6543508-1947_01_13.jpg
Digital In Arbeit

Glockenbildnerei

Werbung
Werbung
Werbung

Nur wenige Menschen von den Hunderttausenden, die täglich das volle schwere Läuten unserer großen Kirchenglocken vernehmen, haben sie bewundern dürfen, wenn sie, schön wie an einem Schöpfungsmorgen, aus der Tiefe der Glockengrube gehoben wurden und gereinigt von Lehm und Schlamm in silberner Schönheit dastehn, ruhevoll und doch wundersam lebend. Wem es aber einmal beschieden war, dem Entstehen einer Glocke beizuwohnen, für den bleibt dieses Erlebnis eine kraftvolle und schöne Erinnerung an Stunden, die so recht das Wunder eines Werdens sichtbar werden lassen und die seltsam gemahnen an ein fernes 1 und doch immer wieder neues Schöpfungsgeheimnis.

Viele Dinge sind beim Guß und bei der Gestaltung einer Glocke zu beachten, damit Klang und Form und Größe gut übereinstimmen. Nicht ins Blaue hinein kann der Künstler seine Bildreliefs zum Schmuck der Glocken arbeiten, „denn sie dürfen eine gewisse Größe und eine gewisse Stärke nicht überschreiten“, sonst würde der Klang der Glocke gestört. Wachen Auges überprüft der Glockengießer das Tun des Bildhauers, damit er ja nicht die ehernen Gesetze der Glocken verletze.

Der Harmonie wegen gehören auf jede Glocke zwei oder vier Bilder, denn für den Glockengießer besitzt die runde Glocke ihre vier Seiten. Infolgedessen wählt man für größere Glocken meistens zwei Reliefs mit Heiligenfiguren und dazwischen hinein zwei Schrifttafeln, auf denen die Glockenverse ,.geschrieben“ werden. Aus ihnen vor allem • strömt die ganze Innigkeit und die Seele des Volkes: schlicht, gläubig und dankbar gegen Gott und seine Güte, die Mensch-Haus und Stall behütet und beschützt.

An den oberen Glockenrand wird für gewöhnlich der Fries, also ein Rundband gesetzt, das durch Schrift oder passende Symbole gebildet wird. Ein malerisches Motiv bilden tanzende, musizierende und spielende Engelputten, die gleichsam den Schwung und die Musikalität der Glockentöne verkörpern. Die Verzierung der Glocke darf nicht ganz bis an ihren unteren 'land reichen, höchstens Dreiviertel der ganzen Höhe betragen, da sonst die Schönheit des Klanges gefährdet wäre.

Zumeist sind es Bildhauer, die mit den Glockenreliefs betraut werden. (Diese Ausführungen begleiten zwei Glocktnbilder, die der Meisterhand des Tiroler akademischen Bildhauers S t a u d entstammen. Die

„Furche“.) Tirol verfügt über eine Reihe ausgezeichneter Künstler, die mit großer Erfahrung auf diesem Spezialgebiete tätig sind. Auf einem großen Brett werden die Figuren modelliert; der nasse Ton muß vorher fein geknetet werden, damit er sich gut und weich verarbeiten läßt. In Umrissen zuerst, dann immer sicherer und kennbarer heben sich die Formen ab, in denen die Phantasie des Künstlers der Darstellung Gestalt und Leben geben will. So erwachen die volkstümlichen Bauernheiligen, St. Wendelin und St. Valentin, oder die liebliche heilige Notburga mit der schwebenden Sichel, der selige Hermann Joseph, vertrauensvoll seinen Apfel hinreichend, oder gar der ritterliche St. Florian iund die adelige Sankt Barbara, die Helferin in letzter Stunde, in ihr neues bronzenes

Dasein. Bei vielen Gestalten schreiben Tradition und Legende die Art der Darstellung irgendwie vor, wenigstens müssen die entsprechenden Symbole klar und deutlich sichtbar werden. Bei anderen Bildern bleibt es aber doch dem Künstler überlassen, in neuer Weise die alten Geheimnisse vor Auge und Seele treten zu lassen — eine Aufgabe, die bedeutend schwerer zu lösen ist, als man es annehmen möchte. Wie denn überhaupt die Verbindung von moderner und religiöser Kunst eine Aufgabe bedeutet, die neben künstlerischem Können zuvörderst jene ehrfürchtige Haltung vor dem Ewigen und jenes Erschauern vor seiner Größe zur Voraussetzung hat, die aus den Werken der alten Meister so unmittelbar und lebendig hervortreten und uns bis ins Innerste anrühren, selbst dann, wenn viel- leicht anatomische Verhältnisse oder sonstige Äußerlichkeiten einer ganz strengen Kritik nicht standhalten mögen.

Sind die Heiligenfiguren und ihre Symbole, die Schrifttafeln und Friese in Tonmodellen fertiggestellt, dann werden diese Modelle in Gips zu einem haltbaren Negativ geformt. Das Arbeiten in Ton war schwierig und mühsam, weil der Ton dauernd feucht gehalten werden muß, damit die Formen nicht austrocknen und aufspringen. Die Schriften werden gleich in die vorbereiteten Gipstafeln in Spiegelschrift eingeschnitten. Alle diese Gipsformen wandern nun zum Glockengießer, der Wachsabdrücke davon herstellt, die nunmehr das positive Bild zeigen.

In der Gußhütte wurde bereits für die Glocke der Glockenkern gemauert, ein Gebilde aus Ziegelsteinen und Lehm. Darüber kam die „falsche Glocke“, die in Lehm genau dem Bild entspricht, das die wirk-

Es wehet Schnee ..

Es wehet Schnee, der Wind geht zaus, Ein Meislein kommt ans Fensterhaus.

Es fand Asyl, es fand ein Dach, Es fand ein Pfühl um all sein Ach.

Und doch in Hast nur kleine Rast

Am großen Wegl — Nur Gast, nur Gastl--

O Vogelweh, das wundsein läßtl — Es wehet Schnee ...

Wo ist mein Nest?1. Fischer von Walchensee

liehe Glocke zeigen soll. Auf diese falsche Glocke aus Lehm werden die Wachsformen sämtlicher künstlerischer Verzierungen aufgezogen. Über alles wird nun der Glockenmantel aus Lehm gehreitet, auf dessen Innenseite sich die Modelle der Verzierun-

gen negativ abdrücken. Vor dem Guß wird dieser Glockenmantel weggehoben, die „falsche Glocke“ entfernt, so daß ein Hohlraum entsteht, und der Mantel wiederum darüber gegeben. Beim Guß selbst strömt die flüssige Metallmasse in diesen Hohlraum, so daß die Reliefs und Schriften auf der gegossenen Glocke wieder positiv zum Vorschein kommen.

Ja, nun stehst du vor mir, neue mächtige Glocke, edel in Form und Gestalt, edel in deinem Metall und in den Gedanken, die in dich hineingedacht und hineingegossen wurden. Bald wirst du geweiht und damit auch im höheren Sinn geadelt

sein. Bald wirst du tönen in unsere frohen und in unsere schweren Stunden hinein, nicht nur dann, wenn unsere Jüngsten erstmals zum Tisch des Herrn treten, nicht nur zu den Hochfesten unserer Kirche, vor allem auch in jener Stunde, da wir heimgerufen werden und deine Stimme uns das Geleite gibt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung