6585702-1951_45_07.jpg
Digital In Arbeit

Der Affe Gottes

Werbung
Werbung
Werbung

So ahmt der Satan in allem Spruch und Position Gottes nach. Aus dem Reich Gottes macht er das Reich dieser Welt.

Aus der Gemeinschaft der Heiligen wird die Masse der Sünder, der Gleicherleihaufe der Sauherde von Gerasa.

Aus Mystik produziert er Mystizismen aller Art und Magie; aus der Gnade kommt ein Supranaturalismus oder eines jener Gebilde, davon die Dogmengeschichte über die Gnadenlehren der Häretiker zu berichten hat.

Der Bruderliebe setzt er die Brüderlichkeit entgegen. Recht und Gerechtigkeit vernebeln sich im Panjurismus. Freiheit darf Willkür und Libertinismus werden. ■ Armut wird Pauperismus, Verarmung und Verelendung und Schmutz. Keuschheit wird Härte in den alten Jungfern und Prüderie in den Hagestolzen.

Gehorsam wird Drill und Mechanismus gut parierender Individuen wie in einem geistlichen Marionettentheater.

Göttliche Institutionen auf Erden gleiten zu irdischen Organisationen ab.

Organismus wird Mechanismus wie Kultur zur Zivilisation,

Aus christlichem Humanismus macht er einen Humanitätsdusel.

Und aus der Liebe? Aus ihr macht er die tollsten Verzerrungen, indem er alle ihre Formen, je nach Bedarf, für ihr Wesen einsetzt: bald ist sie Erotik, bald Sexualität, bald ist sie „platonisch“, bald spiritualistisch, bald irgendeine der Perversitäten — tausend Formen gibt tausendmal das Wesen der Liebe.

Der Teufel ist nichts als der Affe Gottes. Ein schlauer, ein für den Menschen gefährlicher, aber langweiliger Affe. Leider stehen wir Menschen vor dem Affenkäfig, um uns zu amüsieren, anstatt ein wenig Herzklopfen und Angst zu haben. Denn dieser Affe, der Affe Gottes, lebt keineswegs — „nequaquam!“ — in einem Käfig, sondern springt frei umher...

Warum läßt sich Gott diese Nachäfferei gefallen? Der Teufel übertreibt oder untertreibt, weil er eben ein Affe ist und es nicht ganz versteht und vor allem nicht kann, was Gott tut. Es geht ihm immer noch und immer wieder darum, Gott gleich zu sein; da er aber die Herrlichkeit Gottes niemals erreichen kann, errichtet er die Herrlichkeit der Erde, wie er sie großartig Christus auf dem hohen Berge vorzeigt (Mt. 4, 8). Die Gloria Dei wird zur Gloria mundi, in die der Teufel die Menschen hineinführen will, um eine nachgeäffte Hierarchie um sich zu haben, einen Hofstaat der Finsternis. Er neidet Gott so sehr das Gottsein, daß er lächerlich wird: „Er widersetzt sich und erhebt sich über alles, was Gott heißt und Gottesverehrung, so daß er sich in den Tempel setzt und 6ich gebärdet, als sei er Gott“ (2. Thess. 2, 3 f.) — so weit treibt ihn der Neid.

Dieser Affe Gottes wird dem Menschen zur Prüfung gelassen, damit der Mensch sehe, wie wenig wert der Gotteskampf des Teufels ist. Alle die erlogenen Mittel seines Kampfes, alle Perversion des Göttlichen enthüllen nur die chaotische Macht, die vor Gott eine Ohnmacht ist. Dieser ist der Mensch ausgesetzt, daß er lebenslang daran sich prüfe, wie weit seine Freiheit Liebe geworden ist. Der Sinn der Versuchungen Christi und der Christen ist doch nur der: daß der Mensch einen Maßstab seines Gewissens habe: ununsquisque abundet in suo sensu — Sinn und Gewissen eines jeden fließe über von dem, was in ihnen ist; 6ie seien „gründlich“, die Quelle offenbarend, aus denen sie gespeist werden; sie sollen kundtun, was in ihnen liegt; der Mensch soll bekennen, wessen Kind er ist. Die Versuchung muß offenbaren, ob der Hochmut dieser Erde größer in ihnen ist als der Ubermut aus Gott.

Manchmal ist es nicht ganz leicht, diesen Affen Gottes zu entlarven. Er zitiert die Bibel, und weiß mit dem Worte Gottes geschickt umzugehen; er benutzt orthodoxe, theologische Begriffe; er kommt in Pseudo-aposteln, Pseudolehrern und falschen Propheten; er tritt als Messias auf und hat die Gestalt des Lichtengels. Aber Sankt Paulus sagt: „Sollte unser Evangelium verhüllt sein, so ist es für die verhüllt, die verlorengehen, bei Gläubigen, denen der Gott dieser Welt den Verstand verdunkelt hat, damit der Lichtglanz des Evangeliums von Christi Herrlichkeit nicht leuchtet, der Gottes Abbild ist“ (2. Kor. 4, 3 f.).

Aut „Der Feind des gläsernen Menschen“, Verlag Herold, Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung