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Don Camillo, III. Teil

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Vielleicht ist der Autor gar nicht so erfreut darüber, wenn wir ihn den österreichischen Don Camillo nennen. Warum aber nicht? Immerhin, er war Priester, der Schalk und Menschenfreund Guareschis; er redete mit Gott wie mit seinesgleichen. Michael Horatczuk redet mit den Menschen, nicht wie ein Lehrer und Prediger, sondern wie sie selber untereinander reden. Das mag den gewaltigen Nachhall seiner Bücher miterklären: „Hier lacht der Aszet“ liegt binnen kurzem in 5., „Lahme gehen zu Gott“ in 4. Auflage vor.

Diesmal sind die „Schlagworte“ dran. „Schlagwort“ — ein merkwürdiges Wort! Kommt es von Shakespeare? (Brutus in „Julius Cäsar“ 5, 1: „Erst Wort, dann Schlag!“) Wann ist es großgeschrieben worden, so groß, so scharf wie heute, da es fast wie „Schlagring“ klingt — und wie dieser blind, roh zuschlägt? Schlagworte sind anderes als Sprichworte, geflügelte Worte, Zitate; es sind eher abgebrauchte, mißbrauchte, falsch verstandene oder falsch angewendete Sprichworte, mit denen man andere oder sich selbst betäubt, sehr häufig nur, um das Gegenteil von dem tun zu dürfen, was sie eigentlich sagen.

Dieser Unsitte rückt nun Michael Horatczuk mit dem „Serrermtsser“ anf 3 leib! t)er Ausdruck tat“ plastisch, dehh dabei“ kömirien' seltsame Organe, Krankheiten und Anomalien zutage; er ist insofern unpräzis, als es sich nicht um eine schöne Leich, sondern um üppig wucherndes Leben, ja um die erbsündige Menschlichkeit schlechthin handelt. Die elf Kapitel (elf wohl deswegen, weil Horatczuks Buchkapitel vorher wie bei den beiden vorangegangenen Büchern monatlich, im Sommer nur einmal, als Einzelaufsätze in der Zeitschrift „Der Große Entschluß“

erschienen sind) nehmen ein jedes, Wort für Wort und Schlag auf Schlag, ein anderes Schlagwort aufs Korn. Lesen wir die Ueberschriften, so wissen wir zumeist schon, worum es geht, woran es fehlt; Das Leben hat mir alles vorenthalten, Ich folge nur meinem inneren Gesetz, Hier fehlen leider die Voraussetzungen, Gesunder Egoismus, Die Gnade setzt die Natur voraus, Am Wesentlichen muß man festhalten, Man lebt nur einmal, Ich muß immer für die anderen da sein. Die sündenbefleckte Seele, Alles verstehen heißt alles verzeihen und Alle Menschen sind gleich.

Manchmal wissen wir es auch nicht. Und da ist Michael Horatczuks Methode, aus Rede und Gegenrede (wieder Don Camillo!) aus Schale und Blattwerk klar den Kern herauszuschälen, ein verläßlicher geistlicher und menschlicher Führer. Wie er etwa tiefernst und theologisch in allen Sätteln sitzend das „Schlagwort“ „Die Gnade setzt die Natur voraus“ wieder zu dem macht, was es war, ist und immer sein wird: einer unserer schönsten und trostvollsten theologischen Lehrsätze, würde allein schon die Herausgabe dieses Buches rechtfertigen.

Wo gehobelt wird — auch ein Sprichwort, das zum Schlagwort degradiert werden kann —, fliegen Späne. Horatczuk ist ein fröhlicher Zimmermann; die Späne spritzen, flitzen und treffen, aber sie schmerzen und verletzen nicht. Einmal nennt er die

Menschen Gottes Ebenbilder: .....und nicht einmal besonders gut getroffene!“ Ueber die gute und schlechte Flucht zum Tabernakel meint er: „Man kann aber auch vor einer Arbeit davonlaufen, vor einer Aufgabe, einer Verantwortung, und dann vor dem Tabernakel singen: Ein Plätzchen hab' ich ausersehen. Es kann aber sein, daß wir gerade dort nicht am Platze sind.“ „Alles geht jeden an“, heißt es dann wieder, „eine Prügelei zwischen zwei Wüstenscheichs kann Folgen für die ganze Welt haben, wenn diese Prügelei zufällig neben einer Oelquelle vor sich geht.“ Ein Absatz des (auch sonst wohlgeratenen) Kapitels „Alles verstehen heißt alles verzeihen“ schließt' mit dem einprägsamen Bild von dem sozialsolidarisch überfließenden Nachbarn, der trotzdem das Radio brüllen “läßt. Ueberschrift: „Jetzt verstehe ich dich, Zeitgenosse, aber ich verzeihe dir nichts.“ Und das letzte Kapitel beginnt mit den klassischen Worten: „Es ist einfach nicht wahr, daß alle Menschen gleich sind, und ich habe das sogar amtlich. Im Reisepaß ist eine Spalte: Besondere Kennzeichen.“

JDa ist des östtrfl&%hen %$hiiniVi& Mutterwitz, Wortspiele, Bilder. Aber Spiel und Witz sind ihm nicht Dinge an sich (das ist bisweilen Don Camillo-Guareschis Unart). Spiel ist ihm der kürzeste und sicherste Weg zum Ohr und zum Herzen der Menschen. Und zu Gott. Denn nicht alle Wege führen nach Rom, würde vielleicht der Autor sagen. Das Sprichwort ist ja richtig. Aber das gleichlautende Schlagwort nicht.

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