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Jugoslawisches Theater in Graz

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Zum erstenmal seit dem zweiten Weltkrieg absolvierte das Slowenische Nationaltheater in Laibach im Rahmen der .österreichisch-jugoslawischen Gesellschaft zur Pflege kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen“ im Opernhaus der Stadt Graz ein auf zwei Abende ausgedehntes Ensemblegastspiel, das dem nationalen Musikschaffen der Jugoslawen für die Bühne gewidmet war.

Für jeden Besucher Jugoslawiens ist — abgesehen von der Landschaft — die eigenartige Kultur des Bauern das eindrucksvolle Erlebnis: mag es sich um die im besten Sinne malerischen Trachten, mag es sich um Lieder oder Weisen handeln. Die wichtigste Quelle des dichterischen, aber auch des musikalischen Schaffens der jugoslawischen Stämme ist die Volkskunst. Das Land war, wie nur wenig andere Gebiete in Europa, zahlreichen ethnischen Umwälzungen unterworfen, es trat ein Prozeß einer gewissen kulturellen Einkapse-lung ein, der besonders in den hoheri Gebirgstälern günstigen Boden fand, wo das Brauchtum oft auf einer uralten Entwicklungsstufe stehengeblieben ist. So bietet die reiche Palette der jugoslawischen Volkskunst den schaffenden Künstlern verschwenderische Farben. Namentlich der Kroate Jakov Goto-vac, der 1895 in Spalato (Split) geboren wurde, in Graz Jus studierte und sich dann in Wien ganz der Musik zuwandte — hier empfing er durch Opern- und Konzertbesuche künstlerische Eindrücke, die auf seine Entwicklung entscheidenden Einfluß nehmen sollten —, hat es wie kaum ein anderer verstanden, das Volk in aller Lebendigkeit von Brauchtum, Tracht und Typ zur Schau zu bringen und diese bunten und vielgestaltigen Bilder entsprechend musikalisch zu untermalen. Seine 1935 uraufgeführte komische Oper „Ero, der Schelm“ kann daher mit Recht den Ehrentitel einer kroatischen Volksoper für sich in Anspruch nehmen. Sie bedeutet für Kroatien etwa das, was Smetanas „Verkaufte Braut für Böhmen bedeutet und ist bereits über mehrere europäische Bühnen gegangen. Der Text stammt von dem Dichter Milan Be-govic, dem bedeutendsten Vertreter des heutigen kroatischen Dramas; er gehört zu jenen Dichtern, die die Sprache Europas sprechen, ohne in einem leb- und farblosen Internationalismus aufzugehen.

Diese Oper war es denn auch, mit der das Gastspiel des Laibacher Nationaltheateri unter der musikalischen Leitung von Mirko Polic und der sauberen Regie von Ciril Debe-vec festlich eröffnet wurde. Hier ist der Typ eines eigenkroatischen Nationalhelden, der sich aus den ewigen Kämpfen mit den Volksbedrängern, den Türken, aus jeder Situation durch Wagemut oder List siegreich herauszuziehen weiB, zum Träger einer ganz in bäuerliches Leben eingebetteten Handlung gemacht worden. Das liebenswürdige Werk schöpft musikalisch aus dem Vollen und bestrickt durch seinen Humor wie durch die innige, warme Lyrik. Es war ein saft- und kraftvolles Musizieren aus dem Herzen des Volkes heraus. Die Ballettgruppe im Kostüm der dalmatinischen Volkstrachten unterstrich die unverbildete Kraft des Volkstums, die der Komponist in eigenschöpferischer Weise zu nutzen wußte.

Weit mehr aber als in seinen Liedern und Weisen offenbart sich jugoslawisches Wesen in den Tänzen, die Bewegung und Klang, Sichtbares und Gehörsames in sich untrennbar vereinigen. Die künstlerische Formung des Volkstanzes fehlte darum auch nicht in der Reihe der jugoslawischen Gastspiele In Grazer Opernhaus. Die Wahl fiel gewiß sehr glücklich auf die „Legende von O c h r i d“, ein abendfüllendes Ballett des Serben Stefan K. Hristic, ein Volksstück anderer Art, dessen temperamentvolle Aufführung am zweiten Abend wohl den Höhepunkt des Gesamtgastspieles brachte. Wie hier die Handlung aus dem mazedonischen Volksleben geschöpft wurde, io ist auch die Musik reich an glutvollen Farben und vibrierenden Rhythmen, sie wird aus der nationalen Melodie entwickelt, die sie harmonisch deutet und symphonisch weiterspinnt. Sie versteht es, eine Szene zu tupfen und eine andere kräftig und farbig auszumalen. Dr. Danilo Svara deutet sie schwungvoll aus. Die Tänze selbst tragen einen Zug märchenhafter Unwirklichkeit. Die Tanzgruppen sind nicht Darsteller im Sinne des Theaters, sie 6ind eher den Instrumentengruppen des Orchesters vergleichbar. In ihren Bewegungen spiegeln sich Ablauf und Farben der Musik wider. Das in seiner durchgeistigten Gestaltungsweise neuartige Spiel tänzerischer Gruppenformen ist mit aller Folgerichtigkeit eines strengen musikalischen Aufbaues durchgeführt. Man erlebte ein Werk von fesselnder Geschlossenheit. Den Laibacher Tanzsternen, allen voran dem südslawisch-norddeutschen Choreographen- und Ballettmeisterehepaar Pia und Pino Mlakar wie dem gesamten Tanzkorps des Slowenischen Nationaltheaters gebührt hohes Lob für die bemerkenswerte choreographische Technik, die originell geformte Inszenierung und auch für die ausdrucksreiche Tanzkunst.

Die beiden Abende brachten den jugoslawischen Gästen einen durchschlagenden Erfolg. Die Aufnahme ihrer Darbietungen — auch das prächtige Orchester, der Chor und die gesamte Bühneneinrichtung wurden vom gastierenden Nationaltheater beigestellt — war begeistert. Diese Gastspielreise schlägt nun auch auf künstlerischem Gebiet eine erste Bresche in die vermauerte Südostgrenze.

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