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EIN JAHR NACHHER
Am 19. Mai 1960 jährt sich zum eisten Male der Todestag des Gründers und Herausgebers der „Furche“, Dr. Friedrich F u n d e r. Erinnerung und ehrendes Gedächtnis aus nah und fern sind uns aus diesem Anlaß zugegangen. Wer die mitteleuropäische Publizistik dieses vergangenen Jahres aufmerksam verfolgt hat, wird immer wieder seinen Spuren, der Bezugnahme auf sein Wort, nicht zuletzt auf Mahnungen aus seiner Feder, aus seinem Herzen stoßen. Die „Furche“ hat dieses erste Jahr, in dem ihr Gründer nicht mehr leibhaft in ihrer Mitte weilte, in besonderer Weise von Tag zu Tag, von Woche zu Woche Gelegenheit gehabt, stille Zwiesprache mit Doktor Friedrich Funder zu pflegen. Merkwürdig erinnern ja Vorgänge dieses Jahreslaufes an die Anfänge des Blattes, in den Wehen der Wiedergeburt Österreichs 1945/46. Wieder geht es heute, wie damals, darum, Österreich als eine lebendige Wirklichkeit im Wissen und Gewissen, im Bewußtsein von Menschen einzugründen, die es „vergessen“ haben, damals, 1945, und heute im. Dunst neuer Vernebelung und eines fiebrigheißen Konsumbetriebes; in Menschen aber auch, die nicht oder ganz ungenügend von Österreich erfahren haben: das gilt für die Jugend von 1945 und die Jugend von 1960.
Ja, wir haben uns oft gefragt, gerade in diesem Jahre: warum sprechen wir soviel von Österreich? Ist es denn wirklich so wichtig, heute von diesem kleinen Staate und seiner Freiheit und Unabhängigkeit zu sprechen, wo doch scheinbar viel „größere Dinge“ auf dem Spiel stehen? Man nennt sie „Europa“, die „freie
Welt“: Nun, was von beiden zu halten ist, im guten und weniger guten Sinne, enthüllen von Tag zu Tag mehr die Ereignisse rings um Europa, Von Korea über die Türkei bis nah an unsere Mitte. Es ist eine schlichte Wahrheit, die aber so manehe hochstehende Phraseure und auch Politikaster hüben und drüben nicht gerne sehen wollen: Freiheit wird zur Phrase, dann zur Gefangenschaft, wenn eben diese Freiheit, f polirische Freiheit, Denkfreiheit, Glaüberistrei-“ heit und nicht zuletzt Pressefreiheit.genau errieft' kleinen konkreten Ort besitzen und zu behaupten vermögen, in dem sie sich konkret realisieren. Es könnte sein, daß wir eines Tages in einem wunderschön aussehenden, riesengroßen, perfekt integrierten Freiheitsraum aufwachen und schmerzlich bemerken, daß er fast alles enthält, nur nicht mehr die kleine Gelegenheit, heiße Eisen öffentlich anzufassen und im konkreten Fall frei zu sein.
Also nehmen wir uns die Freiheit, frei zu sein: und kämpfen deshalb weiter für ein unabhängiges Österreich. Dies ist unser erstes. Das weitere mag man ruhig, und vielleicht erstaunt, in den ersten Jahrgängen der „Furche“ nachlesen, man wird dort dieselben Maximen, dieselben Leitbilder finden, das Gesetz, dem treu wir hier angetreten sind: kämpfend für innere Befriedigung, für soziale Gerechtigkeit, für Mittelstand und das Recht auf Bildung; das alles im Geiste einer weltoffenen Katholizität, die nicht zuletzt den protestantischen Bruder ehrt, und — 1945 wie 1960 — ruhig und gelassen sich bemüht, die notwendigen Auseinandersetzungen mit den bewußten und unbewußten Gegnern der Freiheit und Menschlichkeit in einer Weise durchzuführen, die ihnen selbst gerechter wird, als sie sich geben: vor 1945, und heute wieder, um 1960. _
In diesem Sinne dankt die „Furche“ dem ständig wachsenden Kreis ihrer Freunde für die treue Partnerschaft, gerade in diesem angelaufenen Jahre. Vor uns allen liegt viel Arbeit: in und für Österreich.
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