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„Are de Triomphe“

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Zwischen den beiden Kriegen erschien „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Das allgemeine Urteil war, daß der literarische Wert des Buches nicht sehr groß, die Geschicklichkeit aber, mit der der Autor zu wirken verstand, ansehnlich war. Remarque hatte den Krieg in wilder Realität gezeichnet, wie er war, entblättert von allem trügerisdiem Lorbeer. Der „Sergeant Himmelstoß“ ist geradezu zu einem Begriff geworden. Der beginnende Nationalsozialismus nahm Stellung gegen das Buch sowie gegen den Film, dem es den Stoff geliefert hatte.

1933 mußte Remarque ins Ausland gehen. In Deutschland noch hatte er den „Weg zurück“ geschrieben, dessen Erfolg an „Im Westen nichts Neues“ nicht herankam. Im Exil entstanden „Drei Kameraden“, und

mm als letztes Werk des Autors „Are de Triomphe“ (429 Seiten, Schw. Fr. 17.20, Micha-Verlag, Zürich).

Laut Ankündigung des Verlages wurden von „Are de Triomphe“ in den USA innerhalb sechs Monaten eine Million Exemplare verkauft. Die Schweizer Presse schrie len Lesern seinen Titel entgegen — wenn nan aufmerksam hinsah, mehr im Inseraten- als im redaktionellen Teil. Immerhin, es handelt sich um ein Buch mit Wclterfolg, wert, daß man es auch in Österreich einer Be-traditung unterziehe.

Erster Eindruck: Der alte Emile Zola wird im Vergleich zu Remarque zu einem weltfernen Romantiker, neben „Are de

...Deshalb wird auch immer, wenn es in der menschlichen Gesellschaft wieder einmal recht arg aussieht, zur Zeit eines Kulturbruches oder der Verschüttunct oder Verkehrung einer großen politischen Idee, besonders aber wenn die Grundlagen des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens in schweren Krisen erschüttert werden, das Sehnen nach einer Rückkehr zu naturechterer Ordnung des öffentlichen Lebens wach. Es treten Mahner und Warner auf, deren Ruf einen Widerhall im Gewissen der einzelnen findet, aber auch in dem der Völker, denen vor ihrem Tode graut. Dem Aufschwung idealistischer Weltanschauung zu Anfang des 19. Jahrhunderts war allerdings keine lange Lebensdauer beschieden. Denn schon bald erschien der philosophische Positivismus, der unter Abkehr vom metaphysischen Denken nur das sinnlich Wahrnehmbare als Realität gelten läßt. Von da zum Juristischen Positivismus, zur Beschränkung der Rechtswissenschaft auf die zeitmäßig gegebene Rechtsordnung — als die einzig anzuerkennende — Ist nur ein Schritt. Es wäre eine interessante Untersuchung, den Anteil zu erforschen, den die positivistische Rechtsphilosophie des 19. Jahrhunderts an den sozialen Katastrophen des 2 0. Jahrhunderts hat. Eines ist sicher: Ihr Vorherrschen in der Rechtslehre hat es bewirkt, daß die soziale Gesetzgebung statt unter Anerkennung der naturrechtlichen Begründung der Ansprüche der Arbeiterschaft immer wieder nur als ein rechtspolitisches Auskunftsmittel, als ein dem Unternehmertum abgerungenes Stück gesellschaftlicher Macht in die Erscheinung treten konnte.

Di. Adolf Pili: „Die unwandelbare Grundlage des Rechtes“, aus „Kultur und Politik“, 1937

Triomphe“ wird „Nana“ zum Backfisch-roman. Daß ein Buch, dessen größter Teil der satten Schilderung von Pariser Bordellen und AbtreibungsklTniken gewidmet ist, einen derartigen Verkaufserfolg hat, ist für den Geschmack des westlichen Lesepublikums nicht gerade ein gutes Zeugnis. Der Verfasser scheint auf den Nervenkitzel nicht umsonst spekuliert zu haben.

Nach der eindeutigen Feststellung, daß es auch für einen realistischen Schriftsteller Grenzen gibt, die auf keinen Fall unterschritten werden dürfen, verdient „Are de Triomphe“ den Vermerk, daß seine Schilderung des Emigrantenlebens von dokumentarischem Wert ist. Es war wirklich so, daß der mit Paß und Visum ausgestattete Gestapoagent und Spion in einer westeuropäischen Hauptstadt ein geehrter Gast war, während der Emigrant mit Aufenthaltsverbot und Ausweisung bedacht wurde und von Konsulat zu Konsulat lief, um am Abend wieder vor der Tatsache zu stehen, daß sich ihm jede Lebensmöglichkeit verschloß. Die guten Ratschläge, doch nach Deutschland zurückzukehren, führten in ungezählten Einzelfällen zu Verzweiflung, Wahnsinn und Selbstmord. Die Szene auf Seite 395, wie. die jüdischen Emigranten zuerst als „Sales boches“, dann ab „Sales refugies“ und zuletzt als „Sales juifs“ bezeichnet werden, ist wehiger hodiliterarisch als vielmehr eine Charakteristik, wie es wirklich war. a

Es kann kaum der Wunsch ausgesprochen werden, Remarques „Are de Triomphe“ etwa in den Buchclearing einzubeziehen. Unser Lesebedürfnis geht nach ganz anderen Richtungen. Wenn aber das Buch den Lesern im glücklichen Westen der Erde das Schicksal des antinationalsozialistischen Emigranten nahebringt, so kann es damit gewisse Fragen nach dem Warum klären. Trotz aller bedeutenden Mängel, welche die Lektür^ zu allem anderen eher als i zu einem Genuß machen.

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