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Das siebente Siegel

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Der große schwedische Regisseur, Ing-mar B e r g m a n, dessen „J u n g-frauenquelle“ kürzlich in Wien gezeigt wurde, ist nicht selten mißverstanden worden, denn seine symbolhafte Bildsprache ist nicht ohne weiteres jedem zugänglich. Nunmehr erreicht uns sein Streifen „Das- siebente Siege 1“, der gleichsam einen Schlüssel zu allen seinen Werken darstellt. Bergmans elementarstes Problem ist die Frage nach der Existenz und der Erfaßbarkeit Gottes und nach dem Sinn des Lebens und des Todes. Der Kreuzritter Antonius Blok kehrt nach zehnjähriger Abwesenheit in seine Heimat zurück. Unendlich viel an Greuel, Not und Tod hatte er erlebt, und nun steht plötzlich die schwarze Gestalt des Todes vor ihm. Blok will noch eine Frist, denn er ringt mit der Frage nach Gott und will erst Klarheit, dann ist er bereit. Er schlägt dem Tod ein Schachspiel vor, und solange die Partie währt, währt auch seine Frist. Überall sucht er nach Gott, der vom menschlichen Verstand nicht erfaßbar, nur gläubig erlebt werden kann.

Das Land wird von der Pest heimgesucht, und der Tod hält reiche Ernte. Mit bohrender Hartnäckigkeit stellt Bergman die Frage, ob der Mensch Gott und den Sinn der Welt begreife« kann. Er stellt diese Frage in vielen Gestalten: im ernsten und ehrlichen Suchen Bloks, der mit seiner Skepsis ringt, im Protest des abgebrühten Atheisten lörns, in der kindlich-naiven Sehenskraft des Gauklers lof. Die Landschaft und die mittelalterlichen Menschen offenbaren gleichnishaft Vergehen und Werden. Liebe und Haß, Leidenschaft und Angst.

Die Bildsprache dieser faustischen Tragödie ist von gewaltiger Eindruckskraft und beweist Bergmans eigenständige Kunst. In jeder Szene ist Dynamik und Wucht, und über allen kreist — wie zu Beginn in den Wolken über der Erde ein Adler kreist — der Tod. Deutlich wird aber auch offenbar, daß Bergman aus der nordischen Welt kommt, dem die intellektuelle Frage nach Gott vordringlicher ist als Auferstehung und sieghafte Erlösung. Er vermag nicht über den gemarterten Leichnam am Kreuze hinauszublicken in den Ostermorgen. Trotzdem vermag der Film auch den gläubigen Christen zu bedrängen, denn der Glaube ist zu allen Zeiten schwer gewesen. Vor allem für den intellektuellen Menschen bleibt er vielfach „wie eine Liebe zu etwas, was im Dunkeln steht und auf unsere Fragen nicht antwortet“. Der gewaltige Bogen des Films bildet die Stelle aus der Geheimen Offenbarung des heiligen Johannes (8, 1): „Als das Lamm das siebente Siegel erbrach, war am ganzen Himmel eine große Stille.“ Es ist die Stille, bevor die Engel die Posaunen des Weltgerichts erschallen lassen. Es ist aber auch die letzte Frist vor dem Tode eines jeden Menschen. Wenn der Film auch kc n Ergebnis anzubieten vermag, so vermittelt er die heilsame Bedrängnis, die kein Mensch fliehen soll, denn jeder ist genteint.

Neben diesem gewaltigen Werk nehmen sich die übrigen Filme der Woche unansehnlich aus: das überharte amerikanische Wildwestdrama, beladen mit seelischen Komplexen, „Massaker im Morgengrauen“, das abenteuerliche Partisanenstück „Der Haufen der Verlorenen“ oder die filmische Carmen-Variante ..Das Mädchen aus G r a n a d a“. Undiskutabel ist aber die belanglose Dirnenkomödie ,,Rosemarie G. m. b. H.“.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): IV (Für Erwachsene): „Das siebente Siegel“ — IV a (Für Erwachsene, mit Vorbehalt): ..Massaker im Morgengrauen“ — IV b (Für Erwachsene, mit ernstem Vorbehalt): „Flin-:enweiber“, ..Pikanterien aus Paris“, „Die Reichen sind gegenüber“ — V (Abzuraten): „Sittenakte 1413“, „Kalter Wind m August“.

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