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Abschied von einer großen Persönlichkeit

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Tach Christian Broda und Bru-

no Kreisky selbst ist mit .. 1 Hertha Firnberg eine der wenigen herausragenden Persönlichkeiten der Ära Kreisky dahingegangen - das Charakterbild des wesent-hch jüngeren Hannes Androsch schwankt dagegen noch von Parteienhaß und Gunst verwirrt.

Es ist selten, daß eine Persönlichkeit zur Symbolfigur wird, daß in ihr Tendenzen der Gesellschaft zusammenfließen und sich in ihr verkörpern. Bei Hertha Fimberg war es aber so: Mit ihr ist sowohl die Rangerhöhung der Frau in der Gesellschaft als auch die der Wissenschaft verknüpft.

Sie setzte sich als führende Frauenpolitikerin für die Emanzipation der Frau ein - ohne wie Nacnfolge-rinnen von ihr eine „Emanze" oder Feministin zu sein. Sie war eine Einzelkämpferin, die sich auch ohne Geschlechterproporz Respekt verschaffte und den Weg nach oben

aus eigener Kraft schaffte. Sie ordnete auch das Privatleben ihren Zielen imter. Sie war zwei Mal kurz verheiratet, meinte aber selbst, daß dies nur Episoden gewesen seien. Sie konzentrierte ihre enormen Kräfte in ihre Karriere, die aber nicht einmal in erster Linie der Befriedigung ihres Ehrgeizes diente, der sicher ebenso motivierend wirkte wie ihre Eitelkeit, sondern der Wahrnehmung imd Durchsetzung allgemeingültiger Anliegen.

Es lag ihr viel daran, ihre eigene Partei, die vordem überwiegend auf Fragen der Sozialpolitik fixiert war, für Bildungs- und Hochschulfragen zu interessieren und eine Verbindung von Arbeiterschaft und Wi-senschaft in Sinne von Ferdinand Lassalle herbeizuführen. Sie hatte aber keine parteipolitischen und klassenkämpferischen Scheuklappen und folgte in erster Linie Leistungskriterien. Sie ware eine zähe Arbeiterin, die sich nicht schonte, aber auch von den Mitarbeitern vollen Einsatz verlangte. So hat sie das

Ressort für Wissenschaft und Forschung, das Kreisky 1970 schuf, die ganze Ära hindurch bekleidet und in dieser Funktion prägend gewirkt.

Enttäuschungen sind ihr nicht erspart gebheben. Auch Pfeile aus den eigenen Reihen trafen sie tief. Sie hat sie es nie verwunden, daß Kreisky vor laufender Kamera auf die Frage, warum nicht sie, sondern Haimes Ändrosch Vizekanzler wurde, antwortete: „Alt bin ich selber."

Auch ich mußte ihr, ohne es zu wollen, Entäuschungen zufügen, da ich meiner eigenen Entwicklung folgend, ihre politischen Erwartungen, die sie in meine von ihr geförderte Karriere gesetzt hatte, nicht erfüllen konnte. Doch betrachte ich es als Genugtuung, daß sie bei der letzten Gelegenheit, die uns im Herbst 1993 zusammenführte, auf mich zeigend sagte: „Ich habe ihn als geistigen Adoptivsohn betrachtet, aber es ist Schicksal der Mütter, daß die Söhne ihre eigenen Wege gehen." Auch darin lag Größe und Versöhnung,

die mich tief bewegen.

Firnberg mußte auch sachliche Enttäuschungen erleben: So erkannte sie, daß die Hochschulreform nicht das gebracht hatte, was sie wollte. Sie erklärte mir vor Jahren: „Du warst in deiner Einschätzung realistischer als ich. Ich habe geglaubt, daß die Assistenten von den Fehlern der Professoren lernen. Es scheint aber, daß sie diese vielfach reproduzieren ohne das Format, das die Professoren der alten Universität immerhin hatten, zu erreichen."

Doch es macht nicht die Größe ihrer historischen Persönlichkeit aus, daß sie in allem und jedem recht behält, sondern daß sie Markierungen gesetzt und Weichen gestellt hat, die Bestand haben, auch wenn sie mit Rückschlägen verbunden sind. Die meisten Politiker und Minister werden schnell vergessen. Nur die, mit deren Leben und Werk sich etwas Überdauerndes verbindet, leben im Gedächtnis der Nachwelt weiter. Zu diesen wenigen gehört Hertha Firnberg.

Kein Glasnost bei Medien-Manager

Gerhard Zeil er FOTO VIENNAREPÖRT

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