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Drei Komödien

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Auf der Suche nach der verlorenen Vergangenheit haben der Roman, das Drama, die Lyrik und nicht zuletzt die bildende Kunst der Gegenwart erstaunliche Entdeckungen heimgebracht. Nun stellt uns auf der von Otto Niedermoser drapierten Bühne der Josefstadt jean Sarment eben dieses große Thema der Kunst unserer Zeit in einer bitterschmerzlichen Komödie vor: „Wir waren drei“. Drei Menschen, versandet, verlebt in einem vulgären, durchschnittlichen Leben, suchen den Weg in ihre gemeinsame Jugend zurück. Sie haben als drei unzertrennliche Freunde einst verabredet, sich an einem bestimmten Ort wieder zu treffen, wenn einer von ihnen ein Notsignal gibt. Dies geschieht. Zwei von den dreien finden sich ein, für den dritten erscheint dessen Frau, unerkannt von dem Manne, der das'Notzeichen gab; sie, einst der Traum seiner Seele. Das wenig inhaltsreiche Stück lebt, in der Josefstadf, von den Schauspielern. Vilma Degischer strahlt als Frau zwischen den beiden Männern und zwei Altern, zwischen ihrem Traum und der Realität, so viel Fluidum aus, daß die bewußt trostlose Gastwirtschaft, das ..Lokal“ ebenso wie die beiden wenig erfreulichen Männer gleich in ein besseres Licht getaucht werden. Das eilt, besonders für den arrivierten Steuerberater und Finanzmann, den Ernst Waldbrunn gefährlich einladend — zu einer „gesunden“ Spießerexistenz, vollsaftig gestaltet. Leopold Rudolf vermag diesmal seiner Rolle als verwirrter Liebhaber nicht viel aufzuringen. Plötzlich blitzt in diesem hinhaltenden Spiel die Tragödie auf: als Georg Bucher. Heros und Gemüsehändler, mit dem Raketenfeuerwerk im Arm. erscheint, wie er Bote des Unheils im alten Drama. Dann sinkt alles in sich zusammen, in den sanft rinnenden Regen, in die verrinnende Zeit, eine melancholische Sentimentalität. Sanfter Beifall des Publikums.

In den Kammerspielen hat sich Hans Jaray als Bearbeiter, Regisseur und Hauptdarsteller an eine Komödie von Jack Popplewell herangemacht. Es kann also nicht viel schiefgehen mit den „Braven Dieben“, wenn man bedenkt, daß ihm dabei zwei Herzensbrecher mit Scharm und Jugend assistieren: Peter Weck und Chariklia Baxevanos. “ Die „Geschichte“ dieser Gentlemangaunereien berichten zu wollen, hieße den Sinn eines luftigen Spiels dieser Art verkennen.

Ludwig Anzengrubers Komödie „Die Kreuzelschreiber“ erfährt im Volkstheater unter der Regie Mankers eine farbensatte, musikbeschwingte Aufführung. Anzengruber selbst ist eine österreichische Tragödie; eine starke Begabung, die sich in kleinsten Verhältnissen zerrieb. Sein trauriger Antiklerikaiismus (aus einem betrübten Herzen stammend, gar nicht so überlegen wie sein Steinklopferhans!), seine Verfilzung in einer Zwischenwelt, zwischen Stadt und Land, Tagesparolen und Ewigkeitsehnsucht, gehören der Vergangenheit an. Erstaunliches 19. Jahrhundert: wie viele grelle falsche Töne, gemischt mit draller Sentimentalität — und, dicht daneben starke Bilder, wirkliche große Fragen, die auch heute noch ungelöst sind in den Beziehungen zwischen Kirche und Welt, Klerus und Laien, Mann und Frau. Anzengruber bringt es fertig (und wird innerlich nicht damit fertig), im Stoff einer ländlichen Komödie das alles anzudeuten, anzutönen. Wobei eine Aufführung mit der Gestaltung des Steinklopferhans, einer der charakteristischen großen Symbole österreichischer Existenz, wie Grillparzers „Armer Spielmann“, steht und fällt. Fritz Muliar, der hier den Sprung vom Brettl und der leichten Sangeskunst zum Drama wagt, gelingt es leider nicht, die Schichten im Wesen des Steinklopferhans sichtbar zu machen. So fällt das große Bekenntnis im letzten Akt ab. schallt zu laut und zu flach, als eine Trompete eines billigen Allerweltspantheismus. und läßt den leisen, dunklen Unterton nicht hörbar werden: die Melodie des Archaischen, den Atem stiller Gottseligkeit mitten im Ein- und Ausatmen der Welt. Farbig und anschmiegsam gibt Hilde Sochor die junge Frau Josepha. Rudolf Strobl als ihr Mann daneben ist so lieb-schwach, wie er wohl sein soll. Von den über 20 Mitspielern muß zumindest Benno Smytt als der alte Brenninger und Oskar Wegrostek als der Großbauer von Grundldorf genannt werden. Die von Robert Leukauf bearbeitete Musik Müllers stellt die Verbindung her zu Anzengrubers Ahnen: zur Gesellschaftssatire Nestroys und auch Raimunds. — Das Lachen des PremierenpubliWums an ..passenden“ und unpassenden Stellen verdiente eine eigene soziologisch-pojitische Studie.

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