6736013-1966_20_14.jpg
Digital In Arbeit

„Die Siindflut“

Werbung
Werbung
Werbung

Das Linzer Landestheater brachte in den Kammerspielen Ernst Barlachs 1924 geschriebenes, aber selten gespieltes Drama „Die Sündflut“. Fast zur gleichen Zeit, da Paul Claudel aus katholischer Geisteshaltung seine Werke schuf, wurde Barlach zum Künder Gottes im protestantischen Norden. Er versuchte das „Unerhörte“ in der Dichtung auszudrük- ken. In Symbol sollte das Übersinnliche durchscheinen. Im Mittelpunkt seiner Dichtung steht der „Wegsucher“ mit seiner demütigen Bereitschaft zu Dienst und Gehorsam gegen Gott, der allein den Menschen auf den rechten Weg bringen kann. Doch wird dem Menschen die Entscheidung nicht abgenommen. Er kann, wie Noah im Drama „Sündflut“, schuldig werden, wenn seine Bereitschaft zum Dienen den Willen zum verantwortlichen Handeln erstickt. Dais zeitliche Sein ist ihm ein Raum der Bewährung. Die Mündigkeit des Menschen sieht Barlach darin, daß er sich frei zu Gott bekennen oder auch sich von ihm abwenden kann. Ichbezogene Frömmigkeit, wie er sie Noah anlastet, lehnt der Dichter ab. Es komt Barlach weder auf eine kontinuierliche Handlung noch auf eine exakte Begründung an. Denn diese liege in Gott. — Gerhard Knick ist in seiner Regie bemüht, die in elf Bildern aufgegliederten fünf Teile des Dramas zu einer geschlossenen Einheit zu verbinden. Dies wird durch lange Umbauten beeinträchtigt, da es Hannes Rader in seinem Bühnenbild mehr auf das Monumentale ankommt, das den flüssigen Fortgang des Spiels hemmt. Die eindrucksvollste Leistung gelingt Norbert Kammil als Reisender und Bettler, Gestalten, unter denen sich Gott verbirgt. Seinen Gegenspieler Calan kontrastiert wirksam Erich Renzow. Ludwig Tiefenbrunner gibt den Noah redselig und entschlußarm. Seine Söhne verkörpern Manfred Jaksch als Sem, Peter Uray als Ham und mit ausgeprägtem Profil Helmut Kraemer als Japhet. Bewundernswert ist Theo Maier-Körner als buckliger Aussätziger. Auch Pawliks Knecht Chus ist eindringlich geformt. Udo Richter und Peter Uwe Arnst erweisen sich mehr durch gutes Sprechen als durch überdimensionierte Flügel als hoheitsvolle Engel. Arnfried Hanke bietet als junger Hirte eine vollwertige Leistung, obwohl er die Rolle erst am letzten Tag übernahm. In kleineren Rollen wirken mit: die Damen Hanke, Falkenhagen und Stefanek sowie Georg Matthes. Der Beifall des durch das dreistündige Spiel ermüdeten Publikums war schwächer, als Stück und Aufführung verdienten.

Das Linzer Kellertheater ist seiner Vorliebe für Manfred Hausmann treu geblieben und spielt nach der dramatischen Ballade „Lilofe“ und dem „Fischbecker Wandteppich“ sein noch wenig aufgeführtes fünfaktiges Drama „Die Zauberin von Buxtehude“, das im Aufbau an den Fischbecker Wandteppich“ erinnert, doch dessen dichterische Höhe und Geschlossenheit nicht erreicht. Jeder Akt ist zweigeteilt: im ersten Teil beraten der Dramaturg und spielfreudiges Theaterpersonal die Führung und Weiterführung eines Stegreifspieles. Im zweiten Teil rollt dieses schaurige Drama der Frau des Bürgermeisters von Buxtehude ab, die als Hexe angeklagt, gefoltert und zum Scheiterhaufen geführt wird. Die an sich unharmonische Koppelung der tragischen mit den heiteren Auftritten, in denen die Braut des Beleuchters erst zum Vorhangzieher, dann zum Feuerwehrmann hinüberwechselt, läßt die Hexenjagd besonders drastisch hervortreten. Doch der abrupte Abbruch des Ganges zum Scheiterhaufen mit religiös erhebenden Bekenntnissen und sein Wandel in die Flucht des Liebespaares reicht hart an die Grenze des Erträglichen. Doch soll nicht geleugnet werden, daß das Spiel wertvolle Gedanken zum Problem des Leides enthält, das nichts anderes ist als ein Schütteln und Rütteln Gottes, damit der ichbezogene Mensch nicht in der Sünde versinke. — Helmut Ortner versteht die Darsteller in ihren Doppelrollen gut zu führen. W. Frailer gestaltet in Zusammenarbeit mit Hans Dolzer die Bühne werkgerecht. Das Publikum dankte bei der Premiere für das trotz mancher Schwächen wertvolle und sehenswerte Spiel mit starkem Beifall.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung