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Symbole als Mittel der Visualisierung

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Zwei neue Rücher liegen auf dem Tisch, die, unabhängig von einander erschienen, geradezu herausfordern, in einer christlichen Wochenzeitung vor Ostern gemeinsam auf einer Seite besprochen zu werden: „Symbole der katholischen Kirche” und „Die Synagoge”. Die Kirche als Zentrum des christlichen Glaubenslebens, die Synagogejjs Zentrum des jüdischen Glaubens und Lebens: Die beiden Themen sind nicht nur religiös, sondern viel umfassender aufeinander bezogen.

Die Kirche der Katholiken war im christlichen Abendland durch viele Jahrhunderte nicht nur Sakralraum, sondern auch als Bauwerk ein weithin ausstrahlendes Symbol des Glaubens, eines einigenden geistigen Prinzips, aber auch der Macht. Ihre architektonische Gebärde drückte - als prunkvolle Kirche des Barock genauso wie als himmelstrebender gotischer Bau - Autorität, zugleich aber Beschützendes aus, vermittelte die ambivalente Botschaft, sich in Unterordnung anvertrauen zu dürfen: als einzelner der Kirche und als Kirche, als Gemeinschaft der Gläubigen, Gott.

Die Synagoge war stets in einem viel höheren Maß als die Kirche für die Christen, nicht nur Mittelpunkt des Glaubens, sondern des ganzen Lebens, auch des Alltags. Im christlichen Abendland gewann dieses Letztere noch an Bedeutung.

Die Kirche war jahrhundertelang nicht nur geistiges Zentrum, sondern eben auch Symbol weltlichen Machtanspruchs. Die Synagoge hingegen war Zufluchtsort und geistiges Kraftzentrum einer Minderheit, die man zeitweise leben ließ, zeitweise verfolgte, dazwischen „nur” niederhielt und gelegentlich ausrottete. Sie war umfassendes Gemeindezentrum. Kirche und Synagoge können nicht unabhängig voneinander gedacht werden, auch nicht reduziert als Symbole und Zentren zweier eng miteinander verwandter Religionen. Kirche und Synagoge im christlichen Abendland stehen immer als Zeugnis einer Geschichte, Geschichte im mehrfachen Sinn: Leidensgeschichte, Geschichte als Ereignisablauf, Geschichte als Erzählung, welche die Opfer und das Leid nicht aussparen darf. In diesem Sinne stehen die beiden Rücher in einem stummen Dialog.

Im Rildband des Rrandstätter-Verlages erklärt Dom Robert de Gall, Abt von Kergonan, die Symbole des Christentums. Die wunderschönen Fotografien von Laziz Hamani zeigen naturgemäß überwiegend Objekte in Kirchen. Das Symbol der heiligsten Dreifaltigkeit, „die in ihrer Abstraktion mit einem mathematischen Zeichen vergleichbar ist”, wurde zum Reispiel wohl an wenigen Orten so versinnlicht wie in der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom, wo das göttliche Auge im scharf gezeichneten Dreieck von sehr menschlich und weiblich anmutenden Engelsköpfen umgeben ist.

Die 'Aufnahmen visualisieren auch, als Gesamtheit, die Spannung zwischen dem überschießenden Prunk des Barock, wie er sich etwa in einer lateinamerikanischen Kirche (siehe kleines Bild) manifestiert, und der geistigen Konzentration auf das Wesentliche, die sich beispielsweise im strengen Sanktuarium der Abteikirche von Sainte-Anne de Kergonan ausdrückt - oder im Foto einer Benediktiner- Meßfeier (siehe großes Bild).

Die Texte des Buches können als konzentrierte, populäre, aber durchaus anspruchsvolle Einführung in die Welt des katholischen Glaubens gelesen werden. Sie können der Glaubens-vertiefung des Katholiken ebenso gut dienen wie als Information für den NichtChristen. Die Symbole erweisen sich dabei als originelles, ungewöhnliches Organisationsprinzip, das der Visualisierung entgegenkommt, ohne ihr zuliebe irgendwelche Kompromisse zu machen.

Wobei der Begriff der Symbole hier keineswegs nur die sichtbaren wie Kreuz, Kirche, Gewänder, ponti-fikale Insignien, Tabernakel, Kerzen, Weihrauch und so weiter umfaßt, sondern auch die Sakramente, die sakralen Zeichen, „Gesan'g, Gesten, Kleidung” und den liturgischen Jahreskreis. Das Werk reiht sich würdig in die Buchserie „Symbole der Weltreligionen” ein, in der bereits „Symbole des Judentums” und „Symbole des Buddhismus” (ebenfalls mit Aufnahmen von Laziz Hamani) erschienen sind.

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