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Romanische Kunst in Italien

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Der vorliegende Band gleicht in Tendenz und Form der „Gallia romanica“, die 195 5 im gleichen Verlag erschien. Gleich diesem ersten Band ist der zweite darauf ausgerichtet, vornehmlich durch vorzügliche Aufnahmen dem Betrachter des Buches die romanische Kunst eines Landes — in diesem Falle Italiens — erleben zu lassen. Der behandelte Stoff ist auf die Architektur und den mit ihr verbundenen plastischen und malerischen Schmuck, mit ganz wenigen Ausnahmen, eingeschränkt. Dem reichen Bildband sijuissin ejnführefitoAeJtnc&tymf&m-gfflfoHkJieH,tiVttim Albungen„ beigegeben.., h

Die Abbildungen sind vom künstlerischen Standpunkt aus hervorragend und lassen kaum einen Wunsch offen. Nicht nur Form und Farbe fangen sie vorzüglich in die einfarbige Platte ein, sondern überall schwingt auch die Atmosphäre mit, so daß jedes Bild mit großartiger Lebendigkeit erfüllt ist. Die wohldurchdachte Bildzusammenstellung bringt Spannung in den Ablauf, da Standpunkt und Blickwinkel des Betrachters ständig wechseln. Der Bildteil wurde überaus sorgfältig reproduziert. Lichtdrucktafeln von prachtvoller Tonigkeit geben die Aufnahmen ausgezeichnet wieder. Sie erreichen manchmal Wirkungen, die an schöne Lithographien erinnern.

Der Band ist ein Standardwerk unter den heute so beliebten Reisebilderbüchern. Daher ist er auch ganz vom subjektiven, gestaltenden Standpunkt des Photographen aus gesehen und läßt leider manches wesentliche Kunstwerk vermissen. Dadurch aber läuft der Autor Gefahr, daß das Bild der „Italia tomanica“ unvollständig wird, wenn etwa der Dom von Modena nur mit einem Detail aus seinem Inneren, der von Ferrara nur durch ein solches der Fassade (ein Kopfausschnitt) vertreten ist. Es fehlt auch die Abteikirche von Nonantola. Schmerzlich vermißt man das Werk des Meisters Wilhelm, dessen Skulpturen am Dom von Modena für die Entwicklung der oberitalienischen Plastik von entscheidender Bedeutung sind Vom goldenen Paliotto aus San Ambrogio in Mailand gibt das gewählte Detail eines Dreieckfeldes keine hinreichende Vorstellung. Wir vermissen das Ciborium eben dieser Kirche mit ihren bedeutenden Skulpturen, die wichtigsten Fresken aus San demente in Rom und vieles andere mehr, was der Meinung des Rezensenten nach zum Verständnis der romanischen Kunst in Italien wesentlich wäre.

Diese Lücken werden um so deutlicher, da der ausgedehnte Einleitungstext versucht, eine allgemeine Charakteristik der Epoche zu geben. Dabei werden manche Thesen aufgestellt, die kaum vertretbar sind. Das Fehlen einer einheitlichen Linie macht allerdings eine generelle Auseinandersetzung damit auf knappem Raum nahezu unmöglich, doch muß einiges herausgegriffen werden. So vermißt man ein Herausarbeiten des spezifisch Italienischen in der romanischen Kunst, wobei noch zu vermerken ist, daß der Umfang des Werkes nach oben bis in die karo-lingische Zeit ausgedehnt wurde. Ob dabei zwischen der Kunst des 9. und der des 10. Jahrhunderts wirklich eine „abgründige Kluft“ besteht, ist wohl zu bezweifeln. Der Erklärung der Kunstwerke aus einem Gewirr von Einflüssen aus Ost und West wird man kaum beipflichten können. Vor allem die Bedeutung des germanischen Elementes ist überschätzt. Das gilt besonders für den Begriff des Langobardischen. Während heute die Forschung darin einig ist, daß selbst der sogenannte „langpbardische“ Stil zum allergeringsten nur mit diesem Volke zu tun hat, sieht der Autor noch im 11. und 12. Jahrhundert lango-bardische Stilelemente. Die Verbindung zwischen dem germanischen und dem byzantinischen Element käme dem Autor zufolge vornehmlich dem Benediktinerorden zu. Wir können uns aber auch nicht mit einer Erklärung der Mailänder Pala d'oro aus einem karo-lingischen Reichsstil — darunter ist etwas anderes zu verstehen als unter karolingischer Renaissance —, noch weniger mit einer Lokalisierung nach Reims einverstanden erklären, ebensowenig damit, daß das „armenische Trompengewölbe“ über die Normannen in Sizilien nach Italien eindrang, noch auch damit, daß die Elfenbeinschnitzereien im Dom zu Spoleto, die heute zu einem Antependium vereinigt sind, aus fatimidischen Anregungen zu verstehen seien und vieles ähnliches mehr.

So spricht das schöne Buch seine Vorzüge nur aus, wenn man sich ganz dem Erleben der herrlichen Bilder hingibt, in der Art des Reisenden, vor dessen Auge italienische Kunstwerke der romanischen Zeit abrollen mit all der Spannung, die das Suchen und Finden unbekannter, neuer Schönheiten bringt. Man beginnt seine Reise in der Lombardei und zieht das westliche Italien hinab nach Sizilien, um dann über Kalabrien, die Marken, die Romania und Emilia nach Venezien zu gelangen. Nur aus dieser Sicht heraus kann man auch die Anordnung des Buches begrüßen, durch die die oberitalienische Kunst so zerrissen wird, daß die Lombardei an den Anfang des Buches, die Emilia und Venezien an sein Ende zu stehen kommen. Nur aus dieser Sicht heraus aber ist das Buch auch ein reiner Genuß. Seine Ausstattung ist vorbildlich.

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