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Nahostkriegfilm

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„Der General“, so ließ in Rom der israelische Botschafter verlauten, „denkt nicht daran, irgendeinen biographischen Spielfilm, über sein Leben und seine Unternehmungen zu autorisieren.“ Diese Mitteilung war an einen jener zahlreichen, außerhalb des Judenstaates beheimateten Produzenten gerichtet, die beabsichtigen, den mit den Waffen ausgetragenen Nahostkonflikt vom Juni 1967 spektakulär auf die Leinwand zu bringen — an den Italiener Giorgio Moser, der ein Lichtspiel „Der Fuchs von Sinai“ (gemeint ist damit Moshe Dajan, eben der General) mit Paul Newman in der Titelrolle projektiert und um Unterstützung der Israelis für sein Vorhaben gebeten hatte.

Mehr Glück als der mit seinem Blitzkriegsfilm abgeblitzte Kalle Moser hatten die allerdings geschickter taktierenden Chefs der römischen „Italcine“, die Herren Palombi und Sil-vestri. Auch sie wollten ein Kinogebilde über den israelischarabischen Krieg herstellen. Klugerweise ließen sie jedoch den einäugigen Condottiere und Verteidigungsminister aus dem martialischen Spiel. Und handelten dafür vorteilhaft ein: die Zustimmung der Behörden von Tel Aviv, eine unter dem Davidstern fahrende Panzerbrigade, zwei dasselbe Symbol tragende „Mirage“-Geschwader, zahlreiche ägyptische Beutestücke von gepanzerten Fahrzeugen bis zu Abschußrampen für Raketen und nicht zuletzt ASSAF.

Assaf ist Dajan junior. Dachten die schlauen „Italcinea-sten“: Wenn schon nicht der Papa, dann wenigstens das Söhnchen — jung noch, frisch, gescheit, ein James-Dean-Typ, begabter, gefragter Schauspieler, bekannt aus einigen israelischen Filmen und (in Rom produzierten) amerikanischen Fernsehshows. In dem italienischen Streifen „Die fünf Tage von Sinai“ stellt er einen jüdischen „Beat“-Jüngling dar, den man in Tel Aviv wegen angeblicher Obszönität strafrechtlich verfolgt, weil er ein Werk von Ginsberg ins Hebräische übersetzt hat. Aber das wird bei Kriegsausbruch bedeutungslos. Er zieht in den Kampf.

Mit ihm ziehen andere junge Männer, von denen jeder einen Teil des israelischen Volkes mit seinen zuweilen Schwierigkeiten bereitenden Eigenarten repräsentiert — zum Beispiel ein naiver Kibbuzbauer, ein cleverer Barmann aus der Hauptstadt, ein etwas skurriler Violinspieler russischer Abkunft, ein religiös veranlagter Expole, ein sich atheistisch gebärdender Deutschstämmiger und andere, zu denen sich aus Abenteuerlust noch der Sohn eines britischen Reeders gesellt. Sie alle und auch einige loetbliche Figuren werden aus Gründen der angestrebten realistischen Filmform von weniger bekannten Bühnen- und Fernsehdarstellern verkörpert, die zu einem beachtlichen Teil die Kinder bedeutender Filmschaffender sind — so etwa Carlo Di Meo (der Sohn von Alida Valli), Romina Power (die Tochter des verstorbenen Hollywoodstars Tyrone Power), Luisa De Santis (die Tochter des „Bitterer-Reis“-Regisseurs Giuseppe De Santis). Auch sie können — wie Assaf — als „Prominenz“ angesehen werden; jedenfalls kann man mit diesen Namen werben.

Der Spielleiter des Films, der in Farbe und Cinemascope gedreht wird, ist Maurizio Lucidi, den man bei uns noch nicht kennt. Die Innenaufnahmen entstehen in römischen Studios, die Exterieurs an den Handlungsorten, das heißt im ehemaligen Kampfgebiet des Sinai. Sämtliche Ausrüstungsgegenstände, vor allem die Waffen und Geräte, sind original, sozusagen kampferprobt. Das Werk gilt als erstes Lichtspiel über den Zusammenprall der Streitkräfte des Zionismus mit denen des arabischen Nationalismus, das nicht israelischen Ursprungs (wie zum Beispiel „Brennt Tel Aviv?“) ist, jedoch in enger Zusammenarbeit mit den Israelis geschaffen wird, ohne eine Koproduktion zu sein.

Die Handlung, die 48 Stunden vor Kriegsausbruch (also schon am 3. Juni) beginnt, umfaßt die Zeit bis zum Morgen des letzten Kampftages (10. Juni 1967). Die Gruppe um Assaf führt da ihre schwierigste Aktion durch: sie nimmt die Mannschaft einer ägyptischen „Sam-2“-Raketenbatterie gefangen. Dabei kommt es unter den Feinden zu einer Diskussion, die laut Produktionsnotiz mit einer „Friedensbotschaft“ endet.

Dazu und zu dem Sinn des Lichtspiels der Regisseur: „Der Film soll nicht politisch sein, sondern einfach nur Tatsachen feststellen. Sieger und Verlierer erkennen die Nutzlosigkeit dieses Krieges. Weder. Israel noch die arabischen Länder können von der Landkarte verschwinden. Ihre Völker müssen zusammenleben, ihre Führer miteinander sprechen, verhandeln. Der abschließende Dialog weist auf die Möglichkeiten dauerhafter Vereinbarungen hin, enthält Worte der Hoffnung für die Zukunft.“

Ansonsten nichts Neues von der arabisch-israelischen Kriegsfilmfront. Völliges Schweigen herrscht über Artur Brauners Schlachtengemälde mit dem Eisenstein nachempfundenen Titel „Sechs Tage, die die Welt erschütterten“, gleichwohl das Opus schon angekündet wurde, als über der Wüste noch Rauchsäulen standen. Trotz abschlägigen Bescheids ist, wie man hört, der „Fuchs von Sinai“ noch nicht begraben. Verschiedenen Meldungen zufolge dreht Geza von Radvanyi nach einer Novelle des Engländers G. R. Grans-field das Durstepos „Geier können warten“ in deutsch-französisch-italienischer Koproduktion, ist auch Raphael Nuss-baum, assistiert von Italienern und Israelis, mit dem farbigen „Schatten über Tiran“ um die erbittert erstrittene freie Zufahrt zum Hafen Eliat am filmischen Werk. Genaueres weiß man über die einzelnen Vorhaben nicht.

So ist auch der echte und daher gute Science-fiction-Film selten, und man sollte sich hüten, ihn mit dem phantastischen Film in einen Topf zu werfen. Schlechte amerikanische Produkte, wie „Jesse James Meets Frankensteins Daughter“ und sogar „Billy the Kid vs. Dracula“ (diese Titel gibt es wirklich und sind als Filme im US-Filmjahrbuch „Screen World 1967“ enthalten), haben nichts mit jenen echten Science-fiction-Filmen zu tun, von denen es eigentlich nur wenige gibt und die sich gewöhnlich sogar

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