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Der Himmel war lila

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Der in Villach lebende steirische Dichter-Arzt Heinz Pototschnig ist für sein lyrisches und erzählendes Werk schon mit mehreren Preisen, wie dem Kurzgeschdchtenpreis der Roseggerstiftung, dem Theodor-Körner-Preis und dem Ludwig-Ficker-Gedächtnispreis, ausgezeichnet worden. Er hat nun seinem im Jahre 1967 erschienenen Kurzgeschichtenband „Der Himmel war lila“ einen weiteren, zehn kleine Erzählungen, die von Kindern, eben den „grünen Schnäbeln“ handeln, folgen lassen. Sie berichten von deren Seelen- und Traumleben, von ihrer entwaffnenden Logik und ihrer Beharrlichkeit im Wünschen, von ihren Freuden und Enttäuschungen mit Menschen und Tieren und mit ihresgleichen.

Das Schöne an diesen Erzählungen ist die völlig unsentimentale Wiedergabe dieser kindlichen Welt, die da in schlichten und einfachen Sätzen vor dem Leser entfaltet wird. In jeder dieser Kinderflguren, die nicht nur der geschulte Blick des Arztes beobachtet hat, sondern auch der liebende eines Menschen, der selber Vater ist, lebt in nuce schon der ganze Mensch mit all seinen Eigenschaften, die ihm das Leben einmal leicht oder schwer machen werden. Und dennoch leben sie noch ganz in ihrer Welt, und es sind ihre kindlich-weisen Maßstäbe, die sie an ihre Umwelt legen. Das wird oft nicht expressis verbis gesagt, sondern nur zart angedeutet, durch eine verlegene oder herausfordernde Geste, einen Blick, einen kindlichen Urlaut, der seinerseits wiederum sehr nachdenkliche Reaktionen bei den Erwachsenen auslösen kann. Wie immer in seinen kurzen Erzählungen, arbeitet der Dichter auch hier mit der Technik des doppelten und mehrfachen Bodens, und manche dieser Geschichten erschließt sich erst ganz bei mehrmaligem Lesen. Sie künden uns auch von den Schwierigkeiten der Erwachsenen, sich ihren kleinen Partnern verständlich zu machen, besonders dann, wenn es um religiöse Bilder und Geheimnisse geht. Davon zeuge ein Stückchen Dialog zwischen dem kleinen Christian und seinem Freund Bärenfänger aus der Geschichte von dem Osterlämmlein, das man nicht kaufen kann: „Von einem gegenüberliegenden Hügel dröhnte ein Böllerschlag. Eine blaue Rauchwolke stieg auf und fegte davon.

.Sie schießen Ostern ein', sagte der Mann.

,Am Kirchtag schießen sie auch', sagte Christian.

,Ja', sagte Bärenfinger, ,aber da

schießen sie anders.'

,Warum?' fragte Christian.

.Heute wecken sie den Herrn', sagte

Bärenfänger und nahm die Pfeife aus dem Mund.

.Welchen Herrn?' fragte Christian. .Unseren Herrn Jesus', sagte Bärenfänger, ,weißt du, wer das ist?' ,Unser Herr Jesus', wiederholte Christian langsam und gedehnt. Bärenfänger sah ihn an und Christian schaute zurück, prüfend und ungewiß, ob er es recht gemacht hatte.

Plötzlich lächelte er Junge, und erfreut, es zu wissen, stieß er hervor: ,Das Jesuledn!'

,Zu Weihnachten', sagte der Mann, ,ist es das Jesulein. Zu Ostern ist es Jesus.'

,Jesus Christus', sagte der Junge. .Jesus von Nazareth, König der Juden“, sagte der Mann, schaute durchs Fenster in seine Stube, wo der Gekreuzigte hing, klein und aus Holz, und wo es stand — INRI —, ohne aß er es lesen konnte oder es zu lesen brauchte. Der Junge sah ihn forschend an. .Gekreuzigt, gestorben und wieder auferstanden', sagte der Mann, ,für dich, für mich, für alle.' Der Junge sagte nichts. Er spielte verlegen mit seinen Fingern, und mit der Spitze seines rechten Schuhes bohrte er ein Loch in den Boden. Der Mann blätterte im Kalender seiner Jahre, aber er fand nichts darin, was ihm geholfen hätte, es dem kleinen Jungen deutlicher zu machen.“

So korrespondieren die Schwierigkeiten der Großen sehr oft mit jenen der Kleinen. Und es sind nicht selten die Kleinen, die der Lösung des Rätsels, das uns allen aufgegeben ist, näher sind als wir, die wir schon so manches Kalenderblatt unserer Jahre abgerissen und in den Wind der Zeiten geworfen haben. Daß uns Pototschnigs, an Stifter gemahnende, einfache Erzählweise für Augenblicke dessen inne werden läßt, schlägt erneut zu Buch für den Dichter und sein bisher geleistetes Werk.

DIE GRÜNEN SCHNÄBEL. Zehn Geschichten über Kinder von Heinz Pototschnig. Eduard-Kaiser-Verlag, Klagenfurt 1969, 101 Seiten.

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