammenzufassen und nach ver-schiedentlichen Versuchen in dieser Richtung wurde 1747 unter Maria Theresia das Ingenieurkorps ins Leben gerufen und dem Schwager der Kaiserin, dem Feldmarschall Carl von Lothringen als „General-Genie-Directeur“ unterstellt. Noch bevor dieses Korps konstituiert war, gingen einzelne seiner Mitglieder daran, eine Karte von ganz Österreich zu entwerfen, die sie sodann der Kaiserin widmeten. Die Karte führt folgenden Titel: „General Carte von allen kayserlich königlichen Erblanden in vier Haubt und Direc-torial Provintzen als die Teutsche, in Nieder-, Ober-, Hinter- und Vorder-Österrcich, Böhmen, Mähren und Schlesien: die Hun-garische, in Ober- und Nieder-Hungarn, Croatien, Slavonien, Sirmien, Bannat und Sibenbürgen; die Welsche, im Mayländi-schen, Mantouanischen, Guastalesischen, Parmesanischen bestehend; und dann die Niederländische; vermög repartition des neu aufzurichtenden Kayl. Königl. In-genieur-Corpo, in vier nach diesen Provintzen abgemehsenen Brigaden eingetheilet, von gedachten Kayl. Königl. Ingenleur-Corpo ao 1747 zusammengetragen.“ Wie ersichtlich, entspricht die Einteilung der Karte genau den vier Bereichen des in die deutsche, ungarische, italienische und niederländische Brigade geteilten Ingenieurkorps. Beachtet man ferner die im linken unteren Karteneck' angebrachte Fähnleinsignatur für die eingezeichneten „Posten, wo hinführo, vermög der neuen Einrichtung Ingenieurs hingestellt werden“, dann charakterisiert sich die Karte als eine Dislokationskarte des Ingenieurkorps, die freilich, was ihre Ausarbeitung und Ausstattung betrifft, weit über einen bloßen administrativen Behelf zu stellen ist.

Die auf Leinen aufgezogene, in 12 Sektionen geteilte Karte hat ein Ausmaß von

2,60 zu 1,90 Meter und ist im Maßstab von 1 :673.000 („55 Meilen machen eir grad“) angelegt. Die „Scala Miliarium“ enthält die Maßstäbe für Hungarische, Nieder ländische und Welsche Meilen, die Kartenränder tragen di Gradeinteilung, doch fehlt auf der Karte das Netz. Das damalig österreichische Staatsgebiet war kein zusammenhängendes, denn die italienischer Besitzungen im Süden lagen ebenso isolier wie die niederländischen im Nordwesten letztere sind im linken oberen Kartenecl auf einer Separatkarte eingezeichnet. Die Topographie ist eine noch sehr primitive, di Gebirge sieht man ganz schematisch in perspektivischer Zeichnung mit Lavierung in blasser Tusche bei schräger Beleuchtung. Abstufungen nach Größe und Tönung sollen hier Hoch-, Mittel- und Niedergebirge unterscheiden helfen. Die Gebirge find schwarz-weiß, die Meere weiß, die Seen und Flüsse grünschwarz, die Wälder grüngelb, die Provinzgrenzen verschiedenfarbig. Di Städte erscheinen als Miniaturstadtplän, als Festungen oder bloß als Kirchen.

Der schon angeführte Kartentitel findet sich rechts oben in kunstvoller Arabesken-und Guirlandeneinrahmung. Rechts unten erblicken wir Maria Theresia unt*r einem Thronhimmel, über dem ein schwebender Adler einen Schild hält, den der gekrönte böhmische Löwe mit dem ungarischen Doppelkreuz, beziehungsweise dem babenbergischen Biridenschild in den Pranken innerhalb der Devise „Justitia et dementia“ ausfüllt. Ein Ingenieuroffizier überreicht, flankiert von einem antike Krieger und einer Kriegsgöttin, der Kaiserin die Karte. Die Szene findet ihren Absdilufi in Fahnen, Trompeten, Geschürzrohren, Kugeln, einem Pulverfaß, verschiedenen Rüstungsgegenständen, ferner in Folianten, einem Globus, einem Plan von Wien und feinausgeführten Werkzeugen der Geodäsie.

In unserer nüchternen und praktischen Zeit mag alles geschilderte Beiwerk der Karte vielleicht befremden. Es zeigt nnt aber andererseits, wie unsere Vorfahren auch in kriegsbewegten Zeiten — die Karte entstand im siebenten Jahre des maria-theresitr nischen Kampfes um Österreichs Existenz — allen Sinn für Schönheit und Geschmack, für Kultur und Verbindung des Materiellen mit dem Ideellen bewahrten, wie sie dadurch mit der Erhebung in das Künstlerische und Geistige die harten Alltagswirklichkeiten sehr wesentlich zu mildern verstanden.

Die erste Gesamtkarte Österreichs fand ihren Weg in die staatlichen Sammlungen aus dem Nachlasse des Feldmarschaüs Carl von Lothringen, sie ist als eine Art Vorläuferin der späteren großen systematischen Landesaufnahmen zu betrachten und wird als solche immer einen besonderen Platz in der Geschichte der österreichischen Kartographie einnehmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung