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Weg vom allzu Zweokbetonten

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Die Kunst zu bauen ist aufs engste mit dem Menschen, mit seinen Wünschen und Sehnsüchten verbunden. Sie hilft das Leben zu organisieren: das individuelle, das Leben der Familie, das Leben der Sippe, des Dorfes und der Stadt. Entstanden aus den jeweiligen Bedürfnissen, angepaßt dem Material, dem Klima, sowie dem Können und Kunstempfinden der Erbauer, ist sie ein beredtes Zeugnis menschlicher Entwicklung und Kultur. Neben ihrer Zweckgebundenheit ist man bei der Errichtung von Bauten oder Baukomplexen stets mit hohem Einfühlungsvermögen in bezug auf die Umgebung und die Landschaft vorgegangen.

Mit dem explosiven Wachstum der Städte und Siedlungen in unserem

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technischen Zeitalter, befiel die Menschheit eine in der Geschichte beispiellose Demolierungswut gegen alles Alte und Funktionentfremdete. Viele ehrwürdige und originelle Architekturdenkmäler, ja ganze Stadtteile fielen ihr zum Opfer, und auch heute noch, trotz bestehender Denkmalschutzgesetz, werden leider immer noch — wenn auch nur vereinzelt — weitere Verwüstungen angerichtet. Die hohen Renovierungsund Erhaltungskosten dieser Bauwerke, ihre den modernen Verkehr oft behindernde Lage und Beschaffenheit, und vor allem die großen Schwierigkeiten, diese historischen Bauwerke einer neuen, zweckmäßigen Funktion zuzuführen, sind vorläufig die schwerwiegendsten Argumente gegen ihre Erhaltung.

Mit der immer weiter fortschreitenden, oft unüberlegten und sinnlosen Zerstörung, welche ganze Landstriche, viele Städte und Siedlungen ihrer durch Jahrhunderte gewachsenen Wahrzeichen, Merkmale, Akzente und Besonderheiten beraubte, die bald öd und verlassen dalagen und einen trostl an Anblick darboten —, erinnerte man sich langsam, daß die Baukunrt neben ihrer reinen Zweckgebundenheit auch noch eine ebenso wichtige ästhetische Funktion im Ortsbild beziehungsweise in der Landschaft zu erfüllen hat.

In bezug auf gut verstandene und angewandte Denkmal-, Orts- und Stadtbildpflege ist man im Ausland bereits viel fortschrittlicher als bei uns. Dort opfert man seit langem nicht mehr alte Baudenkmäler dem Verkehr; historische Orts- oder Stadtkerne werden zu Fußgängerzonen erklärt und der starke Verkehr um- oder in die neuentstandenen und entsprechend großzügig geplanten Stadtteile geleitet. Alte Architekturdenkmäler und Baukomplexe sind zu Tabus geworden, zählen zum kostbarsten nationalen Kulturgut und werden mit größter Sorgfalt instandgehalten.

In jüngster Zeit plant man auch in Österreich, in den alten Stadtkernen von Salzburg, Krems, Innsbruck und Klagenfurt Fußgeherbezirke zu errichten. Doch wieviel wurde bereits allein in den letzten Jahren und wird leider noch immer vom Bestand unserer unersetzlichen Baudenkmäler, einer oft nur kurzfristigen und unüberlegten Verkehrsverbesserung, Fehlplanung oder Spekulation geopfert. Anscheinend will man es nicht wahrhaben, daß die Pflege österreichischer Kultur sich nicht allein in der Pflege des Musik-und Kunstschaffens unserer Ahnen erschöpft, sondern daß sie auch die Erhaltung des überlieferten Baubestandes in und mit ihrer ursprünglichen Umgebung verlangt. Denn nur so, im optischen Einklang von historischem Bauwerk und Umgebung, können sie ihre ästhetische. Funktion beibehalten und ausstrahlen; eines der wichtigsten Momente, auf die die moderne Denkmalpflege unmöglich verzichten kann. Dies bezieht sich nicht allein auf die großen und berühmten Architekturwerke der Vergangenheit, sondern ebenso auf die wenig bekannten Werke der Volksbaukunst, die gerade durch ihre Einfachheit das Heimische um so deutlicher vermitteln und somit zu einem Charakteristikum unseres Landes geworden sind.

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