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Plakate, Photographien und Graphik

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Die lustigsten Plakate Europas geben sich derzeit in einem kleinen Tiroler Bergdorf Rendezvous. In Alpbach, in 1000 Meter Seehöhe, zeigt sich auch die europäische Plakatkunst auf einem überraschend höhen Niveau. Ein Teil der Ausstellung wurde schon vom Institut Franęaise in Innsbruck gezeigt. Er ist auch hier im Freien untergebracht, auf Schilfwandflächen aufgespannt und durch kleine dachartige Deckbretter gegen die schlimmsten Wettereinflüsse geschützt, wodurch es ihm besser geht als den Plakaten der Großstadt. Die besten Lösungen fand zweifellos Savignac, von „L’eau qui fait pschitt" bis. zu „Mon savon Dop". — Der andere Teil befindet sich im neueröffneten PauIa-von-Preradovic-Haus, das das kommende Heim des Oesterreichischen College in Alpbach sein wird. Einstweilen stehen nur zwei

Ausstellungsräume dem Besuch offen. Wie man mit wenigen Punkten, Strichen und Farben Vorträge und Kurse ins Auge fallend und zugleich ansprechend ankündigen kann, demonstrieren hier die kleinen Plakate der Ulmer Volkshochschule, Ein Beispiel, das den Wiener Volksbildungsstätten zur Nachahmung empfohlen sei.

Eine zweite, sehr interessante Ausstellung ist in den ersten Stock des Paula-von-Preradovic-Hauses eingezogen. Hier hängen eine Reihe überraschender Photos, die Prof. Otto Steinert, Saarbrücken, unter dem Titel „Subjektive Foto- gi r a f i e" zusammengestellt hat. Steinert erläutert den Begriff; „Subjektive Fotografie drückt formelhaft das persönliche Gestaltungsmoment des Lichtbildners im Gegensatz zur angewandten Gebrauchs- und Dokumentarfotografie aus. Die Ausstellung bringt formal und inhaltlich gestaltete Bilder, die nicht bloß vom Reiz des Gegenständlichen leben. Es geht datum, alle technischen und gestalterischen Möglichkeiten zu ermitteln, die zur Formung des Sichterlebnisses unserer Zeit geeignet sind. Es gilt, der Vermassung der Fotografie durch die Ueber- windung des Mechanismus bloßer fotografischer Reproduktion entgegenzuwirken." So reicht die Ausstellung vom ungegenständlichen Photogramm bis zur psychologisch vertieften und bildmäßig geformten Reportage. Alle technischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft und oft kombiniert: Negativdruck, Montage, Solarisafion, Reliefdruck. Der Gehalt der gezeigten Photos ist unterschiedlich; neben 17 Arbeiten Steinerts hängen 30 Arbeiten seiner Schüler.

Ein Teil der Photos scheint in seiner Gegen- siandsbehandieng nicht mehr Photographie zu sein; die Saarlandschaft Steinerts wirkt wie ein Oelgemälde, Monika von Bochs „Italienische Landschaft" eröffnet das Bild jener eigenartigen Landschaft, die man immer zu kennen glaubt, ohne je dort gewesen zu sein, weil man in ihr zu Hause ist — ein gerader Flußlauf mit Bäumen und Wäsche ist es diesmal. Andere Bilder wieder, so das Photogramm „Verspielter Punkt" oder „Rhythmus und Struktur" von Steinert, das fahrende Autos aus der Vogelperspektive festhäit und ihre verschiedenen Geschwindigkeiten sichtbar macht, sind nur im Bereich der Photographie denkbar. In seinen „Punkten und Linien" erkennen wir die Oberleitung einer elektrischen Bahnlinie, reizvoll durch die Ausschaltung des Himmels. Yves Fayet läßt in zwei Bildern den ganzen Indochinakrieg vor uns erstehen Bekanntes wird uns fremd und unheimlich in diesen Photos: so ein Weinberg in Wolfgang Hants „Struktur eines Weinbergs“, der hier zur gespenstischen Wirkung eines surrealen Waldes kommt. Oder umgekehrt wird uns Langgesehenes in seinem Wesen deutlicher und klarer sichtbar: etwa in der Aufnahme „Verschneiter Park" desselben Photographen.

Eine etwas akademisch geratene Ausstellung, die aber gleichwohl informativ ist, macht die Besucher der Internationalen Hochschulwochen in Alpbach mit der „Italienischen Graphik der Gegenwart bekannt. Die Bilder, unter denen der Expressionismus fehlt, haben die Konzentration auf ein Thema gemeinsam. Neben den abstrakten Farblithographien von Filippo Santo- maso, den lustig-primitiven Tuschzeichnungen „Frauen im Kaffeehaus" und „Frauen bei Tisch" von Massimo Campigli und Luciano Minguzzis sparsamen Farblithographien (darunter der „Hahn", schwarz-hellgrau-weiß) fallen zwei „Häuser" auf: Tono Zancanaros „Alter Palast in Padua" (Kaltnadel), ein Gebäude, das isoliert in der Nacht steht und aus dem seltsame Muster und Figuren treten — die Vergangenheit, die sich in das Gemäuer eingefressen hat. Bedeutender noch Paolo Manaresis „Haus auf dem Hügel" (Radierung). das die dichte, etwas drückende Atmosphäre einer Vorstadt bei Nacht wiedergibt Nennen wir noch Nunzio Gulino. Luigi Bartolini, Giuseppe Viviani und Armando Donna, und wir haben Italiens Beitrag zur zeitgenössischen Graphik, wie er sich hier repräsentiert, umschrieben.

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